Religionspädagogik

Vorwort - Die Kirchen und das Judentum

Prof. Dr. Hans Hermann Henrix & Prof. Dr. Reinhold Boschki



Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und ihrer Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen „Nostra aetate“ vom 28. Oktober 1965 ist der Kirche und Theologie bewusst geworden, dass die Klärung der Beziehung der Kirche zum jüdischen Volk und Judentum zu den gewichtigen Herausforderungen der Kirche zählt. Es ist eine Herausforderung, die von der Kirche ernst genommen wird, was nicht ausschließt, dass es immer wieder zu Irritationen der Beziehung kommt. Und doch hat die jüdische Stellungnahme zu Christen und Christentum unter dem Titel „Dabru Emet – Redet Wahrheit“ vom 10. September 2000 gute Gründe für ihre Vertrauenskundgabe zur jüdisch-christlichen Beziehung:

„In den vergangenen Jahren hat sich ein dramatischer und unvorhersehbarer Wandel in den christlich-jüdischen Beziehungen vollzogen… Eine wachsende Zahl kirchlicher Gremien, unter ihnen sowohl römisch-katholische als auch protestantische, haben in öffentlichen Erklärungen ihre Reue über die Misshandlung von Juden und Judentum zum Ausdruck gebracht. Diese Erklärungen haben zudem verdeutlicht, wie christliche Lehre und Predigt reformiert werden können und müssen, um den unverändert gültigen Bund Gottes mit dem jüdischen Volk anzuerkennen und den Beitrag des Judentums zur Weltkultur und zum christlichen Glauben selbst zu würdigen“.

Zwei umfangreiche Dokumentationen belegen die Bemühungen um eine neue Kultur der Beziehung zwischen Christentum und Judentum: Rolf Rendtorff/Hans Hermann Henrix (Hg.), Die Kirchen und das Judentum. Band I: Dokumente von 1945 bis 1985, Paderborn/Gütersloh 2001 und Hans Hermann Henrix/Wolfgang Kraus (Hg.), Die Kirchen und das Judentum. Band II: Dokumente von 1986 bis 2000, Paderborn/Gütersloh 2001. Die Bände haben sich als wichtiges Quellenwerk für die wissenschaftliche Bearbeitung der Fragen der Beziehung der Kirchen zum jüdischen Volk und Judentum, aber auch für die Vergewisserung bei Anliegen von Schule, Bildung und Seelsorge bewährt. Sie bleiben als Grundlagenwerk unverzichtbar und werden nachhaltig konsultiert.

Nun sind die Bemühungen um die Pflege, Reflexion und Weiterentwicklung der Beziehung der Kirche zum Judentum auch nach dem Jahr 2000 weitergegangen. Der Prozess der Neuorientierung bzw. Festigung einer neuen Kultur christlich-jüdischer Beziehung ist unabgeschlossen. Bisweilen können auch Störungen und Irritationen diese Beziehung belasten. Dennoch kann man von einer vitalen und vorwärtsweisenden Lebendigkeit in der Beziehung zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum und jüdischem Volk sprechen. Vergleichbares gilt für die Beziehung der Kirchen der Reformation zum Judentum. Der hier angebotene Zugang zu den Dokumenten seit 2000 wird fortlaufend aktualisiert und erweitert.

Auswahlkriterien

Das Vorhaben, einen möglichst zuverlässigen Zugang zu den Dokumenten seit 2000 über das Internet anzubieten, bedarf der Erläuterung. Die Auswahlkriterien folgen den Regeln der beiden genannten Dokumentenbände. Es werden offizielle und offiziöse Verlautbarungen kirchlicher Gremien und kirchenleitender Amtsträger zugänglich gemacht. Ausarbeitungen oder Entwürfe von Kommissionen oder Studienkreisen werden nur aufgenommen, wenn sie mit einem Mandat durchgeführt und veröffentlicht worden sind. Eine Konzentration in thematischer und inhaltlicher Hinsicht wird vorgenommen, insofern Dokumente zugänglich gemacht werden, in denen theologische Aussagen zum Verhältnis der Kirchen zum Judentum gemacht werden. Es ist ein begründeter Ausnahmefall, wenn eine Stellungnahme zum Antisemitismus, zur Nahostsituation und zu anderen politischen und gesellschaftlichen Problemen zugänglich gemacht wird, in der eine theologische Reflexion im Hintergrund bleibt oder gar nicht ausdrücklich gemacht wird.

Es handelt sich bei der hier zugänglich gemachten Sammlung von Dokumenten also nur um eine relative Vollständigkeit. Gleichwohl soll ein aussagekräftiger Einblick in die Fortschreibung der Positionen zur katholisch-jüdischen Beziehung und darüber hinaus ermöglicht werden. Pointiert dialogfeindliche Standpunkte sollen mit diesem Dienst jedoch kein Forum erhalten.

Anlage der Dokumentation

Die Anlage der Dokumentation folgt der bewährten Struktur der beiden genannten Dokumentationen und orientiert sich in ihren Untergliederungen an der Zeitfolge der Veröffentlichung der Dokumente: Der erste Hauptteil bietet päpstliche bzw. vatikanische Dokumente (K.I). Dann folgen nichtdeutsche Verlautbarungen auf nationaler bzw. teilkirchlicher Ebene (K.II) und schließlich deutsche Verlautbarungen (K.III). In der letzten Abteilung kann das Kriterium des offiziellen Charakters eines Textes etwas offener gehandhabt sein, so dass auch Studien ohne kirchenoffizielles amtliches Mandat berücksichtigt werden können.

In Zukunft werden auch Verlautbarungen weiterer christlicher Konfessionen, insbesondere der protestantischen Kirchen, die seit dem Jahr 2000 publiziert wurden, eingestellt – sowohl von Seiten der nichtdeutschen Kirchen als auch der deutschen Kirche (Teil E).

Der Teil J dokumentiert jüdische Dokumente zur jüdisch-christlichen Beziehung und geben Äußerungen von jüdischen Persönlichkeiten oder Körperschaften bei offiziellen Begegnungen oder in deren Umfeld wieder.

In Teil CJ finden sich Texte, die von jüdischen und kirchlichen Gremien bzw. Kommissionen offiziellen Charakters gemeinsam publiziert wurden oder von jüdischen und christlichen Frauen und Männern in interreligiösen Gremien gemeinsam erarbeitet wurden. Für die katholisch-jüdische Beziehung hat das Internationale katholisch-jüdische Verbindungskomitee eine zentrale Bedeutung erlangt, so dass in diesem Teil CJ die Kommuniqués der Treffen des Verbindungskomitees zugänglich gemacht werden.

Aufbau im einzelnen

Der Aufbau der einzelnen Abschnitte und des einzelnen Dokumentes übernimmt die bewährte Struktur der beiden Dokumentationen „Die Kirchen und das Judentum“. Jedes Dokument wird mit einem vierteiligen Schema präsentiert:

1. Überschrift, die das verantwortliche Gremium bzw. die Person, die Bezeichnung des Dokuments und den Zeitpunkt der Verlautbarung nennt.

2. Redaktioneller Vorspann, der nähere Umstände des Zustandekommens, u.U. die Vorgeschichte, Stellung im geschichtlichen und theologischen Kontext und Beziehungen zu anderen Dokumenten nennt sowie eine kurze inhaltliche Charakterisierung gibt.

3. Wortlaut des Dokuments in deutscher Sprache.

4. Redaktioneller Nachspann, der die Sprache (sofern nicht Deutsch) und den Ort der Erstveröffentlichung (bei bisher unveröffentlichten Dokumenten die Quelle, die uns vorlag, z.B. das entsprechende Manuskript) sowie gegebenenfalls die Herkunft der Übersetzung angibt.

Die Dokumentation wird fortlaufend fortgeschrieben.