Institut für Klassische Archäologie

Pantelleria

Pantelleria liegt in der Straße von Sizilien etwa 110 km südlich von Sizilien und etwa 90 km nördlich vom tunesischen Cap Bon ([1]). Die Insel bildete einen wichtigen Schnittpunkt antiker Seehandelsrouten sowohl zwischen dem östlichen und westlichen Mittelmeerraum als auch zwischen Afrika und Europa. Bereits im Neolithikum wurde das aufgrund des vulkanischen Ursprungs der Insel anstehende Obsidian exportiert. Aus der Bronzezeit (1. Hälfte 2. Jahrtausend) ist auf Pantelleria eine stark befestigte Siedlung mit Nekropole (Mursia) nachzuweisen. Im 7. oder 6. Jh. v. Chr. wurde vermutlich von Karthago aus eine punische Niederlassung auf Pantelleria gegründet. Sie befand sich im NW der Insel in der Nähe des einzigen größeren Hafens der Insel.
Wie die wenigen literarischen Quellen belegen, verdankte das antike Cossyra seine Bedeutung seiner geographisch wichtigen Position. Nach Ps. Skylax gelangte man vom Hermaischen Vorgebirge (Cap Bon) in einer Tagesreise nach Cossyra und von dort in einer weiteren nach Lilibeum an der Westspitze Siziliens. Nach Strabo (6,211) befand sich auf halbem Weg zwischen Lilibeum und der karthagischen Stadt Aspis (Clupea, heute Kelibia) die Insel Cossyra.
Ihre strategische Bedeutung wird dann wieder im Verlauf des 1. Punischen Krieges deutlich. Auf dem Weg zu den eingeschlossenen Truppen des Regulus in Clupea bemächtigte sich im Jahre 255 v. Chr. eine Flotte von 350 römischen Schiffen der Insel. Cossyra wurde zerstört und eine Garnison eingerichtet. Die Expedition in Afrika wird aus römischer Sicht zu einem Erfolg, im Januar 253 v. Chr. feiern die Konsuln Servius Fulvius Nobilior Paetinus und Marcus Aemilius Paullus einen See-Triumph nicht nur über die Karthager, sondern auch de Cossurensibus. Diese Eroberung scheint dennoch nur ephemer gewesen zu sein, da die Karthager Cossyra noch im gleichen Jahr zurückeroberten.
Endgültig wird die Insel erst 217 v. Chr. durch Cn. Servilius Geminus von den Karthagern für Rom gewonnen und der Provinz Sizilien zugeschlagen, nachdem hier eine Garnison eingesetzt worden war. In römischer Zeit stand dann vor allem der Handel und Weinanbau auf Pantelleria im Vordergrund, den zahlreiche Funde von Schiffswracks mit Weinamphoren in den Gewässern um die Insel belegen.

Etwa 1500 m südöstlich des heutigen Hauptortes Pantelleria erhebt sich der Doppelhügel von S. Marco und S. Teresa mit den Resten der befestigten Stadt, der das gesamte Gebiet bis zum Hafen sowie die Wege ins Landesinnere beherrscht ([2]). Das Gesamtareal dieser Akropolis umfasst gut 200 x 100 m und ist bis zur Spitze der Hügel weitgehend durch modern angelegte Terrassen gegliedert ([3], [4]). Bereits 1874 erstellte Francesco Cavallari einen ersten Übersichtsplan, P. Orsi und A. Mayr verzeichneten 1894 und 1897 die antiken Reste auf Planskizzen. Diese Pläne bildeten bislang die Grundlage jeder wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Gelände. Erst 1965 unternahm A. Verger im Zusammenhang mit der Erforschung des antiken Mozia eine kleine Sondage an einem Mauerstück an der vom Hafen abgewandten SO-Seite von San Marco. Die gleiche Mauer wurde 1998 im Rahmen von Restaurierungsarbeiten von S. Tuzzato erneut freigelegt. Dennoch wurde dieser für die Geschichte der Insel und für die phönizisch/punische Kolonisation des westlichen Mittelmeers so zentraler Ort bisher noch nicht systematisch untersucht.
Seit 2000 gräbt ein deutsch-italienisches Team auf der Akropolis unter der Leitung von Thomas Schäfer (Universität Tübingen). Im Mittelpunkt der Grabung stehen Fragen der Akkulturation am Übergang der punischen Siedlung zum römischen Municipium. Mit der Wiedergewinnung der antiken Gestalt der Akropolis sind eine Reihe weiterer, übergeordneter Fragen verbunden: Welche Rolle spielte die Akropolis im urbanistischen Gesamtkonzept? Welche Schlüsse ergeben sich aus den Funden für die Handelsbeziehungen Cossyras? Welche Auswirkungen hatte die römische Okkupation auf der Insel?

An den Hängen des zum Hafen zugewandten Hügels von S. Marco konnte eine intensive Wohnbebauung nachgewiesen werden, die mehrräumige Häuser, Zisternen, Badezimmer mit opus signinum sowie Reste eines römischen Atriumhauses ([5]) umfasst. Die Spitze des Hügels war von einer Verteidigungsmauer mit Wehrtürmen umgeben ([6]). Auf der Hügelspitze fanden sich weitere Zisternen unterschiedlicher Größe, von denen einige so gut erhalten sind, dass sie noch heute als Wasserspeicher dienen. Sie sind durch ein kompliziertes Kanalüberlaufsystem miteinander verbunden und weisen die typisch langovale Form auf, wie sie aus Karthago und anderen punischen Niederlassungen bekannt sind. Die meisten Zisternen wurden nach Ausweis der spätesten Keramikfunde im 5. / 6. Jh. n. Chr. willkürlich verfüllt, so dass z. B. anpassende Fragmente derselben Inschrift in verschiedenen Zisternen gefunden wurden. In dieser Zeit muss also die endgültige Zerstörung der Bauten der Akropolis erfolgt sein, möglicherweise im Zusammenhang mit einem Einfall der Vandalen.

Völlig unerwartet und sensationell war der Fund der perfekt erhaltenen Bildnisse von Caesar, Antonia minor und Titus in zwei Zisternen während der Kampagne 2003 ([9]). Die beiden ersteren lagen in der Zisterne (US 861), die hinsichtlich der Verfüllung offenbar eine Ausnahme bildet ([7]): Nach Ausweis der Keramik wurde sie bereits im späten 1. Jh. n. Chr. verfüllt. Zahlreiche Marmorfragmente von unbekleideten Körperteilen könnten auf Akrolithstatuen schließen lassen, deren Gewandpartien aus anderem Material gearbeitet waren. Ferner kamen Fragmente von Skulptur aus Stuck zu tage. Reiche Funde einheimischer Keramik sowie Importe aus Malta und Spanien aus dem 4.-2. Jh. v. Chr. ([15])rhodische Amphoren, Öllampen aus Ephesos, Athen oder Ägypten belegen den weiten Handelsradius von Cossyra. Extrem wichtig sind ferner eine Reihe römischer Inschriften, die eine Familie der Valerii sowie einen ritterlichen Offizier aus trajanischer Zeit belegen, der als procurator Augusti in Puteoli für die Getreideversorgung Roms verantwortlich war. Dieses Amt ist erstmals auf dieser Inschrift belegt (G. Alföldy, s. Publikationen). Zur kostbaren Ausstattung der Gebäude gehörten große Platten aus Buntmarmor unterschiedlicher Provenienz: Giallo antico, Pavonazetto, Cippolino etc.
Die größte Zisterne auf dem höchsten Punkt des Hügels fasst ein Volumen von ca. 100 m³: dies deutete bereits darauf hin, dass sie von einem Dach gespeist worden sein muss, das für ein privates Wohnhaus zu groß war und auf ein öffentliches oder sakrales Gebäude schließen ließ. Diese Annahme wurde unterstützt durch den Fund zahlreicher Fragmente von stuckierten und bemalten Gebälkfriesen ([8]), Volutenkapitellen ([21]) und kannelierten Säulentrommeln. Während der Kampagne 2005 kam das über 10 m lange Teilstück eines mit Stuck verputzten Podiums zutage ([12]). Es gehört zu einem spätpunischen, in römischer Zeit modifiziertem Tempel, der offenbar das Hauptheiligtum der Akropolis darstellte und Melqart (Hercules) und Astarte (Isis) geweiht war. Inzwischen ist der gesamte Sakralbereich publiziert.

Auf dem Sattel zwischen den beiden Hügeln S. Marco und S. Teresa wurde in den Jahren 2001 und 2002 ein Areal von ca. 225 m² freigelegt. Zutage kam ein mit Stampflehm und Ziegelsplittern gepflasterter Platz. Diese wird von einer Architekturstruktur durchschnitten, bei der es sich möglicherweise um eine Stufenanlage oder Platzbegrenzung handelte, an die zur Platzmitte hin rechteckige Statuenpostamente angeschoben sind. Auch für den Wasserabfluss war gesorgt: ein Abflussloch führt in ein System von drei hintereinander geschalteten, öffentliche Zisternen. Die Funktion dieser Platzanlage soll zusammen mit der Befestigungsanlage in zukünftigen Kampagnen untersucht werden.

Kontakt: Dr. F. Schön

Die Grabung wurde mit Mitteln der Gerda-Henkel-Stiftung, der DFG und von H.-J. Bachofer finanziert.

Kooperationen

Soprintendenz Trapani
Bauforschung: Dr.-Ing. Klaus Müller /Universität München
Marmoranalysen: Prof. Dr. M. Satir, J. Zöldföldi/ Institut für Geowissenschaften, Universität Tübingen
Bauchemische Analysen: Prof. Dr. Andreas Gerdes, Helmholtz-Gesellschaft, Forschungszentrum Karlsruhe.
Keramikanalyse: Prof. Dr. Mommsen, Bonn

Publikationen

 

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