Institut für Klassische Archäologie

Antike des Monats Mai: Terrakottastatuette einer Frau

Die junge Frau trägt über einem weich bis auf die Füße herabfallenden Untergewand (dem Chiton) einen knielangen Mantel (das Himation). Ihre vom Mantel bedeckten Hände greifen den Stoff von innen und spannen ihn geschickt, so dass die Körperformen deutlich sichtbar sind. Das Haar ist zur sog. Melonenfrisur aufgesteckt. Dabei sind die Strähnen einzeln und gedreht in den Nacken geführt und dort zu einem Pferdeschwanz gebunden. Mit großen Ohrringen und einem blattförmigen Fächer in der linken Hand präsentiert sich die junge Frau als elegantes, modebewusstes Mitglied eines wohlhabenden hellenistischen Haushalts.

Tonfiguren dieser Art kamen in den ausgedehnten Nekropolen von Tanagra in Böotien (Zentralgriechenland) in großer Zahl zu Tage und stellten offensichtlich eine beliebte Form der Grabbeigabe dar. Durchschnittlich sind die jungen Frauen in stehender oder sitzender Haltung um die 20-30 cm groß, und stets waren sie aufwendig bemalt. In elegantem Gewand und mit modischer Frisur, mit Schmuck, Fächer und breitkrempigem Hut ausgestattet, zeigen sich die hellenistischen Bürgerinnen zum Gang in die Stadt bereit. Damit formulieren die sog. Tanagräerinnen ein deutlich anderes Frauenbild als die Darstellungen vornehmer Bürgerinnen klassischer Zeit, welche die Frau stets in häuslichem Kontext zeigen - beispielsweise zusammen mit Dienerinnen oder Kindern, bei der Wollverarbeitung oder beim Musizieren.

Aus Tanagra, 2. Hälfte 3. Jh. v. Chr., Slg. Noack, Inv. 5687

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