Uni-Tübingen

Nikolai Kohler

Eröffnung des Verfahrens: 31. Mai 2017

Promotionskolloquium: 18. Juli 2018

 

Biographie

  • geb. 1984 in Stuttgart
  • verheiratet, 2 Kinder
  • 2006-2013 Studium der Ev. Theologie in Tübingen
  • 2009-2010 Studienjahr an der Hebräischen Universität Jerusalem
  • 2010-2012 Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl von Prof. Dr. Christof Landmesser in Tübingen
  • 2013 Akademische Abschlussprüfung Ev. Theologie (Diplom)
  • 2013-2016 Doktorand und Wissenschaftlicher Angestellter im Graduiertenkolleg 1808: Ambiguität - Produktion und Rezeption an der Eberhard Karls Universität Tübingen

 

Forschungsschwerpunkte

  • Theologie des Paulus
  • Ethik im Neuen Testament
  • Hermeneutik
  • Kognitive Linguistik
  • Historische Semantik

 

Abstract:

"Der Tod bei Paulus. Die Ambiguität des Todes und das Leben der Glaubenden im Anschluss an den Römerbrief."

Der Forschungsgegenstand meiner Arbeit ist die Rede vom Tod bei Paulus, insbesondere im Römerbrief. Aus hermeneutischen Gründen ist dabei ist nicht nur das Lexem θάνατος, Tod, im Blick, sondern das gesamte theologische Thema des Todes. Mit dem Wortfeld Tod ist bei Paulus kein einzelnes, statisch-gleichbleibendes Konzept verbunden. Vielmehr lässt sich eine komplexe Vielfalt von Bedeutungsvarianten feststellen. Die Perspektiven, die Paulus mit der Rede vom Tod wählt, sind divergent und umfassen u.a. theologische, anthropologische, soteriologische und soziale Aspekte.

Ein erster wichtiger Schritt, um die Rede vom Tod bei Paulus besser zu verstehen, besteht vor dem Hintergrund der uneinheitlichen Terminologie in der Forschungsliteratur darin, das Phänomen der Vielschichtigkeit oder Mehrdeutigkeit der Rede vom Tod präzise terminologisch als Ambiguitätsphänomen zu bestimmen. Die Ambiguitätsbegrifflichkeit ermöglicht eine Beschreibung, die der Nuanciertheit der Rede vom Tod bei Paulus gerecht wird.

Paulus arbeitet mit distinkten Todesbedeutungen. Diese stehen jedoch nicht unverbunden nebeneinander, sondern ergeben im Rahmen einer jeweils eigenständigen argumentative Funktion zusammengenommen ein Gesamtverständnis des Todes. Dieses ist viergliedrig. Ich unterscheide zwischen vier Konzepten des Todes bei Paulus, die durch semantische Relationen miteinander verknüpft sind: ein eschatologisches, soteriologisches, partizipatives und physisches Todesverständnis. Diese vierfache Differenzierung ist nach Paulus konstitutiv, um den Tod als Phänomen angemessen zu beschreiben.

Es ist die These der Arbeit, dass durch den Aufweis der Einbettung der ambigen Rede vom Tod in die Argumentation des Römerbriefs gezeigt werden kann, dass gerade der ambigen Rede vom Tod eine für die kommunikative Strategie des Römerbriefs wesentliche Funktion zukommt: Sie dient der Vergewisserung der Glaubenden. Im Rahmen der Ambiguitätsmatrix des GRK 1808 befinden wir uns damit im Feld PS+, strategische Produktion. Auch RS+, die strategische Rezeption des Todesbegriffs in der Auseinandersetzung mit der Traditions- und Religionsgeschichte, spielt bei der Analyse eine wichtige Rolle. Paulus greift in seiner Produktion des Todesmotivs auf traditions- und religionsgeschichtlich vorgeprägte Todesvorstellungen zurück, setzt aber durch die Kombination und Anordnung dieser Todesvorstellungen im Rahmen seiner Argumentation neue Akzente, die sich wirkungsgeschichtlich als äußerst folgenreich erweisen sollen.

Die Rede vom Tod bei Paulus ist nun im Kontext der die Glaubenden bedrängenden Frage nach dem Umgang mit ihrer ambigen Gegenwart zu verstehen. Das ambige Todeskonzept im Römerbrief spielt eine entscheidende Rolle bei der Beantwortung der Frage nach dem Verstehen des gegenwärtigen Lebens und der Frage nach der Gewissheit der christlichen Existenz. Indem Paulus die Ambiguität des Todesverständnisses auffächert, vereindeutigt er die Existenz der Glaubenden. Eine problematische Ambivalenz wird in der Theologie des Paulus von einer produktiven Ambiguität unterlaufen. Das Proprium der paulinischen Rede vom Tod besteht also zumindest auch darin, dass sie gerade aufgrund ihrer Ambiguität eine vergewissernde Pragmatik hat. Die Ambiguität des Todes ist ein konstitutives und damit nicht verzichtbares Merkmal der Theologie des Paulus. Ambige Rede erweist sich in der Argumentation des Römerbriefs als eminenter Sprach- und damit Wirklichkeitsgewinn.

 

Publikationen

  • Kohler, Nikolai M.; Mirjam Sigmund (eingereicht). „Ambiguierung als rhetorische Strategie am Beispiel von Sermo 38 des Maurice de Sully.“
  • Kohler, Nikolai M. (2015). “The Theology of Adolf Hitler.” Rezension zu Before Auschwitz. What Christian Theology Must Learn from the Rise of Nazism, von Paul HinlickySyndicate 2 (2015). 137-140.

 

Vorträge