Uni-Tübingen

B 02

Gunst – Ungunst? Ressourcenerschließung in Marginalräumen

Fachklassifizierung

Ur- und Frühgeschichte

Bodenkunde

Projektleitung

Knopf, Thomas, Prof. Dr.

Eberhard Karls Universität Tübingen

Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters

Abteilung Jüngere Ur- und Frühgeschichte

Schloss Hohentübingen

Burgsteige 11

72070 Tübingen

Telefonnummer: 07071 29 74884

E-Mail-Adresse: thomas.knopf@uni-tuebingen.de 

 

Kühn, Peter, Dr.

Eberhard Karls Universität Tübingen

Fachbereich Geowissenschaften, Forschungsbereich Geographie

Lehrstuhl für Bodenkunde und Geomorphologie

Rümelinstraße 19–23

72070 Tübingen

Telefonnummer: 07071 29 74896

E-Mail-Adresse: peter.kuehnspam prevention@uni-tuebingen.de

 

Scholten, Thomas, Prof. Dr.

Eberhard Karls Universität Tübingen

Fachbereich Geowissenschaften, Forschungsbereich Geographie

Lehrstuhl für Bodenkunde und Geomorphologie

Rümelinstraße 19–23

72070 Tübingen

Telefonnummer: 07071 29 72400

E-Mail-Adresse: thomas.scholtenspam prevention@uni-tuebingen.de

DoktorandInnen

und Postdocs

Höpfer, Benjamin, M.A.

SFB 1070 RessourcenKulturen

Gartenstr. 29

Raum 113

72074 Tübingen

Telefonnummer: +49-(0)7071-29-73581

E-Mail-Adresse: benjamin.hoepferspam prevention@uni-tuebingen.de

 

Scherer, Sascha, M.Sc.

SFB 1070 RessourcenKulturen

Gartenstr. 29

Raum 113

72074 Tübingen

E-Mail-Adresse: sascha.schererspam prevention@uni-tuebingen.de

Das Projekt untersucht ausgehend von Gunsträumen (im Sinne von Altsiedellandschaften) die Erschließung von Ressourcen in Ungunsträumen aus archäologischer und archäopedologischer Perspektive. Im Zentrum der Forschungen stehen die Siedlungs- und Landnutzungsdynamik und damit verbundene potenzielle Bewegungen von Menschen. Die ackerbautreibenden Menschen, ihre Ökonomie, ihr Wissen und die naturräumlichen Faktoren bilden einen spezifischen RessourcenKomplex. Die Ressource Boden dient als zentraler Steuerfaktor. In der ersten Förderphase wurde erstmals die Landnutzungsgeschichte – basierend auf den kolluvialen Ablagerungen – der drei Untersuchungsgebiete (Baar, Schwarzwald, Schwäbische Alb) mit einer auf neuestem Stand dargelegten Besiedlungsgeschichte korreliert. Im Rahmen der archäologischen Fallstudie wurde anhand von 1826 Fundstellen vom Neolithikum bis ins hohe Mittelalter die Besiedlungsgeschichte der drei Regionen erarbeitet. Die archäopedologische Fallstudie umfasste 14 Standorte im Umfeld ausgewählter archäologischer Fundstellen mit 57 kolluvial geprägten Bodenprofilen. Diese wurden hochauflösend beprobt, datiert und bodenchemisch analysiert, um die Perioden des menschlichen Einflusses auf die ehemaligen Landoberflächen zu identifizieren und charakterisieren. So wurde eine auf Kolluvien basierende Landnutzungsgeschichte erstellt und mit den archäologischen Ergebnissen sowie der Klimageschichte korreliert. Hinsichtlich der Kolluvien zeigten sich etwa auf der Baar regional unterschiedlich gewichtete Landnutzungsphasen, z. T. mit unerwartet mächtigen Schichten (bis 180 cm) weit verbreitet auch an Oberhängen. Der Abgleich mit holozänen Klimadaten weist auf eine Gleichzeitigkeit von fast allen Phasen erhöhter Kolluvienbildung auf der Baar und dem Beginn feuchter und kalter Perioden hin. Allerdings zeigen einzelne Abschnitte, dass Niederschlag nicht der entscheidende Faktor sein muss. Auch aus archäologischer Sicht lässt sich hier festhalten, dass alte klimadeterministische Modelle nicht in allen Teilen auf das vorliegende Untersuchungsgebiet zu übertragen sind. Die Analysen zeigen, dass die Landnutzung und Landschaftswahrnehmung auf der Baar und angrenzenden Naturräumen auch von kulturellen Faktoren abhing. Auffallend sind etwa Deponierungen auf der Westbaar bzw. Hortfunde und Opferplätze auf der Schwäbischen Alb, die offensichtlich eine symbolisch geprägte Raumordnung zeigen. Hinsichtlich ihrer naturräumlichen Ausstattung ungünstige Regionen spielten z. B. während der Bronzezeit bei Durchführung von Ritualen eine zentrale Rolle. Für urnenfelderzeitliche Siedlungsdynamiken zeichnet sich im Fundbild eine bevorzugte Lage an großen Fließgewässern ab, denen eine wichtige Rolle als Verkehrsachsen zugekommen sein wird. Für die nächste Förderphase des SFB 1070 untersucht das Teilprojekt B 02 Gunst- und Ungunsträume mit veränderter Faktorenkonstellation, um einen noch engeren und unmittelbareren Bezug zwischen Siedlungsgeschehen und Bodennutzung bzw. Kolluvienentstehung herstellen zu können. Der archäologische Abgleich von Siedlungsdynamiken mit aus Kolluvien gewonnenen Landnutzungsphasen bildet als bewährtes Instrumentarium weiterhin die Grundlage. Generelles Ziel ist die Deutung der Bewegung von Menschen in und aus Gunst-/Ungunsträumen vor dem Hintergrund der Ressource Boden und der damit verbundenen weiteren Ressourcen, die durch soziokulturelle und naturbezogene (etwa klimatische) Faktoren in ihrer Nutzung und Wahrnehmung bedingt sind. Das Gegensatzpaar Gunst/Ungunst wird differenziert und weiterentwickelt: als Gunstraum wird nun der Hegau betrachtet. Er stellt einen in der Ur- und Frühgeschichte intensiv besiedelten Raum dar, der sich durch fruchtbare Böden und mildes Klima auszeichnet. Die bisher als Gunstraum aufgefasste Baar wird damit in Relation zum Hegau das naturräumlich für landwirtschaftliche Zwecke weniger geeignete Gebiet. Eine im Vergleich zu den klassischen Altsiedellandschaften (wie etwa dem Mittleren Neckarraum) ebenfalls ungünstigere Region bildet das östliche Moränenhügelland Oberschwabens. Die dortigen Böden sowie die Höhe ü. N.N. und höhere Niederschläge bilden eine naturräumlich ungünstigere Situation für die frühe Besiedlung. Die Konstellation Ungunst–Gunst–Ungunst besteht somit trotz einer räumlichen Verschiebung fort. Im Vergleich zur ersten Phase werden nun statt großräumiger Landschaftsteile (Baar usw.) kleinere Gebiete bzw. ausgewählte kleine Siedlungskammern untersucht. Dadurch wird ein direkter Abgleich des bronzezeitlichen Siedlungsbildes mit der Bodennutzung ermöglicht. Daraus soll sowohl auf kleinräumige Bewegungen (etwa Verlagerungen der Siedlungen) sowie im Vergleich mit den jeweils anderen untersuchten Räumen auch weiträumigere Be und Entsiedlungsvorgänge geschlossen werden. Dabei erfolgt eine Konzentration auf einen spezifischen Zeitraum: In der Bronzezeit erfolgte eine verbesserte Bodenbearbeitungstechnik, eine Ausweitung und Intensivierung der Bodennutzung sowie eine verstärkte soziale Differenzierung. Somit soll etwa auch die mögliche Einbindung der lokalen Ressourcenkomplexe in weiträumigere gesellschaftliche Dynamiken Südwestdeutschlands analysiert werden. Insgesamt sind damit auf einer anderen Ebene als in der ersten Phase Erkenntnisse zu Bewegungen zwischen Gunst- und Ungunsträumen und deren Dynamiken zu erwarten. Methodisch kommen gezielte archäologische Prospektionen und Surveygrabungen sowie die geobiochemische Markeranalysen (Black Carbon, B5CA/B6CA) an Kolluvien hinzu. Der aus Siedlung, Bewirtschaftung, Bodenwissen, Erosionswahrnehmung, Klima und Boden bestehende RessourcenKomplex soll in der zweiten Phase stärker herausgearbeitet werden. Weiterhin ist eine engere Zusammenarbeit mit der Ethnologie hinsichtlich der Zusammenstellung und analogischen Bewertung ethnopedologischer Studien, etwa aus der Forschungsliteratur geplant.

Wie Boden Wissen schafft

Ein Film mit Prof. Dr. Thomas Scholten und Sascha Scherer

Geographische Untersuchungen zur Entwicklung von Böden als zentrale Ressource für unser Verständnis von Geschichte und Gegenwart: Wie hat sich eine Bodenlandschaft vor dem Eingriff durch den Menschen entwickelt und wie hat der Mensch die Böden verändert? Geowissenschaftliche Analysen ermöglichen Aussagen über heutige und frühere Bodennutzungsformen.

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