Uni-Tübingen

Workshop "Framing Political Violence: A Micro Approach to Civil War Studies“, 2. - 4. September 2013, Universität Tübingen

Bericht von Prof. Dr. Andreas Hasenclever und Jan Sändig

Anfang September 2013 veranstaltete das Teilprojekt C05 "Politische Gewalt" mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) und dem Universitätsbund Tübingen den zweitägigen Workshop „Framing Political Violence: A Micro Approach to Civil War Studies“. Dazu lud das Teilprojekt internationale Gäste aus verschiedenen Disziplinen, u.a. der Politikwissenschaft, Soziologie, Kommunikationswissenschaft und Ethnologie, nach Tübingen. Ziel des Workshops war es, Nutzen und Grenzen des Framing-Ansatzes zur Analyse innerstaatlicher Gewaltkonflikte herauszuarbeiten. Damit stand die in der bisherigen Forschung noch weitgehend vernachlässigte Mikro-Ebene der Gewalteskalation im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses.

Am ersten Tag des Workshops wurde der Framing-Ansatz konzeptionell und methodisch erörtert. Dabei zeigte sich, dass trotz jahrzehntelanger Forschung zu Framing weiterhin Unklarheiten bestehen, was Frames genau sind und wie sie sich erheben lassen. Dennoch, so das Fazit, lassen sich Frames im Sinne sogenannter Collective Action Frames von verwandten Konzepten, wie z.B. Diskurs, Ideologie, Narrativ, Werten und Habitus, so weit unterscheiden, dass empirische Arbeit mit dem Framing-Ansatz möglich ist. Im Kern lief das Argument darauf hinaus, dass Collective Action Frames als Konkretionen gesellschaftlich geteilter kultureller Kontexte zu verstehen sind, die eine für die Zielgruppe nachvollziehbare Problemanzeige enthalten (Problemdiagnose), die aus der Perspektive der Zielgruppe gangbare Lösungswege aufzeigen (Problembearbeitung) und die eine Zielgruppe so adressieren, dass sich ihre Mitglieder nachhaltig für eine gemeinsame Problembearbeitung engagieren (Handlungsmotivation).

Auf dieser theoretischen Grundlage diskutierten die Workshop-TeilnehmerInnen am zweiten Tag Fallbeispiele aus verschiedenen Weltregionen (Jemen, Kenia, Nigeria, Philippinen, Senegal, Somalia und Thailand). An diesen wurden die Defizite makro-struktureller Erklärungsansätze und die mittels der Framing-Perspektive gewonnenen Erkenntnisse über Gewalteskalation aufgezeigt. In der abschließenden Diskussionsrunde versuchten die TeilnehmerInnen ein allgemeines Modell zu erstellen, das Framing und andere für den Ausbruch von Gewalt relevante Erklärungsfaktoren verbindet.

Als Schlussfolgerung des Workshops lässt sich festhalten, dass alle Beteiligten darin überein kamen, dass Framing eine zentrale Rolle bei Gewalteskalation auf der Mikro-Ebene spielt. Damit stellt der Ansatz eine wichtige Ergänzung zu makro-strukturellen Erklärungsmodellen dar. Jedoch zeigt sich auch, dass es noch weiterer Forschung bedarf, um Framing konzeptionell sowie methodisch zu schärfen, von anderen Erklärungsansätzen für Gewalteskalation abzugrenzen und anhand einer hinreichenden Zahl an Fallstudien systematisch den Mehrwert von Framing für die Forschung zu bewaffneten Konflikten zu belegen.



Workshop „The Australian Natural Environment as a Threatening and Threatened Entity“, 15. und 16. August 2013, Tübingen

Bericht von Sabine Sauter (Universität Tübingen)

Am 15. und 16. August 2013 fand in Tübingen innerhalb des Sonderforschungsbereich 923 „Bedrohte Ordnungen” ein Workshop zum Thema „The Australian Natural Environment as a Threatening and Threatened Entity“ statt, der vom Projekt B04 „Sand- und Staubstürme als Bedrohung industriegesellschaftlicher Ordnungen“ ausgerichtet wurde. Prof. Ewald Frie (Universität Tübingen) führte zu Beginn in die zentrale Fragestellung des Workshops ein, nämlich inwieweit Natur von der australischen Siedlergesellschaft als Bedrohung wahrgenommen wurde, unter welchen Voraussetzungen sich ihre Umweltwahrnehmungen änderten und ob und wie solche Bedrohungsszenarien zu sozialem Wandel führten.

Die erste Sektion „Aborigines, Aliens, Anxieties“ eröffnete Sabine Sauter (Universität Tübingen) mit einem Vortrag über die gewandelte Deutung der Lebensweise der Aborigines unter ökologischen Vorzeichen von Seiten der white Australians im Bedrohungskontext der australischen Staubsturmjahre der 1930er und 1940er. Im anschließenden Vortrag analysierte Dr. Sheng Fei (Sun Yat-Sen Universität, Guangzhou) die Verflechtungen und gegenseitigen Verstärkungen von rassistischen, ökonomischen und ökologischen Argumenten seitens der white Australians innerhalb ihrer Kommunikation über die Bedrohung durch chinesische Migranten in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

In der zweiten Sektion unter der Überschrift „Threatened Resources“ referierten Dr. Luke Keogh (Deutsches Museum, München) und Dr. Cameron Muir (Australian National University, Canberra) über Konflikte um knappe Ressourcen in Regionen Zentralaustraliens und New South Wales. Beide Referenten zeigten, wie sich bei konträren Interessen gegenüber ein und derselben Ressource Bedrohungssituationen für unterschiedliche ökonomische, ökologische oder kulturelle Ordnungen ergaben.

Der zweite Veranstaltungstag wurde mit einer Sektion zum Thema „Experiences and Expressions of Threat“ eröffnet, in der die kulturellen Verarbeitungsmuster angesichts bedrohlicher Situationen im Vordergrund standen. In dem ersten Vortrag zeigte Dr. Ruth Morgan (Monash University, Melbourne), wie die Verwendung militärischer Metaphern im Zusammenhang mit der großen Dürre von 1914 eine Durchhaltementalität begünstigte, die das Anerkennen der ungünstigen klimatischen Bedingungen erschwerte. Anschließend referierte Janette Bailey (University of New South Wales, Sydney) über die Konzeptualisierung der australischen Frau als tapferer Kämpferin wider die Naturkräfte innerhalb der Winderosionsdebatten der 1930er Jahre.

Im zusammenfassenden Kommentar unterstrich Prof. Ursula Lehmkuhl (Universität Trier) die Möglichkeiten der Umweltgeschichte, bestehende Raum- und Zeitkategorien neu zu verorten. Sie stellte die Frage, inwieweit die Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Umwelt einen steten Wandelungsprozess bewirken und unter welchen Bedingungen es zu einem beschleunigten sozialen Wandel kommen könne. Diese Frage wurde in der anschließenden Abschlussdebatte zentral diskutiert, ebenso wie jene nach den Verflechtungen unterschiedlicher Bedrohungen und den jeweiligen gesellschaftlichen Reaktionen darauf.

Workshop "Katastrophen/Kultur. Eine Begriffswerkstatt.", 12. und 13. April 2013, Universität Tübingen

Bericht von Sandro Ratt und Jan Hinrichsen

„Katastrophen/Kultur. Eine Begriffswerkstatt.“ Der Titel verweist auf ein vielschichtiges wechselseitiges Beziehungsgeflecht: Antagonismus, aufeinander bezogener Zusammenhang, kulturelle Praxis. Um dieses Beziehungsgeflecht auszuloten, sollten auf der Tagung acht zentrale, sich aus der kul-turwissenschaftlichen Katastrophenforschung herleitende analytische Begriffe interdisziplinär diskutiert und miteinander verknüpft werden.
Den Anfang machte der Historiker KURT IMHOF (Zürich), der BEDROHUNG als soziales Problem verhandelte und die Unterscheidung zwischen Routine- und Fundamentalkonflikten stark machte. HUBERT KNOBLAUCH (Berlin) veranschaulichte den Wissensbegriff der phänomenologisch orientierten Wissenssoziologie, der die Verfestigung und das Fraglich-Werden alltagsweltlicher Selbstverständlichkeiten analysierbar macht. Der Architekt GÜNTHER PRECHTER (Bregenz) erörterte MATERIALITÄT als das der Katastrophe Entgegengesetzte und beleuchtete damit die „Meisterung“ (Prechter) der drohenden Zerstörung materieller Kultur. BERNHARD TSCHOFEN (Tübingen/Zürich) diskutierte die Wechselseitigkeit von NATUR und Kultur anhand der Theorien einer al-pinen Volkskunde und der Anthropologie des Raumes. Der Begriff des RAUMES wurde von dem Historiker PATRICK KUPPER (Zürich) beleuchtet und hinsichtlich seiner unterschiedlichen Dimensionen als Analyseinstrument einer historisch informierten Raumforschung erläutert. Aus einer volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Perspektive widmete sich HERMANN BAUSINGER (Tübingen) dem Begriff der TRADITION, ging dabei zunächst dessen Bedeutungswandel innerhalb des eigenen Faches nach und erörterte daraufhin die Rolle von Traditionen in Bedrohungssituationen. MONIQUE SCHEER (Tübingen) machte aus historisch-kulturanthropologischer Perspektive den Begriff der EMOTION für die Analyse bedrohter Ordnungen fruchtbar.


In seinem KOMMENTAR fasste KASPAR MAASE (Tübingen) zentrale Aspekte nochmals zusammen und gab wichtige Impulse für die daraufhin stattfindende ABSCHLUSSDISKUSSION unter der Leitung von BORIS NIESWAND (Tübingen). Hierbei ging es insbesondere um die Sinndimension von Katastrophen und um die Frage, wie man den im Projekt B03 diskutierten Begriff der „Katastrophentraditionen“ weiter präzisieren könnte.


Die Ergebnisse der Begriffswerkstatt (ergänzt durch einen Beitrag von Reinhard Johler zum Begriff der ORDNUNG) werden im Frühjahr 2014 in Form eines Tagungsbandes bei der Tübinger Vereinigung für Volkskunde publiziert.
Der interdisziplinäre Sonderforschungsbereich (SFB) 923 „Bedrohte Ordnungen“ ist an die Universität Tübingen angeschlossen. Er untersucht soziale Gefüge in Situationen, in denen die bestehende Ordnung durch innere oder äußere Fak-toren bedroht ist. Die WissenschaftlerInnen beforschen die Historisierung von Krisendiagnostiken sowie die Untersuchung von Modi des schnellen sozialen Wandels. Ihr Ziel ist die Etablierung neuer Raum‐ und Zeitkategorien in den Geisteswis-senschaften. Der SFB 923 wird seit dem 1. Juli 2011 von der Deutsche Forschungsgemeinschaft für die Dauer von vier Jahren gefördert.
Tübingen, den 16. Januar 2014