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Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2022: Forschung

Long COVID: Wenn auch nach einer Corona-Infektion Beschwerden bleiben

Studie am Universitätsklinikum Tübingen erforscht Krankheitsbild

Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Erschöpfung: Selbst Monate nach durchgestandener SARS-CoV-2-Infektion leiden einige Patientinnen und Patienten noch unter einer Vielzahl an Beschwerden, dem sogenannten Post-COVID-Syndrom. Um das Krankheitsbild zu erforschen, haben das Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung und das Institut für klinische Epidemiologie am Universitätsklinikum Tübingen unter Leitung von Professorin Stefanie Joos gemeinsam eine Studie durchgeführt. Maximilian von Platen hat Studienkoordinator Dr. Christian Förster zu den Ergebnissen befragt.

Was ist Long COVID beziehungsweise Post COVID?
Der Begriff “Long COVID” wurde ursprünglich von den Patientinnen und Patienten selbst geprägt, die langanhaltende Symptome nach COVID-19 haben. In Wissenschaft und Klinik werden als Long COVID heute Symptome bezeichnet, die noch mehr als vier Wochen nach der Infektion anhalten. Mit Post-COVID werden dagegen Krankheitsverläufe bezeichnet, bei denen die Symptome mindestens drei Monate fortbestehen.

Das Spektrum dieser Langzeit-Beschwerden ist sehr vielfältig und reicht von isolierter Geruchsstörung bis hin zu anhaltender Müdigkeit, sogenannter Fatigue. Es gibt somit nicht DAS Post-COVID-Syndrom, sondern es handelt sich vielmehr um ein ganzes Symptomspektrum im Anschluss an eine Infektion mit SARS-Cov-2.

Wie war das Setting für Ihre Post COVID-Studie?
Wir haben über die Gesundheitsämter im Kreis Tübingen, Reutlingen und im Enzkreis Ende 2020, also vor Beginn der zweiten Welle, alle dort registrierten Patientinnen und Patienten mit positivem PCR-Test um die Beantwortung eines Fragebogens gebeten. Ziel unserer Studie war es, die Häufigkeit und Risikofaktoren für Langzeitsymptome zu untersuchen. Wir hatten einen Rücklauf von 1.907 Teilnehmenden. Rund 87 Prozent der Teilnehmenden waren Patientinnen und Patienten, die während der Akutphase ihrer Infektion mit SARS-CoV-2 ambulant oder zu Hause behandelt wurden. Unsere Studie ist deshalb eine Ergänzung zu bereits vorliegenden Studien, in denen oftmals überwiegend Patientinnen und Patienten mit schweren Krankheitsverläufen behandelt werden mussten, in der Regel im Krankenhaus.

Wie häufig treten diese Symptome nach einer COVID-19-Erkrankung auf?
In der von uns durchgeführten Studie hatten 49% der Befragen Symptome im Sinne von Post COVID angegeben. Die häufigsten Beschwerden waren Müdigkeit, gefolgt von körperlicher Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Geschmacks- und Geruchsverlust.

Welche Faktoren begünstigen nach Ihrer Studie Post COVID?
In der Befragung konnten wir feststellen, dass Frauen häufiger von langanhaltenden Beschwerden nach COVID-19 betroffen sind. Außerdem spielt auch die Schwere des Akutverlaufs eine Rolle: 46 Prozent der ambulant behandelten Patientinnen und Patienten in unserer Studie litten bzw. leiden auch zwölf Wochen nach der Infektion unter mindestens einem der genannten Symptome. Diejenigen Teilnehmenden, die wegen der Infektion im Krankenhaus behandelt werden mussten, hatten dagegen bei einem Prozentsatz von 73 deutlich häufiger Langzeitbeschwerden. Es ist aber möglich, dass die Ursachen der Beschwerden sich unterscheiden und bei Hospitalisierten auch durch Effekte der Intensivtherapie bedingt sind. Auch Vorerkrankungen erhöhen das Risiko von Post-COVID-Beschwerden deutlich.

Wie lassen sich Ihre Ergebnisse einordnen? 
In Bezug auf die Häufigkeit von Langzeitsymptomen gibt es sehr unterschiedliche Angaben aus anderen Studien, diese reichen von 2% bis 91%. Das liegt daran, dass diese Studien mit ganz unterschiedlichen Methoden gemacht wurden, beispielsweise mit unterschiedlichen Patientengruppen, oder Symptome zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgefragt haben. Auch unsere Studie hat einige Fehlerquellen. So gehen wir davon aus, dass tendenziell eher Menschen an unserer Befragung teilgenommen haben, die von Post COVID betroffen sind, weil sie an der Erforschung dieses Krankheitsbildes ein größeres Interesse haben. Deswegen dürfte der tatsächliche Prozentsatz der von Post COVID Betroffenen geringer sein als in unserer Studie. Außerdem gibt es in unserer Studie keinen Vergleich mit einer Kontrollgruppe, die nicht an COVID-19 erkrankte. Wir können also nicht eindeutig sagen, dass alle in unserer Erhebung genannten Symptome auf COVID-19 zurückzuführen sind. Dies muss in weiteren Studien geprüft werden.

Haben Sie weitere Studien zu Post COVID geplant?
Untersuchungen zur Prävention oder der Wirksamkeit bestimmter Therapien wollen wir mit weiteren Studien machen. Wir haben über die Homepage des Instituts für Allgemeinmedizin und interprofessionelle Versorgung bereits Betroffene nach ihren Erfahrungen mit Therapieansätzen befragt. Dabei wurde deutlich, dass die Behandlungen symptombezogen erfolgen. Daher ist auch die Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte so wichtig, denn in den Hausarztpraxen können die allermeisten Langzeitsymptome behandelt oder zielgerichtet zu anderen Spezialisten überwiesen werden.

Maximilian von Platen 

Originaltitel der Publikation

Förster, Christian; Colombo, Miriam Giovanna; Wetzel, Anna-Jasmin; Martus, Peter; Joos, Stefanie: Persistierende Symptome nach COVID-19; Deutsches Ärzteblatt Int. (2022). DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0147