Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2014: Leute

Neu berufen: Professor Dr. Markus Rieger-Ladich

Professur für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Allgemeine Pädagogik (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät)

„Die Berufsgruppe, die am häufigsten für Ihre Interessen auf die Straße geht sind: Die Ärzte.“ Für Professor Dr. Markus Rieger-Ladich einer von vielen Belegen dafür, dass die ohnehin Privilegierten ihre Interessen am besten zu vertreten wissen. Der Erziehungswissenschaftler, der seit Oktober 2013 an der Universität Tübingen forscht und lehrt, beschäftigt sich unter anderem damit, wie die Strukturen unseres Bildungssystems soziale Ungleichheit reproduzieren. Dies geschehe meist durch indirekte Diskriminierung, sagt der Wissenschaftler ‒ und beginne bei den Assoziationen, die Namen wie „Kevin“ bei Lehrern auslösen. „Das perfide ist, dass sich Bildungsverlierer ein Scheitern oft als eigenes Versagen zuschreiben, man spricht hier von ‚symbolischen Gewaltverhältnissen‘.“

Die zunehmende Öffnung der Hochschulen begrüßt er deshalb ‒ auch wenn dies die Lehre verändert. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass nicht alle die gleichen Voraussetzungen mitbringen. Das senkt nicht zwangsläufig das Niveau, allerdings verlange ich von meinen Studierenden, dass sie die Ärmel hochkrempeln und sich in die Arbeit stürzen.“ Gute Lehre heißt für Professor Rieger-Ladich aber auch, Studierende in ihrem Alltag und mit ihren Medien abzuholen. So bietet er auch schon mal eine Veranstaltung zur amerikanischen TV-Serie „Breaking Bad“ an. Die gut erzählte Geschichte eines Chemielehrers, der sich zum Drogenboss wandelt, könne einen Bildungsprozess auslösen, findet der Erziehungswissenschaftler und plädiert für einen erweiterten Bildungsbegriff. „Bildung ist wesentlich mehr als ein kognitiver Prozess, es geht um die Fähigkeit, Distanz zu sich selbst einzunehmen, das Empathievermögen zu trainieren und sich für neue Facetten des eigenen Charakters zu öffnen.“

Professor Rieger-Ladich hat Philosophie, Neuere Deutsche Literatur und Erziehungswissenschaft in Marburg und Bonn studiert. In Bonn promovierte er mit einer Kritik an einem zentralen Pädagogik-Begriff: „Mündigkeit als Pathosformel“. Nach Tätigkeiten an der Universität Sankt Gallen, der Universität Zürich und der Universität Fribourg hatte er eine Professur für Erziehungswissenschaft, insbesondere Bildungs- und Erziehungstheorie an der Helmut Schmidt Universität in Hamburg inne. Für die Professor an der Universität Tübingen habe er sich bewusst entschieden, sagt er. „Tübingen ist eine Universität alten Stils, die es geschafft hat, sich neu zu erfinden. Hier haben die Geisteswissenschaften einen hohen Stellenwert. Und es gibt einen guten Austausch zwischen den Fachbereichen, eine echte Willkommenskultur.“


Antje Karbe