Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2019: Forschung

Archäologie des antiken Palästinas

Seit August 2018 ist die Tübinger Professur für Biblische Archäologie wieder besetzt 

"Unter dem Begriff 'Biblische Archäologie' verstehen wir konkret Palästina-Archäologie, also eine Archäologie für eine bestimmte Region in einem bestimmten Zeitraum. Die Region, mit der wir uns beschäftigen, ist das antike Palästina, also die heutigen Länder Israel, Jordanien, palästinensische Gebiete sowie der Südlibanon und die Sinai-Halbinsel. Der Zeitraum umfasst die Bronze- und die Eisenzeit vom 4. Jahrtausend vor Christus bis zum Beginn der Hellenistischen Zeit", erklärt Professor Dr. Jens Kamlah, der seit August 2018 die Tübinger Professur für Biblische Archäologie inne hat. Die Professur war seit der Emeritierung von Professor Dr. Siegfried Mittmann unbesetzt geblieben. Kamlah hat das Biblisch-Archäologische Institut bereits seit 2010 als außerordentlicher Professor geleitet.

Deutsch-libanesische Zusammenarbeit im ehemaligen Phönizien

Eines der wichtigsten Projekte des 1960 gegründeten Instituts sind derzeit die Ausgrabungen im Libanon, die bereits seit 2001 als deutsch-libanesische Kooperation vorangetrieben werden. "Wir konnten die Kelter eines ehemaligen Weinguts freilegen. Das ist die erste Anlage dieser Art überhaupt, die man im ehemaligen Phönizien gefunden hat. Ende Mai werden wir wieder für vier Wochen vor Ort sein", sagt Kamlah. Er und sein Team arbeiten dabei eng mit der Professorin Hélène Sader von der American University in Beirut (AUB) zusammen. Sie war früher als Doktorandin an der Universität Tübingen. Die Ausgrabungsstätte liegt direkt an der libanesischen Mittelmeerküste zwischen den Städten Sidon und Tyros. Gerade bei der Archäologie zu den Phöniziern gibt es laut Kamlah international gesehen großen Nachholbedarf. 

"Ein solches Ausgrabungsprojekt ist gerade für die Ausbildung von Studierenden und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern in der Qualifikationsphase wichtig. Um später selbst ein solches Projekt zu leiten, zu organisieren und beispielsweise Drittmittel dafür einzuwerben, muss man das von der Pike auf gelernt haben. Ich selbst habe bereits als Student an Ausgrabungen teilgenommen und habe schon bei meinem ersten Aufenthalt auf einem Ausgrabungsplatz gemerkt, dass das etwas ist, was ich auch zukünftig machen will", beschreibt Jens Kamlah seine Begeisterung für das Projekt.

Ackerbau im antiken Palästina

Voraussichtlich noch in diesem Jahr erscheint mit dem "Atlas zum Ackerbau im antiken Palästina" eine gemeinsame Publikation des Biblisch-Archäologischen Instituts und des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1070 RessourcenKulturen. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben unter der Leitung von PD Dr. Simone Riehl vom Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie - Archäobotanik und Jens Kamlah erstmals bereits vorhandene Daten zum Ackerbau im antiken Palästina umfassend ausgewertet und zusammengestellt. Darin wird unter anderem auch auf den Granatapfel eingegangen, der in alttestamentarischen Texten, aber auch in der Bildsprache des antiken Palästina, oft symbolisch für Fruchtbarkeit verwendet wird. Daher finden Forscherteams in der Levante, also in den Ländern am östlichen Mittelmeer, viele Objekte, die als Granatapfel geformt und als Kultgeräte verwendet worden sind. "Wir haben archäologischen Fundstücke, die aus Heiligtümern und Tempeln stammen, die Texte des Alten Testaments, in denen der Granatapfel als Symbol vorkommt, und archäobotanische Funde von Granatäpfeln", sagt Jens Kamlah. "Solche archäobotanischen Funde von Pflanzenresten sind noch nie systematisch erfasst worden. Das haben wir nun mit dem Atlas zur Geschichte des Ackerbaus gemacht."
In einem weiteren aktuellen Projekt im Rahmen des SFB 1070 geht es um die Funktion von ikonographischen Medien, also von Bildmedien als Ressource in den Ländern im östlichen Mittelmeer. "Beide SFB-Projekte sind für uns als Biblische Archäologie sehr bedeutend, da wir hier stark mit den anderen archäologischen Fachbereichen zusammenarbeiten. Wir sind ja fachlich doppelt eingebunden: an der Evangelisch-Theologischen Fakultät und in der Tübinger Archäologie", erklärt Kamlah.

Tübinger Biblische Archäologie in dieser fachlichen Ausrichtung einzigartig

"Die Wiedergewinnung der Professur erhöht den Stellenwert unseres Institutes deutlich – das ist in der Außenwahrnehmung ein ganz wichtiger Faktor. Für mich persönlich und für mein Team ist das eine wichtige Anerkennung unserer Arbeit der letzten Jahre. Und für die Zukunft des Biblisch-Archäologischen Instituts ist die Wiedereinrichtung der Professur eine notwendige Voraussetzung", so Kamlah. Die Tübinger Biblische Archäologie ist in dieser fachlichen Ausrichtung in Deutschland einzigartig, da die Inhaberin oder der Inhaber der Professur die Möglichkeit hat, sich ganz auf die Archäologie Palästinas zu konzentrieren und damit den fachlichen Herausforderungen dieses Gebietes gerecht zu werden.

 

Johannes Baral