Uni-Tübingen

Poetik-Dozentur 2015

Vom 22. bis 27. November 2015 waren der österreichische Schriftsteller Clemens Setz und die Berliner Journalistin und Schriftstellerin Kathrin Passig in Tübingen zu Gast.

Clemens Setz

„– Und da hinten schließlich das Spätwerk, sagte der junge Mann und deutete auf ein langes Regal voll dunkler, teilweise zerfallener Bücher. Der ganze späte Setz.“
(Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes)

 

Sie taucht immer wieder auf in den Texten von Clemens Setz, diese Figur des Schriftstellers mit demselben Namen, ob als seniler Greis inmitten des eigenen Archivs, als Eintrag im „Konversationslexikon der Jenseitsmythen“ (Frequenzen) oder – wie in Indigo – als ehemaliger Mathematiklehrer, der Reportagen über die Begegnung mit seinen geheimnisvollen Schützlingen verfasst. Setz schreibt eine zukünftige Literaturgeschichte scheinbar immer schon mit – und betont doch selbstironisch ihre Absurdität und Fiktionalität.

 

Clemens Setz, geboren 1982, lebt und schreibt nach einem Studium der Mathematik und Germanistik in Graz. 2007 erschien sein Debütroman Söhne und Planeten, 2009 folgte Die Frequenzen. Für Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes erhielt Setz 2011 den Preis der Leipziger Buchmesse. Die Jury würdigte den Erzählband als „ein düsteres, mit Überraschungen aufwartendes Prosalabor, in dem ein junger Autor sich traut, mit den Mitteln der Sprache Va-banque zu spielen.“

Der darauffolgende Roman Indigo wurde 2012 – ebenso wie zuvor Frequenzen – für den Deutschen Buchpreis nominiert. Setz erzählt von Kindern, die durch eine mysteriöse „Aura“ bei ihren Mitmenschen Kopfschmerzen und Übelkeit auslösen. Dabei wecken fingierte Quellenangaben, scheinbar historische Anekdoten und angebliche Bildbelege „unweigerlich detektivischen Eifer, der nur eben nicht durch konventionelle Krimiaufklärung, sondern Erkenntnisse ganz anderer Art belohnt wird.“ (FAZ)

Neben Prosatexten veröffentlichte Setz auch den Gedichtband Die Vogelstraußtrompete (2014), versucht sich an „QuickType-Poesie“ (Suhrkamp Logbuch), referiert in der Zeit über Anne-Frank-Fanfiction und kürzt mit dem Filzstift für die Süddeutsche Zeitung eine Selbsthilfe-Bibel zum lyrischen Kurztext zusammen.

Neue Formen der Auseinandersetzung mit seinem Werk bietet Setz seinen LeserInnen immer wieder: Die Entstehung, Herstellung und Rezeption von Indigo wurde begleitet durch ein Blog (http://indigo.suhrkamp.de/); im Band Glücklich wie Blei im Getreide (2015) finden sich Zusammenfassungen erster eigener Schreibversuche. Sein neuester – „erhaben durchgeknallter“ (Die Zeit) – Stalker-Roman Die Stunde zwischen Frau und Gitarre erschien im September 2015. Auch dazu kann man auf einem „Blog für Betreutes Lesen“ (http://frau-und-gitarre.de) noch bis Weihnachten rund 40 ganz unterschiedliche Rezensionen und Erfahrungsberichte lesen – oder sich unter dem Hashtag #fraugitarre gleich selbst am ‚Social Reading‘ des 1000-Seiters beteiligen.

 

 

Bibliographie (Auswahl):

Söhne und Planeten. Roman. (St. Pölten 2007)

Die Frequenzen. Roman. (St. Pölten 2009; München 2011)

Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes. Erzählungen. (Berlin 2011)

Indigo. Roman. (Berlin 2012)

Die Vogelstraußtrompete. Gedichte. (Berlin 2014)

Glücklich wie Blei im Getreide. Nacherzählungen. (Berlin 2015)

Die Stunde zwischen Frau und Gitarre (Berlin 2015)

 

Kathrin Passig

„Stellen Sie sich, liebe Leserin, lieber Leser, eine Frau vor, deren Wirkung auf die deutschsprachige Literatur später wohl ähnlich eingeschätzt werden wird wie die von Karl Kraus; eine Frau, in deren Gegenwart, so wie einst angeblich in der von Oscar Wilde, die Leute nach und nach tatsächlich geistreichere Dinge von sich zu geben beginnen – und Sie haben ein ungefähres Bild von Kathrin Passig.“ (Clemens Setz, Glücklich wie Blei im Getreide).

 

Kathrin Passig erhielt 2006 den Bachmannpreis für ihren Text Sie befinden sich hier – es war ihre erste literarische Arbeit. Denn ihr Wirken liegt eigentlich weniger im belletristischen Schreiben, sie bezeichnet sich selbst schlicht als „Sachbuchautorin und Sachenausdenkerin“ (NZZ).

 

Kathrin Passig, geboren 1970, war Mitbegründerin der Zentralen Intelligenz Agentur und Redakteurin des Weblogs Riesenmaschine, das 2006 mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde. Sachbücher wie Lexikon des Unwissens (2007, gemeinsam mit Aleks Scholz) oder Internet – Segen oder Fluch (2012, gemeinsam mit Sascha Lobo), wurden Bestseller.

Passig arbeitet darüber hinaus als Übersetzerin und schreibt immer wieder Beiträge und Kolumnen für u.a. die tageszeitung, die taz, SZ und NZZ. Sie dokumentiert unseren technischen Alltag (www.techniktagebuch.de) oder übt sich in der Revolutionierung von Literatur- und Filmempfehlungen mithilfe der „automatischen Kulturkritik“ (www.riesenmaschine.de).

Nebenbei ist sie Erfinderin einer Seite, auf der man T-Shirts nach Zufälligkeitsprinzip bedrucken lassen kann (www.zufallsshirt.de).

Kathrin Passig lebt in Berlin.

 

Bibliographie (Auswahl):

Mit Holm Friebe: Das nächste große Ding ( Reinbek 2007)

Mit Aleks Scholz: Lexikon des Unwissens. (Reinbek 2007)

Mit Sascha Lobo: Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin (Berlin 2008)

Mit Aleks Scholz: Verirren. Eine Anleitung für Anfänger und Fortgeschrittene (Berlin 2010)

Mit Aleks Scholz, Kai Schreiber: Das neue Lexikon des Unwissens (Berlin 2011)

Mit Sascha Lobo: Internet – Segen oder Fluch (Berlin 2012)

Standardsituationen der Technologiekritik (Berlin 2013)

Sie befinden sich hier (Reinbek 2014)