14.02.2024
Prof. Dr. Dr. h.c. Wernhard Möschel verstorben
Am 9. Februar dieses Jahres ist Prof. Dr. Dr. h.c. Wernhard Möschel im Alter von 82 Jahren in Tübingen gestorben. Die Fakultät verliert mit ihm einen herausragenden Wirtschaftsrechtler, der die Kartellrechtwissenschaft und Wettbewerbspolitik seit den 1970er-Jahren geprägt hat. Sein Wirken fiel in die Zeit wesentlicher Entwicklungen und Umbrüche der europäischen und deutschen Wettbewerbspolitik. Das deutsche Recht und das EG- bzw. EU-Kartellrecht wuchsen zusammen, die Binnenmarktintegration schritt voran, wichtige Netzindustrien wurden liberalisiert. In Wissenschaft und Praxis brach sich der „more-economic-approach“ Bahn, der die Rechtsanwendung stärker mit einer ökonomischen Wirkungsanalyse verband. Möschel gelang es in herausragender Weise, all diese Dimensionen in seine wissenschaftlichen Arbeiten zu integrieren. Seit jeher gehörte für ihn eine nüchterne ökonomische Analyse von Wirkungszusammenhängen zur juristischen Methode. Sein Normverständnis sah sich dem Schutz der Freiheit des Wettbewerbs in der ordoliberalen Tradition verpflichtet. Klare rechtspolitische Forderungen, eindeutige Auslegungsergebnisse und mitunter deutliche Kritik an praktischen Entwicklungen kennzeichnen seine Schriften. All das basierte auf den dogmatischen Grundfesten der Vertragsfreiheit als Fokuspunkt der Marktwirtschaft. Lediglich beispielhaft ist auf seine grundlegende Kommentierung zum Missbrauch marktbeherrschender Stellungen im Standardwerk zum Kartellrecht von Ulrich Immenga und Möschels akademischem Lehrer Ernst-Joachim Mestmäcker zu verweisen, oder auf sein Lehrbuch „Recht der Wettbewerbsbeschränkungen“. In einer gewaltigen Zahl dicht geschriebener Monographien und Aufsätze hat er die gesamte Entwicklung des Kartellrechts und der liberalisierten Netzindustrien begleitet und geprägt. Dies tat er auch in institutionalisiert politikberatender Funktion, insbesondere als Mitglied bzw. Vorsitzender der Monopolkommission und des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium. Bedeutende Ehrungen im In- und Ausland dokumentieren sein Gewicht zusätzlich, wie etwa die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Juristischen Fakultät der Universität Athen im Jahr 2012.
Möschel studierte Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Münster, München und Genf als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. Es folgten neben den juristischen Staatsexamina 1967 die Promotion in Münster zur „rechtlichen Behandlung der Paralleleinfuhr von Markenware innerhalb der EWG“ und 1972 die Habilitation in Bielefeld zum „Wirtschaftsrecht der Banken“. Im Alter von 32 Jahren wurde er 1973 Ordinarius an der Tübinger Juristenfakultät als Nachfolger von Ludwig Raiser. Der Tübinger Fakultät ist Möschel stets treu geblieben. Verschiedene Rufe an andere namhafte Universitäten hat er abgelehnt. In Tübingen hat er viele Generationen junger Juristinnen und Juristen als leidenschaftlicher Lehrer des Zivilrechts und begeisterndes wissenschaftliches Vorbild im Wirtschaftsrecht geprägt. Sein Humor und seine rednerische Begabung machten Vorträge zu kurzweiligen Ereignissen, deren Botschaften und Erkenntnisse umso deutlicher fortwirkten. Wernhard Möschel wird vermisst werden als kluger Kommentator der Wettbewerbspolitik ebenso wie als geschätzter Kollege und Lehrer an unserer Fakultät.
Text: Prof. Dr. Stefan Thomas
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