Methodenzentrum

Aktuelle Veröffentlichungen

Automatische Bot-Erkennung mit Bayes'schen Latent Class Models in Online-Umfragen

Forscher haben vor kurzem damit begonnen, Daten auf Online-Plattformen wie Amazons Mechanical Turk zu sammeln. Der Vorteil dieser Plattformen, wie z. B. der einfache Zugang zu repräsentativeren Stichproben, wird jedoch durch ein Problem erkauft, das erst kürzlich entdeckt wurde: statistische Bots. Diese Bots werden in großem Umfang eingesetzt, um automatisch Umfragen von Personen auszufüllen, die einen finanziellen Vorteil daraus ziehen. Sie verunreinigen alle Daten, die von Online-Plattformen stammen. In diesem Artikel stellen wir ein latentes Bayes'sches Klassenmodell vor, das routinemäßig angewendet werden kann, um statistische Bots in Online-Fragebögen und -Tests zu identifizieren. Das Modell ist sehr flexibel und basiert auf plausiblen Annahmen, die in den meisten empirischen Situationen erfüllt sind. Es bietet einen konfirmatorischen Rahmen, da die latenten Klassen in ihrer Bedeutung (Bots vs. Nicht-Bots) vorgegeben sind. In einer Simulationsstudie zeigen wir sehr vorteilhafte Schätzungseigenschaften, die (a) Bots identifizieren und (b) gleichzeitig unverzerrte Schätzungen für die übrigen Teilnehmer liefern. Wir veranschaulichen das Modell und seine Fähigkeiten anhand von Daten aus einer empirischen Umfrage zur politischen Gesinnung mit bekannten Bots. 

Zachary Joseph Roman, Holger Brandt, & Jason Michael Miller (accepted for publication). Automated Bot Detection using Bayesian Latent Class Models in Online Surveys. Frontiers in Psychology 

Un/doing gender in social worlds and arenas: Perspektiven für die Verknüpfung von Ethnomethodologie und Situationsanalyse

Der Artikel fragt nach fruchtbaren Anknüpfungspunkten zwischen der Theorie sozialer Welten und Arenen und der Ethnomethodologie. Am Beispiel des bekannten ethnomethodologischen Konzepts des doing gender frage ich nach Defiziten des Konzepts und wie diese mit Hilfe eines pragmatistischen Situationsverständnisses überwunden werden könnten, wie es in der Situationsanalyse angelegt ist. 

Offenberger, Ursula (im Erscheinen). Un/doing gender in social worlds and arenas: Perspectives for aligning ethnomethodology with situational analysis. In Leslie Gauditz, Anna-Lisa Klages, Stefanie Kruse, Eva Marr, Ana Mazur, Tamara Schwertel, & Olaf Tietje (Hrsg.), Die Situationsanalyse als Forschungsprogramm. Wiesbaden: VS. 

Die Entwicklung des Bündniskonzepts der Patienten und seine Beziehung zum Ergebnis: Ein dynamischer Latent-Class-Ansatz zur Strukturgleichungsmodellierung

Das Arbeitsbündnis (Working Alliance, WA) ist weithin als Schlüsselkonzept für Psychotherapie und verwandte Gesundheitsdienste identifiziert worden. Es hat sich gezeigt, dass das Arbeitsbündnis, das in verschiedenen Phasen unterschiedlicher Therapien gemessen wird, die Ergebnisse nach der Behandlung zuverlässig vorhersagt. Die Art und Weise, wie sich die Konzeptualisierung des Bündnisses durch die Klienten im Laufe der Zeit entwickelt, und die Beziehung zwischen dieser Art von konzeptueller Veränderung und der anschließenden Verbesserung der Symptome sind jedoch nicht untersucht worden. 
In diesem Artikel untersuchten wir die psychometrischen Eigenschaften des WA-Inventars im Hinblick auf die Entwicklung - und Verschmelzung - der zugrunde liegenden Dimensionen des ursprünglichen dreidimensionalen WA-Konstrukts (Aufgabe, Ziel, Bindung) zu einer einzigen Dimension im Verlauf der Behandlung. Mit Hilfe von Dynamic Latent Class Structural Equation Models (DLC-SEM) untersuchten wir Daten aus zwei randomisierten klinischen Studien zur kognitiven Verhaltenstherapie bei generalisierter Angststörung, um die strukturellen Veränderungen in den Selbstberichten der Patienten über die Qualität des Bündnisses und die nachfolgenden Behandlungsergebnisse zu bewerten. Die Ergebnisse deuten auf eine dimensionale Verschmelzung bei 63 % und 66 % der Patienten hin. Diese Studie zeigt das Potenzial auf, frühere theoretische Vorschläge zur Entwicklung (oder Stabilität) des Bündnisses im Laufe der Zeit empirisch zu untersuchen.

Christoph Flückiger, Adam O. Horvath, & Holger Brandt (2022). The Evolution of Patients’ Concept of the Alliance and Its Relation to Outcome: A Dynamic Latent-Class Structural Equation Modeling Approach. Journal of Counseling Psychology, 69(1), 51-62.

Vorteile von Spike- und Slab-Priors für die Erkennung von Differential Item Functioning im Vergleich zu anderen Bayes'schen Regularisierungspriors und Frequentistischem Lasso

Ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung und Bewertung von Skalen ist die Bewertung des Differential Item Functioning (DIF) in verschiedenen Segmenten der Population. Neuere Ansätze verwenden Lasso-Regularisierung, um gleichzeitig DIF in allen Items zu erkennen und falsche Anker-Item-Annahmen zu vermeiden, die bei klassischen DIF-Evaluierungsmethoden zu überhöhten Fehlerraten führen. Obwohl vielversprechend, führen Lasso-Methoden zu unterschätzten Standardfehlern und falschen p-Werten. In diesem Artikel werden alternative Bayes'sche Regularisierungsmethoden wie Spike-and-Slab- und Laplace-Prioren vorgeschlagen, um DIF in Multigruppen Item-Response-Theory und Moderated-Nonlinear-Factor-Analysis-Modellen zu untersuchen. Die Leistung dieser Ansätze wird anhand einer Simulationsstudie bewertet. 

Siyuan Marco Chen, Daniel J. Bauer, William M. Belzak & Holger Brandt (2022) Advantages of Spike and Slab Priors for Detecting Differential Item Functioning Relative to Other Bayesian Regularizing Priors and Frequentist Lasso, Structural Equation Modeling: A Multidisciplinary Journal, 29:1, 122-139, DOI: 10.1080/10705511.2021.1948335

Ein Latenter autoregressiver Ansatz für die Bayes'sche Strukturgleichungsmodellierung von räumlich oder sozial abhängigen Daten

Räumliche Analyseansätze (oder autoregressive Modelle für soziale Netzwerke) sind klassische Modelle in der ökonometrischen Literatur, aber relativ neu in den Sozial- und Verhaltenswissenschaften. Diese Modelle haben zwei große Vorteile. Erstens müssen abhängige Daten, entweder sozial oder räumlich, berücksichtigt werden, um unverzerrte Ergebnisse zu erhalten. Zweitens liefert die Analyse der Abhängigkeit reichhaltige zusätzliche Informationen wie Spillover-Effekte. In diesem Artikel wird ein kohärenter Rahmen für die räumliche, nichtlineare Strukturgleichungsmodellierung vorgestellt, der gleichzeitig latente Interaktionseffeckte / polynomielle Effekte schätzen und räumliche Effekte mit sowohl exogenen als auch endogenen latenten Variablen berücksichtigen kann: das Bayesian Spatial Auto-Regressive Structural Equation Model (BARDSEM). 

Zachary Joseph Roman & Holger Brandt (2021). A Latent Auto-regressive Approach for Bayesian Structural Equation Modeling of Spatially or Socially Dependent Data. Multivariate Behavioral Research.

Christentum und Geschlecht. Oder: Wie divers sind Eva und Adam?

Der Beitrag erläutert, wie religiöse Symbolisierungen von Geschlecht mit dem Glauben an die Naturhaftigkeit von Zweigeschlechtlichkeit zusammenhängen und fragt danach, welche Bedeutung für das Verhältnis von Religion und Geschlecht zeitgenössischen Kurskorrekturen sozialwissenschaftlicher Modernisierungstheorien zukommt.  

Offenberger, Ursula (2021a). Christentum und Geschlecht. Oder: Wie divers sind Eva und Adam? In Fahimah Ulfat & Ali Ghandour (Hrsg.), Sexualität, Gender und Religion in gegenwärtigen Diskursen. Wiesbaden: VS. 

Verwandlung von Lehrstoff in einen Comic. Ein Experiment mit den Siedlerinnen von Hull House, Chicago.

Der Beitrag berichtet vom Entstehungsprozess eines sozialwissenschaftlichen Webcomics über das Chicagoer Hull House-Settlement und stellt Überlegungen zur Gegenstandsangemessenheit wissenschaftlicher Kommunikationsformate an. 

Offenberger, Ursula (2021b). Verwandlung von Lehrstoff in einen Comic. Ein Experiment mit den Siedlerinnen von Hull House, Chicago. In Birgit Blättel-Mink (Hrsg.), Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. 

Repräsentation von Wahrscheinlichkeitsmodellen in der Wissensraumtheorie durch Multinomial Processing Tree Modelle

Stefano Noventa und Daniel W. Heck haben im Journal of Mathematical Psychology einen Beweis für die Repräsentation grundlegender Wahrscheinlichkeitsmodelle aus der Wissensstrukturtheorie (insbesondere das Basic Local Independence Model und das Simple Learning Model) innerhalb des allgemeinen Rahmens von Multinomial Processing Tree Modellen veröffentlicht. Die Autoren hoffen, durch die Hervorhebung dieser Verbindung und ihrer Implikationen für die Modellierung von Verletzungen der lokalen stochastischen Unabhängigkeit in der Item-Response-Theorie den Austausch von theoretischen Ergebnissen, statistischen Methoden und Software zwischen diesen verschiedenen Bereichen der mathematischen Psychologie und Psychometrie zu erleichtern.

Heck*, D.W., Noventa*, S. (2020). Representing Probabilistic Models of Knowledge Space Theory by Multinomial Processing Tree Models. Journal of Mathematical Psychology, 96. DOI: 10.1016/j.jmp.2020.102329.


*geteilte Erst-Autorenschaft

Perspektiven und Potenziale qualitativer Gesundheitsforschung. Ein Plädoyer für interdisziplinäre Brückenschläge.

Die Lektüre dieses Artikels soll Leserinnen und Leser zu dreierlei in die Lage versetzen: die Bedeutung von qualitativen Methoden und von sozialwissenschaftlichen Theorien für interdisziplinäre Gesundheitsforschung einzuschätzen; einem Fokus von Versorgungsforschung auf die Rolle von Patientenorganisationen und -bewegungen Bedeutung zuzumessen; und ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass eine weniger stark auf instrumentellen Nutzen und auf direkte Anwendungsorientierung ausgerichtete Gesundheitsforschung ebenfalls nützliche Perspektiverweiterungen für die Gestaltung zukünftiger Gesundheitsversorgung bereithalten kann. 

Offenberger, Ursula (2020). Perspektiven und Potenziale qualitativer Gesundheitsforschung. Ein Plädoyer für interdisziplinäre Brückenschläge. Das Gesundheitswesen. 

Ein neues nicht-lineares Framework für latente Variablen

Augustin Kelava und Holger Brandt veröffentlichten im Structural Equation Modeling Journal ein neues nichtlineares Strukturgleichungsmodell (NDLC-SEM) der dynamischen latenten Klasse. Das NDLC-SEM ist in der Lage, intraindividuelle psychologische Prozesse (z.B. Veränderungen in affektiven Zuständen als Trajektorien in der Mathematik) durchzuführen, die beispielsweise einen Abbruch vorhersagen könnten. Diese Prozesse werden in Teile zerlegt, die individuelle spezifische Komponenten (z.B. Schwachstellen, stabile Risikofaktoren wie Persönlichkeitsfaktoren oder kognitive Fähigkeiten) und zeitspezifische Komponenten beinhalten. Das NDLC-SEM fungiert als ein sehr umfassendes Framework, das es ermöglicht, Informationen aus verschiedenen Datenebenen und flexible Beziehungen zwischen Variablen (z.B. spezifische Interaktionen) zu integrieren.

Kelava, A. & Brandt, H. (2019). A nonlinear dynamic latent class structural equation model. Structural Equation Modeling: A Multidisciplinary Journal, 26(4), 509-528. doi: 10.1080/10705511.2018.1555692