09.07.2014 - Prof. Dr. Gilles Sauron (Paris)
Die augusteische Revolution des Theaters: Dramaturgie und Architektur
Die augusteische Wende war nicht nur eine politische, sondern hatte auch zum Ziel, alle Aspekte des menschlichen Lebens (Sitten, Religion, Kunst, Literatur usw.) zu verändern. Das Theater stand im Mittelpunkt aller dieser Wandlungen, da sich hier der neue Machthaber vor der Bevölkerung aller Städte des Reiches zur Schau stellte. Nach den Jahrhunderten, während derer der römische Senat den Bau ständiger Theater verhindert hatte, und nach dem außerordentlichen, von Pompeius beschloßenen Bau eines ständigen Theaters im Zentrum des Campus Martius, befahl Augustus, überall Theater zu errichten, natürlich vor allem in den westlichen Provinzen (Gallien, Spanien, Afrika), wo diese Gebäude zuvor nicht existierten. Augustus ließ zudem die Architektur der Bühne (scaenae frons) tiefgreifend verändern: An die Stelle der an die dramatischen Genres angepaßten Bühnenbilder trat eine unveränderliche Bühne, die den durch die Rückkehr des goldenen Zeitalters erneuerten Kosmos symbolisierte. Die Wandlung der Dramaturgie ist darüber hinaus mit dem Wirken des Pantomimen Pylades verbunden. Dieser, ein Freund des Augustus, hatte ein neues Schauspielgenre theoretisiert, den „italischen Tanz“, dessen Repertoire sich „von der ersten Geburt der Welt bis zu Kleopatra, Königin von Ägypten“ (nach Lukian, Über den Tanz, 37) erstreckte. Das augusteische Theater fand somit seinen Ausdruck im Kontrast zwischen der scaenae frons, dem Symbol der erneuerten Welt des goldenen Zeitalters, und dem Schauspiel, der Aufführung des menschlichen Lebens bis zum Ende des eisernen Zeitalters.