Seit Ende der 1960er Jahre finden Debatten über den Status von Filmgeschichten statt und es herrscht immerhin Konsens darüber, dass es keine definitive Filmgeschichte geben kann. Ausgehend von unterschiedlichen Forschungsmehtoden entstehen unterschiedliche Konstrukte, die einzelne Aspekte der Kinematografie stärker hervorheben, andere wiederum in den Hintergrund treten lassen. So ist die institutionelle Filmgeschichte, die sich mit den technologischen Bedingungen und wirtschaftlichen Aspekten der Produktion und des Vertriebs beschäftigt, eine andere Geschichte als diejenige, die vor allem soziopolitische Kontexte der Filme betrachtet; dieses soziopolitische Betrachtungsmodell wiederum unterscheidet sich von der Filmgeschichte, die die Strukturen ästhetischer Werke sowie den individuellen Stil einzelner Regisseure untersucht.
Unsere Filmgeschichte ist so konzipiert, dass ausgewählte Aspekte der polnischen (Film-)Geschichte anhand einer textbezogenen Analyse einzelner Filme erläutert werden. Da der Film nicht nur eine ästhetisches, sondern auch ein soziales Phänomen ist, werden die Beziehungen zwischen diesen beiden Ebenen analysiert und die Filme selbst als Phänomene in kommunikativen Prozessen wahrgenommen.
Die Konzentration auf einezelne Werke sowie ihre kommunikative Wechselwirkung führt allerdings dazu, dass das Forschungsfeld stark beschränkt werden muss. Im Fokus der Filmgeschichte stehen daher Spielfilme (unabhängig davon, ob sie zur Art cinema oder zum Unterhaltungskino gehören). In gesonderten Kapiteln werden jedoch auch die Entwicklungen und Tendenzen des Dokumentarfilms sowie des Avantgarde- und Animationsfilms besprochen.
Die Filmgeschichte ist deshalb nicht linear, sondern querschnittartig angelegt: Durch die Analyse einzelner Filme entsteht eine mosaikartige Zusammensetzung, die diese Filme einerseits in ihrem polnischen, andererseits in ihrem europäischen Kontext verortet. Das Buch liefert einen integrierenden Überblick über mehr als 100 Jahre polnischer Filmkunst und richtet sich sowohl an ein Fach-, als auch an ein ein filminteressiertes Laienpublikum.
Vorbereitet und konzipiert wurde das Projekt seit 2008 von Prof. Dr. Schamma Schahadat (Tübingen) und Dr. Konrad Klejsa (Łódź - DAAD-finanzierte Gastprofessur am Slav. Sem. der Tübinger Universität 10/07 - 03/08 sowie 10/08 - 09/09). An der Herausgabe der Filmgeschichte beteiligte sich zusätzlich noch Dr. Margarete Wach (Kunsthochschule für Medien, Köln). Projektkoordination: Christian Nastal.