Wie aber kann ein solches Denken im Einzelnen aussehen? Was sind seine Bedingungen? Welchen Beitrag kann die Wissenschaft dazu leisten? Wo sind die Grenzen der Wissenschaft und wo die Grenzen einzelner wissenschaftlicher Disziplinen in diesem Zusammenhang? Diese und ähnliche Fragen sollen in der Arbeitsgruppe reflektiert und zu beantworten versucht werden.
Im Mittelpunkt steht dabei der Begriff Differenz. Er dient als Suchbegriff, der helfen soll, 'die Globalisierung' als einheitliche Bewegung in Frage zu stellen, wobei er selbst hinsichtlich seiner Verwendungen und seiner Bedeutung für 'die Globalisierung' noch auszuloten ist: Vorläufig wird mit ihm die Option offen gehalten, dass verschiedene menschliche Lebensformen so grundlegend different sein können, dass sie sich nicht in gemeinsamen abstrakten Strukturen, in einer gemeinsamen Grammatik des Denkens, der Kommunikation und der Interaktion treffen. Gleichzeitig soll er jedoch keine neuen Identitäten festschreiben. Es ist daher weder vorschnell davon auszugehen, dass sich alle menschlichen Lebensformen letztlich auf einen gemeinsamen Nenner 'des' Menschseins zurückführen lassen, noch davon, dass Lebensformen innerhalb einer Kultur auf einen gemeinsamen Nenner 'der' Kultur zurückgehen und so nach außen, zwischen Kulturen, unüberwindbare Gräben entstehen. Damit werden in Hinblick auf wissenschaftliche Methodik Universalismus und Kulturrelativismus gleichermaßen fragwürdig.
Zudem untergräbt dies ein gängiges Verständnis von Kultur, das diese als abgrenzbare Ganzheit bestimmt, die in sich homogen ist. Wenn man potentielle Differenzen innerhalb einer Kultur genauso ernst nimmt wie diejenigen zwischen Kulturen, differenzieren sich 'die Kulturen' aus und lassen sich unter Umständen untereinander, quer zu bestehenden Traditionen, vernetzen: über 'Ähnlichkeiten' von unterschiedlich dauerhaftem Bestand. Trotzdem existiert die Vorstellung der 'Kultur(en)' weiter, die in diesem Sinne jedoch genauso wie die Konzepte der 'Interkulturalität' oder 'kulturellen Identität' dynamischer zu begreifen wäre.
Für eine Ethik, die sich auf die Interaktion von Menschen aus derart voneinander und in sich verschiedenen Kulturen bezieht, ergibt sich daraus die elementare Frage, wie Legitimität, die Verbindlichkeit von Werten, Regeln und Normen zu fassen ist, wenn infolge potentieller fundamentaler Differenz intra- wie interkulturell gemeinsame Bezugspunkte, auf die sich normative Begründung stützen könnte, nicht mehr selbstverständlich existieren (vgl. den 'Widerstreit' nach Lyotard). Eine Begründung sowie das in Geltung Setzen von Ansprüchen gegen andere (z.B. in Form moralischer Forderungen) muss vor diesem Hintergrund ohne universalistisch gedachte Verankerungen erfolgen. Ausgehend von den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wird hier auch überlegt, welcher Stellenwert ethischer Reflexion in Bezug auf das Zusammenleben zwischen Kulturen überhaupt zukommen kann bzw. sollte, wo und unter welchen Voraussetzungen sie abzulösen ist von Ansätzen einer pragmatischen Konfliktbewältigung in den Rechts- oder Sozialwissenschaften bzw. inwieweit die moderne Ökonomik mit der ihr impliziten Normativität als eine Verhandlungstheorie Lösungspotential enthält.