Exzellenzstrategie

Netzwerken, Kontakte knüpfen und Informationen austauschen - die sozialen Medien erweitern unsere Möglichkeiten in diesen Bereichen enorm. Der Chirurg und Medienexperte Julio Mayol hat mehr als 50.000 Follower auf Twitter. Gemeinsam mit ihm diskutieren wir die Frage, wie Wissenschaft und Forschung auch außerhalb von Fachkreisen mehr Sichtbarkeit erlangen kann.

Interview von Sarah Polzer

Herr Dr. Mayol, seit wann arbeiten Sie mit Iniativen, die sich um internationale Kooperation in der Chirurgie bemühen, zusammen - und was hat Sie dazu bewogen, mit COVIDSurg in Kontakt zu treten?
Ich arbeite seit einigen Jahren mit solchen internationalen Initiativen in der Chirurgie zusammen. Was mich motiviert, ist es mein Wissen weiterzugeben, um die chirurgische Praxis zu verbessern und sicherer zu machen, wann und wo immer es nötig ist.

Welche Philosophie steht hinter der Forschung, die COVIDSurg betreibt?
Dahinter steht die Philosophie, dass komplexe Probleme nicht im Alleingang angegangen und gelöst werden können. Die menschliche Intelligenz kann sich durch Zusammenarbeit verbessern. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

Was konnte bisher durch COVIDSurg schon erreicht werden?
COVIDSurg hat Chirurginnen und Chirurgen sowie Verantwortlichen im Gesundheitswesen während der Pandemie dabei geholfen, wichtige Entscheidungen zu treffen, indem es auf reale Daten aus der Patientenversorgung zurückgegriffen hat. Die Auswirkungen waren sofort sichtbar, da dies zu Veröffentlichungen geführt hat, die bereits vielfach zitiert sind und die von Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt als Informationsquelle genutzt wurden und werden.

Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis die Pandemie bewältigt ist?
Wir werden einige Jahre brauchen, um zu lernen, damit umzugehen. Es ist wahrscheinlich, dass das Virus nie wirklich verschwindet und uns ähnlich wie die Grippe begleitet.

Welche persönlichen Erkenntnisse haben Sie aus der Pandemie gewonnen?
Wir sind Lebewesen und die Natur überlistet uns. Wir müssen besser mit der Natur umgehen.

Die Arbeit für COVIDSurg findet auch online statt. Wie viel Zeit investieren Sie online und offline in COVIDSurg?
COVIDSurg wird von Birmingham aus geleitet und umfasst eine globale Gemeinschaft. Ich persönlich widme COVIDSurg keinen bestimmten Zeitraum, aber ein Großteil meiner Arbeit, sowohl online als auch offline, hat mit internationaler Zusammenarbeit zu tun.

Wo wir gerade von online und offline sprechen: Welche Rolle spielen soziale Medien für Sie?
Ich nutze verschiedene soziale Medien. Darunter Twitter, Instagram und TikTok. Twitter empfinde ich persönlich als am effektivsten. Die Plattform ist sehr schnell, direkt und eignet sich ideal für den schnellen Austausch von Informationen.

Was ist Ihre Zielgruppe?
Obwohl sich meine Follower überwiegend aus Personen, die in Gesundheitsberufen arbeiten zusammensetzt, habe ich keine bestimmte Zielgruppe.

Sehen Sie die sozialen Medien als Möglichkeit, verschiedene Teile der Gesellschaft zusammenzubringen?
Wie jedes andere menschliche Werkzeug auch kann es in beide Richtungen funktionieren. Es liegt an uns, wie wir es nutzen.

Sollte jede Forscherin und jeder Forscher sowie jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler soziale Medien nutzen, oder glauben Sie dies könnte die Autorität und Glaubwürdigkeit einer Person eher gefährden?
Die Verbreitung von Wissen ist für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie für Forscherinnen und Forscher obligatorisch. Wir müssen Teil des Online-Ökosystems sein, wenn wir unsere Botschaften verbreiten wollen.

Woran forschen Sie momentan?
Ich bin an verschiedenen Projekten beteiligt, die sich mit sozialen Medien und kollektiver Intelligenz, maschinellem und Ansätzen von sogenanntem deep learning sowie mit Nanotechnologien befassen. Das sind alles spannende Bereiche, in denen neue Erkenntnisse Auswirkungen auf das Gesundheitswesen haben und die Ergebnisse relevant verbessern könnten.

Wie wird sich die Chirurgie in der Zukunft verändern?
Es wird mehr bildgestützte und weniger invasive Eingriffe geben. Die Nanochirurgie wird zur Realität werden. Roboter werden einfachere chirurgische Eingriffe übernehmen können.

Die Chirurgie liegt -im Wortsinn- noch immer weitgehend in menschlicher Hand. Was würden Sie einem Kollegen im Falle einer misslungenen Operation raten?
Vertrauen muss vom ersten Kontakt an aufgebaut werden. Wenn etwas schief geht, sind Ehrlichkeit, Transparenz und Mitgefühl der Schlüssel. Eine effektive Kommunikation ist das Wichtigste, um die Situation zu bewältigen.

Gibt es einen bestimmten Fall, der Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Es gab viele, aber der Tod eines Freundes, den ich operiert hatte, lehrte mich viel über das Leben und den Tod.

Gab es in Ihrer Karriere Stationen, die Sie besonders geprägt haben?
Das Medizinstudium war für mich langweilig und frustrierend. Ich mochte die Art wie uns Dinge beigebracht und wie wir ausbildet wurden nicht. Die Facharztausbildung war aufregend, weil ich die Möglichkeit hatte, verschiedene, neue Fähigkeiten zu entwickeln, um spezifische Probleme zu lösen, die für die Patienten wichtig waren. Dann habe ich meine Weiterbildung am Beth Israel Hospital und an der Harvard Medical School fortgesetzt. Das hat meine Wahrnehmung von Forschung und chirurgischer Praxis völlig verändert. Ich wurde selbstständig und knüpfte ein wunderbares Netzwerk von Freunden und Kollegen. Seitdem ist mein Berufsleben außerordentlich fruchtbar geworden.