Tim Jegodzinski
Tierliche Begegnungen. Lebende Tiere in der Installationskunst seit den 1990er-Jahren
In meinem Dissertationsprojekt widme ich mich dem Einsatz von lebenden Tieren in der Installationskunst seit den 1990er-Jahren, in der beispielsweise unzählige Schmetterlinge durch einen Museumsraum flattern, Kanarienvögel Einzug in eine Galerie halten oder siebzig Buchfinken E-Gitarren spielen. Dabei folge ich der These, dass in den entsprechenden Installationen defizitäre Auffassungen und Vorstellungen der Rezipierenden gegenüber Tieren neu konfiguriert werden können.
Die von mir behandelten Arbeiten möchte ich im Hinblick auf die produktive Figur des „Zwischen“ untersuchen, wobei ich von folgenden Annahmen ausgehe: Der Einsatz von lebenden Tieren in der Installationskunst führt zu ereignishaften und performativen Arbeiten, in denen es zu vielfältigen Begegnungen von Menschen und Tieren kommt. Diese Dispositionen affizieren die Rezipierenden vor allem in ihrer Leiblichkeit, was unter anderem Einfluss auf deren Handlungs- und Bewegungsabläufe nimmt. Dabei werden bislang wahrgenommene Differenzen zwischen den menschlichen Akteuren und den Tieren, etwa das Vermögen Wirklichkeit zu konstituieren, zur Diskussion gestellt. In diesem dynamischen Prozess wird die prinzipielle Unverfügbarkeit des tierlichen Anderen jedoch keinesfalls aufgehoben, sondern im Gegenteil zum Auslöser transformierenden Werdens und kreativer Reflexionen über eine Neugestaltung des Verhältnisses der Rezipierenden zu den Tieren.
Verschiedenen Fallbeispielen, wie Henrik Håkanssons Frog For e.s.t. (eternal sonic trance) (1995) und Céleste Boursier-Mougenots from here to ear v.19 (2015), möchte ich mich phänomenologisch sowie performanztheoretisch nähern. Dabei sind die Begriffe Leiblichkeit und Verkörperung zentral für mich. Ein Ziel meines Projektes ist es dementsprechend, den genuin künstlerischen Beitrag von Installationen für die Kontroversen um die Beziehungen zwischen Menschen und Tieren herauszustellen. In diesem Zusammenhang gilt es im Speziellen zu erörtern, welche Rolle Natur und Naturkonzeptionen für die Entwicklung der Gattung Installation sowie den darin verhandelten (Natur-)Bildbegriff spielen. Ferner knüpfe ich mit meinem Vorhaben an aktuelle ethische Diskussionen um die Beziehung der Menschen zu ihrer Umwelt und der Natur an, die Fragen nach dem Miteinander der Lebewesen als eine nicht zu vernachlässigende Problematik erscheinen lassen.
Kontakt: tjego[at]gmx.net