Prof. Dr. Dorothee Kimmich

Sommersemester 2021

OS Sprache, Literatur, Kognition (interdisziplinäres Seminar mit Prof. Claudia Maienborn/Linguistik)

Das interdisziplinäre Oberseminar behandelt aktuelle Arbeiten im Schnittgebiet von Literaturwissenschaft, Linguistik und Kognitionspsychologie. Im Zentrum steht das Paradigma der Grounded Cognition, welches die klassische Vorstellung von menschlicher Kognition als modular organisierter Manipulation abstrakter Symbole ablöst durch die Annahme ihrer Fundierung in sensomotorischen Aktivationsmustern. Die bisherigen empirischen Befunde, die für eine solche perzeptuelle Grundlegung unserer Kognition sprechen, sind äußerst beeindruckend. Diese neue Sicht auf Kognition stellt die Sprachforschung (zumal die kompositionale Semantik) vor größte Herausforderungen, rüttelt sie doch an ganz wesentlichen Gründungsannahmen der modernen Linguistik, etwa der “Gewissheit” von der genuin symbolischen und gleichsam amodalen Natur menschlicher Sprache und ihrer kompositionalen Kombinatorik. Für die Literaturwissenschaften bedeutet dies, dass Theorien der Fiktion, der Imagination und Theorien der ästhetischer Erfahrung im Kontext der Grounded oder Embodied Cognition neu konzipiert und begründet werden müssen. 
Zugleich eröffnet das Paradigma der Grounded Cognition für die beiden Schwesterdisziplinen Sprach- und Literaturwissenschaft neue Perspektiven für einen produktiven Austausch.

Die Veranstaltung wird wegen der durch Corona bedingten Einschränkungen in digitaler Form abgehalten und findet synchron über Zoom statt.

 

VL Kulturtheorien von Sigmund Freud bis zum Anthropozän

(Text folgt)

Wintersemester 2020/21

OS Robert Musil

Musils erster Roman, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß, ist ein ‚Internatsroman‘, vergleichbar mit Herrmann Hesses Unterm Rad und Robert Walsers Das Tagebuch des Jakob von Gunten, aber auch mit Frank Wedekinds Frühlings Erwachen (1891) und Rainer Maria Rilkes Die Turnstunde (1902). Pubertät, Sexualität, Identität, Autorität und Gewalt spielen in allen diesen Romanen eine zentrale Rolle, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung. Die Verwirrungen des Zöglings Törleß bieten aber nicht nur eine, die realistische, dokumentarische und historische Lesart: Es ist vielmehr gerade der irritierende Zusammenhang von Identität, Sexualität und Gewalt mit den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis in einer modernen Welt, also der psychologische und philosophische Anspruch, der den Roman von den anderen Internats- und Schulromanen abhebt
Wir beginnen mit diesem kurzen Roman und schließen daran die Lektüre weiterer Texte von Musil an. Eine sorgfältige Lektüre der Prosatexte Musils und eine umfassende Erarbeitung des historischen, ästhetischen und wissenschaftsgeschichtlichen Kontexts sollen das außergewöhnliche Werk erschließen und seine Bedeutung für die Ästhetik der klassischen Moderne deutlich machen. 

Die Veranstaltung wird wegen der durch Corona bedingten Einschränkungen in digitaler Form abgehalten, ein Kompakttermin findet in Präsenzlehre statt.

 

VL Literatur und Kultur 1900-1930

Die Vorlesung bietet einen einführenden Überblick über Literatur- und Kulturgeschichte von der Jahrhundertwende bis 1930. Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem Anbruch der Moderne ändern sich nicht nur politische und ökonomische Strukturen zum Teil radikal, sondern auch gesellschaftliche und kulturelle Milieus werden umgebaut und neu definiert. Dies Strukturen werden das gesamte 20. Jahrhundert relevant bleiben und in bestimmter Weise prägen sie auch noch das, was wir als nachmoderne oder Postmodern bezeichnen.

Ein Schwerpunkt der Vorlesung wird auf kulturgeschichtlichen und kulturtheoretischen Fragestellungen liegen: Die Entwicklung und Bedeutung der modernen europäischen Großstadt, neue Medien, neue Geschlechterrollen und andere Paradigmen für Kunst und Literatur.

Es werden dann vor allem die Literatur der „Wiener Moderne“ (z. B. Hugo Hofmannsthal, Ein Brief, die Essays von Herrmann Bahr, Arthur Schnitzlers Dramen und Prosawerke und Robert Musils Novellen) vorgestellt und analysiert. Weiter werden repräsentative Texte von Rainer Maria Rilke, Thomas Mann, Alfred Döblin und Franz Kafka erarbeitet. Neben den eher literaturgeschichtlichen Aspekten werden auch philosophische und kulturgeschichtliche Entwicklungen berücksichtigt (dazu Texte von u. a. Ernst Mach, Sigmund Freud, Georg Simmel, Walter Benjamin, Siegfried Kracauer).

In der ersten Sitzung werden eine ausführliche Bibliographie und ein detaillierter Semesterplan ausgegeben.
Die Veranstaltung findet wegen der durch Corona bedingten Einschränkungen in digitaler Form statt.