Education Week in Kooperation mit der Tübingen School of Education (TüSE)
Ethical Arguments in the Debate on Sustainable Development
Was hat Schokolade mit Ethik und Nachhaltigkeit zu tun? Dass es „faire“ Schokolade gibt, zeigt schon, dass irgendetwas an Schokolade ethisch relevant ist. Während der diesjährigen Education Week der TüSE haben wir mit Studierenden aus Frankreich, Griechenland, Italien und Tübingen über Ethik, Nachhaltigkeit und – Schokolade diskutiert.
Im Rahmen der Education Week der Tübingen School of Education unterrichten Lehrende des IZEW seit einigen Jahren den Kurs Ethical Arguments in the Debate on Sustainable Development. Der Kurs findet immer am Ende des Sommersemesters statt, und die Studierenden, überwiegend aus dem Lehramt sowohl an Grundschulen, aber auch weiterführenden Schulen, kommen von Universitäten aus verschiedenen europäischen Ländern. Die Heterogenität der Gruppe ist einerseits eine Herausforderung für die Lehre, andererseits eine große Bereicherung für die Diskussionen im Seminar.
Dass sich beim Thema der Produktion von Schokolade moralische Fragen stellen, wird schon bei den ersten Diskussionen deutlich: Es geht um Kinderarbeit, Abholzung der Regenwälder, Klimawandel und die Ausbeutung der Ressourcen von afrikanischen und südamerikanischen Ländern. Um diese konkreten Themen auf der Ebene der Reflexion über Nachhaltigkeit richtig zu verstehen, diskutieren wir mit den Studierenden die Konzeption Nachhaltiger Entwicklung und die damit verknüpften ethischen Fragen. Dabei erweist es sich als didaktisch zielführend, in einem Zwischenschritt von der konkreten, praktischen Ebene zu grundsätzlicheren Fragen zu wechseln und zentrale ethische Argumentationen einzuführen: Warum sollen wir uns gemäß Nachhaltiger Entwicklung verhalten? Sollen wir nachhaltig handeln, weil es in unserem eigenen Interesse ist? Dies bedeutet, dass es eine Frage der Klugheit wäre, gemäß der Vorgaben von Nachhaltiger Entwicklung zu agieren, weil damit unsere eigenen Ressourcen geschont werden. Oder ist das zentrale Argument, dass das Handeln gemäß Nachhaltiger Entwicklung moralisch richtig ist, weil es gerecht ist, so zu handeln? Dies bedeutet, dass wir bei den Überlegungen andere Menschen und andere Lebewesen und ihre Wünsche und Bedürfnisse auf unserer Erde mitberücksichtigen? Oder ist nachhaltiges Handeln deswegen moralisch richtig, weil es um das gute Leben von gegenwärtigen Menschen und auch zukünftigen Generationen geht? Die Überlegung lautet: Allen Menschen jetzt und in Zukunft soll die Möglichkeit eines guten, gelingenden Lebens durch unser gegenwärtiges Handeln nicht verwehrt werden.
Die Erkenntnisse aus den grundlegenderen Überlegungen zu Nachhaltiger Entwicklung können rückbezogen werden auf den konkreten Fall, die Produktion von Schokolade. Mit den Studierenden zusammen kann nun überzeugender begründet werden, dass die konventionelle Produktion von Kakao zur Herstellung von Schokolade, (moralisch) negative Auswirkungen hat. Das kann etwa am Beispiel der Kinderarbeit, aber auch am Beispiel der Umweltzerstörung gezeigt werden. Dass es alternative, „bessere“ Produktionsweisen gibt, zeigen Praxisbeispiele von Kakaofarmen in Südamerika, die anstreben, nach Standards der Nachhaltigen Entwicklung Schokolade und andere Produkte herzustellen und zu vermarkten; hierzu haben wir eine Mitarbeiterin einer Kakaogenossenschaft aus Ecuador eingeladen, die diese Entwicklungen am Beispiel einer konkreten Initiative für faire und nachhaltige Produktion von Schokolade darlegen konnte. Wenn die Studierenden hier sehen – und dann durch die mitgebrachte Schokolade auch schmecken – dass es Handlungsalternativen sowohl für Produktion als auch für den Konsum gibt, so werden Erkenntnisse zu nachhaltiger Entwicklung und ethischer Argumentation nicht bloß als theoretische Wissensinhalte verstanden, sondern als Kenntnisse und Kompetenzen, die sowohl für sie persönlich als auch für ihre Zukunft als Lehrkräfte in unterschiedlichen Kontexten von Relevanz sind.
Der didaktischen Konzeption, die in diesem Kurs der Education Week verfolgt wird, liegt also die Idee zugrunde, dass auch Handlungskompetenzen vermittelt werden, mit Herausforderungen im Sinne einer nachhaltigen Gegenwart und Zukunft umzugehen. Diese Kompetenzen sind für die Studierenden selbst als Handelnde von Bedeutung. Darüber hinaus können sie auch dazu dienen, dass sie in ihrer zukünftigen Tätigkeit als Lehrkräfte ihren Schüler*innen vermitteln können, diese Probleme Nachhaltiger Entwicklung zu erkennen und dann auch entsprechend den damit verbundenen Zielen zu handeln.