China und der Westen – Ein neues Verständnis für das Reich der Mitte
Seit sich China seiner selbst nicht mehr gewiss ist und sich auch die Chinawissenschaften in einer Krise befinden, steht die Verständigung zwischen China und anderen Ländern unter neuen Herausforderungen. Denn da sich China inzwischen als globaler Akteur versteht und zu Recht allgemein als einer der zukünftig wichtigsten Garanten für öffentliche Güter gesehen wird, thematisiert die internationale Politik ihre Ordnungsvorstellungen und Krisenszenarien im Lichte dieser Doppelrolle Chinas. Dabei fällt ins Gewicht, dass China eine im Vergleich zu allen anderen großen Akteuren wie USA, Japan, Russland, Westeuropa sehr spezifische eigene Identitätskonstruktion verfolgt. Aus dem Verständnis der hinter dieser Entwicklung wirksamen Dynamiken lassen sich erst neue Konzepte für einen gelingenden Umgang mit China entwickeln. Diese könnten die Grundlage für eine China-Kompetenz bilden, bei welcher die Kenntnis Chinas ebenso wie das Wissen um die eigenen Identitätskonstruktionen Eingang findet.
Helwig Schmidt-Glintzer, geboren 1948, ist Direktor des China Centrum Tübingen. Nach einem Studium der Sinologie 1973 Promotion in München und Forschungsaufenthalten in Ostasien 1979 Habilitation an der Universität Bonn. Von 1981 bis 1993 Inhaber des Lehrstuhls für Ostasiatische Kultur- und Sprachwissenschaft an der Universität München und von 1993 bis 2015 Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Sein Interesse richtet sich auf die verschiedenen Aspekte der Bildung und Kultur der chinesischen Eliten in Vergangenheit und Gegenwart, auf ihre Literatur und ihre Religionen und darauf, wie sie mit Herausforderungen umgingen und immer wieder aufs Neue die Ordnung in China herzustellen suchten.