Die Ursprünge der Evangelischen Predigeranstalt gehen zurück auf einen privaten Verein, der von dem 1815 nach Tübingen berufenen Ordinarius für Praktische Theologie, J.F. Bahnmaier, gegründet wurde, um die als unzureichend empfundene Bildung der angehenden Theologen für den Pfarrersberuf zu befördern. Von einer das wissenschaftliche, das praktische und kirchliche Interesse ausmittelnden "gewissenhaften Selbstbildung" der Predigtamtskandidaten erhoffte Bahnmaier vor allem eine zeitnahe Erneuerung der evangelischen Predigtkultur.
Ab 1816 wurden mit konsistorialer bzw. königlicher Erlaubnis regelmäßig homiletische und liturgische Übungen in der universitätseigenen Schlosskirche abgehalten (die als Kapelle erstmals 1188 erwähnt wird und damit die älteste der jetzt stehenden Tübinger Kirchen ist). 1826 erhielt die Predigeranstalt die volle Anerkennung als Universitätsinstitut, seit 1836 sind ihr zwei Assistentenstellen zugeordnet.
Die Aufgabenstellung der Predigeranstalt ist im Laufe ihres Bestehens, u.a. unter den Direktoren Chr. Palmer, J. Gottschick und P. Wurster, einem vielfältigen Wandel unterworfen gewesen. Dieser Wandel ist exemplarisch sowohl für die Spezialisierungsnotwendigkeiten der modernen Universität im 19. Jahrhundert als auch für die Entlastungsfunktion, die den theologischen Fakultäten durch die zunehmende Einrichtung von Predigerseminaren zugute kam. So weitete die Predigeranstalt ihre praktischen Predigtübungen bald auf katechetische und liturgische Übungen aus, im 20. Jahrhundert dann auch auf religionstheoretische und religionssoziologische Lehrangebote. Damit knüpft sie an die ursprüngliche Intention Bahnmaiers an. Denn er sah die eigentliche Aufgabe Predigeranstalt darin, angehende Pfarrer zur verantwortungsvollen Pflege eines sich differenzierenden, "allmählich immer allseitigeren religiösen Lebens und Wirkens" zu befähigen.
Schlosskirche und Predigeranstalt auf der KirchenApp der EKD