Entwicklungspsychologie

Dr. Dipl.-Psych. Ulrike Schild

Forschungsinteressen

Projekte

2024-2027 "Stressverarbeitung auf Wortebene bei Kindern mit unterschiedlichem Sprachhintergrund", gefördert durch die DFG 

In vielen Sprachen wird typischerweise eine Silbe innerhalb eines Wortes besonders hervorgehoben, d.h. sie wird betont. Während einige Sprachen die Betonung sehr strikt einer bestimmten Silbenposition innerhalb eines Wortes zuordnen, lassen andere Sprachen Variation zu. Unter den Sprachen, die Variation der Silbenbetonung zulassen, zeigen einige eine bevorzugte Position der betonten Silbe. Andere Sprachen zeigen dagegen fast keine Einschränkungen bei der Betonungszuweisung. Die Fähigkeit Erwachsener, unterschiedliche Muster der Silbenbetonung flexibel zu verwenden, steht in Zusammenhang mit der Betonungszuweisung ihrer Erstsprache (L1). Erwachsene mit einer L1 mit relativ laxen Restriktionen bei der Betonungszuweisung nutzen die Silbenbetonung sowohl in der L1 als auch in einer Zweitsprache (L2) effektiv. Erwachsene mit einer L1, die strikter in der Betonungszuweisung ist, zeigen eingeschränkte Fähigkeiten bei der Verwendung der Silbenbetonung. In unserem Projekt untersuchen wir, ob sich die Sprachverarbeitung in der Kindheit auf die Betonungsmerkmale der L1 festlegt. Dafür vergleichen wir die Nutzung der Silbenbetonung für die Worterkennung bei (i) monolingualen Kindern und bei (ii) bilingualen Kindern, die Deutsch als L2 im zweiten Lebensjahr oder später erworben haben. (i) Bei monolingualen Kindern testen wir die Verarbeitung muttersprachlicher Wörter bei richtiger und falscher Betonung. Kinder mit der L1 Tschechisch (eine Sprache die keine Betonungsvariation zulässt) sollten weniger empfindlich auf Betonungsverletzungen reagieren als Kinder mit der L1 Deutsch (eine Sprache die Betonungsvariation zulässt). (ii) Bei bilingualen Kindern wollen wir prüfen, ob eine strengere oder laxere Betonungszuweisung in der L1 die Verwendung der Silbenbetonung zur Worterkennung in der L2 Deutsch moduliert. Bilinguale Kinder mit einer L1, die in der Betonungszuweisung strenger ist als die deutsche Sprache, sollten weniger empfindlich auf eine inkorrekte Betonung reagieren als Kinder mit der L1 Deutsch. Bilinguale Kinder mit einer L1, die in der Betonungszuweisung laxer ist als die deutsche Sprache, sollten empfindlicher auf eine inkorrekte Betonung reagieren als Kinder mit der L1 Deutsch. Wir untersuchen die Fragestellung mittels Augenbewegungen der Kinder in einem "Looking-while-listening"-Paradigma. Die Teilnehmenden sehen ein bekanntes Objekt und ein neues Objekt und hören den Namen des bekannten Objektes entweder richtig oder falsch betont. Die Studie soll herausfinden, ob die Verwendung von Betonungshinweisen auf Wortebene in einer L2 von den Betonungsmerkmalen der L1 der Kinder moduliert wird und ob dies von dem Alter abhängt, in dem sie die L2 erlernt haben. Die Ergebnisse sollen zeigen, ob es eine sensible Phase für die Anpassung des Verarbeitungssystems an prosodische Merkmale der Zielsprache(n) gibt.

2015-2018 "Hören oder Sehen? Welche Faktoren des Lesenlernens führen zu detaillierterer phonologischer Verarbeitung? Eine Trainingsstudie mit Vorschülern." gefördert durch die DFG (http://gepris.dfg.de/gepris/projekt/270561053):

Zusammenfassung: Kinder, die lesen können, nutzen mehr phonologische Details um gesprochene Wörter zu erkennen, als Kinder, die noch nicht lesen können. Welche Faktoren zu dieser detaillierteren phonologischen Verarbeitung bei lesenden Kindern beitragen, ist noch nicht geklärt. Wenn Kinder das Lesen lernen, manipulieren sie nicht nur Laute und trainieren damit ihr Wissen, wie Wörter aus Lauten aufgebaut sind. Sie lernen auch Buchstaben mit Lauten zu verbinden. In diesem Projekt soll die Hypothese getestet werden, dass insbesondere diese Verbindungen dazu beitragen, dass subtile Unterschiede zwischen Sprachlauten von lesenden Kindern stärker gewichtet werden als von Kindern die noch nicht lesenden Kindern. Dazu sollen drei Gruppen von Vorschulkindern unterschiedliche Trainings erhalten. Eine Gruppe soll phonologisch trainiert werden (phonologisches Training). Eine zweite Gruppe soll phonologisch und zusätzlich im Buchstabenwissen trainiert werden (phonologisches und orthographisches Training). Eine dritte Gruppe soll in einem nichtsprachlichen Training zu Vorläuferfähigkeiten des Rechnens trainiert werden (Kontrollgruppe). Wenn das phonologische Training allein ausreicht, um eine detailliertere Verarbeitung der gesprochenen Sprache hervorzurufen, sollten beide Gruppen mit phonologischem Training eine detailliertere Verarbeitung gesprochener Sprache im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigen. Wenn Buchstabenwissen nötig ist, um die phonologische Verarbeitung zu schärfen, dann sollte die phonologische und orthographische Trainingsgruppe eine detailliertere Verarbeitung gesprochener Sprache zeigen als die Gruppe mit ausschließlich phonologischem Training. Die phonologische Verarbeitung wird mit Hilfe von ereigniskorrelierten Hirnpotentialen erhoben, die in einem Wort-Onset-Paradigma erfasst werden. Am Ende der ersten und der zweiten Klasse soll mit Follow-Up-Tests überprüft werden, ob (i) sich die phonologische Verarbeitung nach dem Start des schulischen Leseunterrichts weiter verfeinert und ob (ii) die spätere Lesefertigkeit durch das phonologische Training alleine verbessert werden kann oder ob die spätere Lesefertigkeit noch mehr vom Training mit zusätzlichem Buchstabenwissen profitiert. Einerseits werden die Ergebnisse verstehen helfen, wie die Verarbeitung gesprochener Sprache durch den Schriftspracherwerb moduliert wird. Andererseits werden die Ergebnisse praktische Implikationen für die Debatte liefern, wie effizient und andauernd sich phonologisches und orthographisches Training auf Lesekompetenz in deutsch-sprachigen Kindern auswirkt.