Institut für Soziologie

Laufende Lehrforschungsprojekte


Abgeschlossene Lehrforschungsprojekte


Soziales Geschlecht und Genderdiversität in der quantitativen Sozialforschung

Das Lehrforschungsprojekt (LFP) zielt darauf ab, verschiedene Varianten der empirischen Operationalisierung des sozialen Geschlechts mit Umfrageinstrumenten, die über binäre Geschlechtskategorien hinausgehen, kritisch zu diskutieren und mit gängigen soziologischen Konzeptualisierungen von Gender gegenüberzustellen. Darauf aufbauend entwickeln wir existierende Fragebogeninstrumente weiter und testen sie mithilfe verschiedener Pretestmethoden. In einem nächsten Schritt schlagen wir die Inklusion dieser neu entwickelten Maße sowohl kleineren Umfragestudien als auch repräsentativen deutschen Panelstudien vor. Im dritten Teil des LFPs analysieren wir Daten aus einer psychologischen Paarstudie, in die wir die neuen Messinstrumente zu kategorialer und abgestufter Geschlechtsidentität und -performanz eingebracht haben. Im Vergleich zur bisherigen Literatur, erlauben uns die neuen Messinstrumente eine differenziertere Analyse der Relevanz von Gender für Partnerschaftszufriedenheit.

Laufzeit: WS 2022/23 - WS 2023/24, Leitung: Prof. Dr. Pia Schober

"Diversität und die Digitalisierung von Bürger:innendiensten"

Das Lehrforschungsprojekt, das auf 3 Semester angelegt ist, richtet sich an Master-Studierende. In diesem Durchgang ist das Rahmenthema des Projektes “Diversität und die Digitalisierung von Bürgerdiensten.” Erforscht werden soll mit den Mitteln qualitativ-interpretativer empirischer Sozialforschung ob und wie Fragen der Diversität von Gesellschaft in den gegenwärtig allerorten laufenden Prozessen der Digitalisierung von Austauschbeziehungen zwischen Kommunen und ihren Bürger:innen thematisch werden und in der Umsetzung in konkreten Maßnahmen zum Tragen kommen. Weisen der Thematisierung von Diversität und ihre Akteure sind hier ebenso von Interesse wie die Verläufe der einschlägigen Aushandlungsprozesse. Als empirische Felder bieten sich die umliegenden Gemeinden und Städte an.
Der Stand der einschlägigen Forschung sowie die Details des Forschungsdesigns werden von der Gruppe im ersten Semester erarbeitet, in dem auch die Feldzugänge hergestellt werden sollen.  In den Folgesemestern, in denen das Lehrforschungsprojekt mit jeweils 4 SWS veranstaltet wird, erfolgt dann der größte Teil der empirischen und analytischen Arbeit. Am Ende des Projektes steht ein Abschlussbericht des Forschungsteams.

WS 22/23 - WS 23/24, Leitung: Prof. Jörg Strübing

Wissenschaft in der öffentlichen Wahrnehmung


Die moderne Wissenschaft hat enge Bezüge zur Öffentlichkeit. Nicht zuletzt in der Corona-Krise ist offenkundig gewesen, dass Debatten und Entscheidungen in Gesellschaften heute in beträchtlichem Ausmaß von der Wissenschaft mitgeprägt werden. Wissenschaftliche Denk- und Argumentationsweisen haben einen hohen Stellenwert auch im Alltagshandeln bekommen, und der institutionalisierten Wissenschaft wird zumeist ein hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht. Bewegungen wie die sog. „Querdenker“ zeigen allerdings, dass es in der Öffentlichkeit durchaus auch nennenswerte Skepsis gibt, die über die Kritik an konkreten Befunden weit hinaus geht. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich das Lehrforschungsprojekt mit der Frage, wie wissenschaftliches Handeln, individuelle Wissenschaftler*innen bzw. Wissenschaft als Institution in der gesellschaftlichen Wahrnehmung erscheinen, wie sich diese Wahrnehmungen bei unterschiedlichen Personengruppen unterscheiden und wie sie sich über die Zeit verändern.

Laufzeit: WS 2021/22 bis WS 2022/23, Leitung: Prof. Dr. Steffen Hillmert

Umgang mit und Zurechnung von Diskriminierungs- und Abwertungserfahrungen

Ausgangspunkt der Lehrforschung ist die Beobachtung, dass mittlerweile weitgehendes gesell-schaftliches Einverständnis darüber besteht, dass die Diskriminierung von Menschen aufgrund zu-geschriebener Merkmale, wie Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion, Behinde-rung oder Alter ein nicht akzeptables und verurteilenswertes Verhalten ist. Dennoch bleibt es in der alltäglichen Praxis häufig umstritten, inwiefern es sich bei einem konkreten Verhalten um eine Diskriminierung handelt respektive aufgrund welcher sozialen Zugehörigkeit eine Person benach-teiligt wurde. Das gilt vor allem dann, wenn Benachteiligungen nicht deutlich erkennbar mit Ver-weis auf ein Personenmerkmal begründet werden. Im Zentrum der Lehrforschung steht die Frage nach der subjektiven Wahrnehmung von Diskriminierungserfahrungen bzw. der notwendigen Teil-nehmer:innenleistung dabei: Auf welche Merkmale werden Benachteiligungen von den Betroffe-nen zugerechnet und wieso? Wie plausibilisieren die Betroffenen ihren Eindruck, dass sie aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts oder einem anderen zugeschriebenen Merkmal un-fair behandelt wurden?

Laufzeit: WS 2021/22 bis WS 2022/23; Leitung: Prof. Dr. Marion Müller und Dr. Sebastian Moser

 

Soziale Identität und Populismus

Im Lehrforschungsprojekt (Leitung Prof. Martin Groß) wird untersucht, wie struktureller Wandel soziale Identitäten bedroht, und wie sich solche Bedrohungen auf populistische Einstellungen auswirken. In diesem zweiten Teil des dreisemestrigen Projektes werden Fragestellungen für empirische Teilprojekte entwickelt und das Methodeninstrumentarium für diese Teilprojekte ausgesucht.

Laufzeit WS 2020 bis WS 2021

Diversität und Stadt

In dem ethnografischen Lehrforschungsprojekt „Diversität und Migration in der Stadt. 5 Years After“ (Leitung: Prof. Boris Nieswand) wird es aufbauend auf den Arbeiten aus dem vorangegangenen Semester darum gehen, Daten zu analysieren und Forschungsstrategien weiter zu entwickeln. Im Rahmen einer Soziologie der Fluchtmigration sollen unterschiedliche Themen exploriert werden; u.a. wird es dabei um die Perspektive von weiblichen Geflüchteten, die Figur des Brokers gehen, um Wohnformen, politischen Aktivismus, eine Soziologie der Beziehung zwischen freiwillig Engagierten und Geflüchtetem. Am Ende des Semesters soll eine tragfähige Auswahl von Themen stehen, mittels derer der Lehrforschungsbericht strukturiert werden kann.

Laufzeit WS 2020 bis WS 2021, Leitung: Prof. Dr. Boris Nieswand

(Welche) Leistung soll sich lohnen? Zur Legitimation von Ungleichheiten

Ein leistungsgerechtes Bildungswesen gilt als institutioneller Kern einer meritokratischen Gesellschaft, gleichzeitig zeigen sich nennenswerte soziale Bildungsungleichheiten. Inwiefern werden solche Ungleichheiten als gerecht oder ungerecht empfunden? Und welche Maßnahmen dagegen gelten als legitim? Das dreisemestrige Lehrforschungsprojekt hat sich mit Gerechtigkeitseinstellungen und deren Bedeutung im Bildungs- bzw. Hochchulkontext beschäftigt. Dabei wurden zunächst allgemeine Gerechtigkeitsvorstellungen auf Basis von Sekundärdaten untersucht. Im Rahmen einer Primärerhebung wurde dann - in Form einer quasi-experimentellen Vignettenstudie - die wahrgenommene Legitimität von meritokratisch orientierten Zulassungsverfahren an der Hochschule und von möglichen Gleichstellungsmaßnahmen analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass von den Befragten traditionelle Dimensionen sozialer Bildungsungleichheit tendenziell in Richtung einer gewünschten Kompensation berücksichtigt werden. Damit gibt es Hinweise auf eine gewisse Legitimität von Maßnahmen im Sinne von affirmative action beim Hochschulzugang.

Laufzeit WS 2019 bis WS 2020, Leitung Prof. Dr. Steffen Hillmert und Silvia Kopecny

Algorithmen und ihre Menschen

Das Projekt (unter Leitung von Prof. Dr. Jörg Strübing) nähert sich der Frage an, in welche praktischen Verhältnisse Algorithmen, Menschen, technische Geräte und Orte miteinander verstrickt sind. Ausgehend von der Beobachtung, dass avancierte algorithmisierte Systeme wie Roboter, 'autonome' Fahrzeuge oder internetbasierte Suchalgorithmen zunehmend als selbstlernend konzipiert und adressiert werden, untersucht das Projekt Praktiken der Entwicklung selbstlernender Algorithmen im Forschungsfeld des "Machine Learning". In welcher Weise adressieren Forschende und Praktiker:innen algorithmische Systeme in ihren je konkreten Praxisfeldern? Welches Verständnis von Lernen verbirgt sich hinter dem Label des Machine Learning und wer lernt da wirklich? Wie ist die 'agency' zwischen den beteiligten Entitäten verteilt und welche Formen der Interaktivität lassen sich identifizieren? Stark beeinträchtigt vom pandemiebedingten Lockdown hat sich das ursprünglich ethnographisch angelegte Projekt vor allem über Leitfadeninterviews und einige wenige Beobachtungen in Forschungslabors einen ersten Zugang zum Thema verschafft. (Abschlussbericht in Arbeit, Stand März 2021)

Laufzeit WS 2019/20 bis WS 202/21

Kategoriale Grenzziehungen im Sport: Körper und Disability

Die Unterscheidung zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen ist für die Organisation sportlicher Wettkämpfe ein zentrales Merkmal. In keinem anderen Gesellschaftssystem werden Menschen mit Behinderungen nach wie vor so deutlich exkludiert wie im Sport. Darüber hinaus wird diese Unterscheidung sowie die darauf basierende Wettbewerbssegregation von den meisten (beteiligten) Personen auch als vollkommen legitim wahrgenommen. Aus der Perspektive der Soziologie der Behinderung stellen sich jedoch eine ganze Reihe von Fragen, z.B. warum es diese Trennung erst seit relativ kurzer Zeit gibt und wie Menschenmit Behinderungen früher in den Sport inkludiert waren. Seit wann gibt es eigentlich diese kategoriale Unterscheidung und wie genau wird im Sport überhaupt festgestellt, wie stark jemand körperlich beeinträchtigt ist? Ziel der Lehrforschung ist zunächst eine Einführung in die Soziologie der Behinderung sowie die besondere Bedeutung dieser Kategorie im Kontext des Sports. Es wird zunächst ein theoretischer Rahmen sowie eine Ausgangsfragestellung erarbeitet, auf deren Basis dann eine empirische Analyse im Bereich des Behindertensports stattfinden kann.

Laufzeit WS 2018 bis WS 2019

Keine Legitimation trotz Verfahren: Geschlechterkonflikte vor Gericht

Ausgangspunkt der Lehrforschung ist Luhmanns These von der "Legitimation durch Verfahren", derzufolge die Eingebundenheit aller Beteiligten in die spezifische Wirklichkeitskonstruktion vor Gericht dafür sorgen, dass Gerichtsentscheidungen üblicherweise akzeptiert werden. Diese Akzeptanzbeschaffung formaler Verfahren scheint aber nicht bei allen Konfliktkonstellationen zu funktionieren. So finden z.B. Familiengerichtsentscheidungen zunehmend weniger Akzeptanz und die zu Unterhaltszahlungen verurteilten Väter sehen sich als Opfer des vorgeblich "männerfeindlichen Unterhaltsrechts" bzw. der von "Feministinnen unterwanderten" Gerichte. Das hängt vermutlich zum einen damit zusammen, dass der Aufbau einer eigenen Verfahrenswirklichkeit nicht gelingt, da die Rolle vor Gericht nicht von anderen allgemeineren Rollenerwartungen (z.B. an den Vater) getrennt werden kann. Darüber hinaus gelingt die Konfliktisolierung nicht, da über die Geschlechtszugehörigkeit die ganze Person adressiert wird. Etwas ganz ähnliches scheint in Strafprozessen (z.B. Vergewaltigung) zu passieren, bei denen es auf einmal nicht mehr nur um den konkreten Kriminalfall geht, sondern um eine generellere Konfliktlinie zwischen Frauen und Männern. Unter diesen Bedingungen getroffene Gerichtsentscheidungen (z.B. Freisprüche) werden angezweifelt, gelten nicht als legitim und können sogar zu einer Konfliktverschärfung führen (z.B. Polarisierung nach Kachelmann-Prozess). Im Rahmen der Lehrforschung sollen diese Prozesse des Misslingens der Legitimationsbeschaffung anhand ethnographischer Analysen von Familienrechts- und/oder Strafrechtsverfahren sowie Leitfaden Interviews mit den betroffenen Akteuren (getrennt lebende Mütter und Väter, die ein Familiengerichtsverfahren durchlaufen haben) untersucht werden.

Laufzeit WS 2016 bis WS 2017

Publikation:

Müller, Marion 2020: Keine Legitimation durch Familiengerichtsverfahren? Akzeptanzprobleme gerichtlicher Entscheidungen und Konstruktion geschlechtsdifferenter Elternschaft. In: Heck, Justus; Itschert, Adrian; Tratschin, Luca (Hg.): Legitimation durch Verfahren. Rezeption, Kritik und Anschlüsse. Sonderheft der ZS Soziale Systeme VOl. 22: 21-60.

Vorstellung der Ergebnisse in Tagungsbericht „Legitimation durch Verfahren. Rezeption, Kritik und Anschlüsse“ am 15./16. Februar 2018 in Luzern

Vermessen und Teilen. Praktiken und Diskurse des Teilens digitaler Selbstvermessungsdaten

Das Projekt unter Leitung von Prof. Dr. Jörg Strübing schließt an das vorangegangenes Projekt über Praktiken und Diskurse der Selbstvermessung an und erarbeitet aus den dort entwickelten Anschlussfragen ein Forschungsdesign im thematischen Rahmen dessen, was heute im weitesten Sinne als Digital Humanities bezeichnet wird: Das immer nahtlosere Zusammenwachsen alltäglicher Lebenspraxis mit digitalen Dateninfrastrukturen und den mit ihnen vernetzten Technologien. Insbesondere fokussiert das Projekt die Frage der Verbreitung und Nutzung der in den Selbstvermessungspraktiken anfallenden körperbezogenen Messdaten. Methodisch und sozialtheoretisch bewegt sich die Studie dabei im Bereich von pragmatistischer Praxeologie und Diskursanalyse.

Laufzeit WS 2014 bis WS 2015

Publikationen:

Leckert, Max; Panzitta, Susanne; Atanisev, Kaan; Dawgiert, Lukas; Dieterich, Manuel; Lauterwasser, Thomas; Leger, Matthias; Orlowski, Alexander; Steidle, Sebastian; Tiede, Maria 2016: Vermessen und Teilen. Praktiken und Diskurse des Teilens digitaler Selbstvermessungsdaten. Projektbericht, Tübingen: Universität Tübingen

Leger, Matthias; Panzitta, Susanne; Tiede, Maria, 2018: Daten-Teilen. Digitale Selbstvermessung aus praxeologischer Perspektive, in: Houben, D.; Prietl, B. (Hg.): Datengesellschaft. Einsichten in die Datafizierung des Sozialen, Bielefeld: Transcript, 35-58

Strübing, Jörg, 2019: Vermessen? Von Datenschatten und Schattenkörpern der Selbstvermessung, in: Schubert, C.; Schulz-Schaeffer, I. (Hg.): Berliner Schlüssel zur Techniksoziologie, Wiesbaden: Springer VS, 329-346

Praktiken und Diskurse der Selbstvermessung

Eine qualitativ-empirische Studie (Leitung: Prof. Dr. Jörg Strübing) über den Zusammenhang von Diskursen über Selbstoptimierung und Selbstsorge mit den Praktiken sogenannter Selbstvermesser, die z.B. bei Sport, Ernährung und allg. Befindlichkeit technische Medien und Sensoren zur digitalisierten Erzeugung quantitativer Daten eigener Körperzustände nutzen und diese Daten u.a. zu Selbstexperimenten nutzen. Die Studie orientiert sich pragamtistisch und praxeologisch und arbeitet mit Leitfadeninterviews, Artefaktanalysen, teilnehmender Beobachtung, Autoethnographien sowie qualitativen Medieninhaltsanalysen.

Laufzeit SoSe 2013 - SoSe 2014

Publikationen:

Staiger, Lisa; Kasper, Beate; Urbanczyk, Maja; Flischikowski, Christin; Ehlert, Pia; Gerloch, Tanja; Hammerl, Annika; Klaiber, Markus; Klose, Merle; Schleifer, Tobias; Wurst, Myriam 2015: Das vermessene Selbst : Praktiken und Diskurse digitaler Selbstvermessung; Lehrforschungsprojekt 2013/14, Tübingen: Universitätsbibliothek Tübingen

Kasper, Beate; Staiger, Lisa; Urbanczyk, Maja, 2016: Praktiken und Diskurse digitaler Selbstvermessung. In: (Hg.): Herausforderungen in der Qualitativen Sozialforschung. Forschungsstrategien von Studierenden für Studierende, in: Wintzer, J. (Hg.): Herausforderungen in der Qualitativen Sozialforschung. Forschungsstrategien von Studierenden für Studierende, Berlin: Springer 89-97

Strübing, Jörg; Kasper, Beate; Staiger, Lisa, 2016: Das Selbst der Selbstvermessung. Fiktion oder Kalkül? Eine pragmatistische Betrachtung, in: Duttweiler, S.; Gugutzer, R.; Passoth, J.-H.; Strübing, J. (Hg.): Leben nach Zahlen. Self-Tracking als Optimierungsprojekt?, Bielefeld: Transcript, 271-291

Ders., 2021 (im Erscheinen): Selbstvermessung als Subjektivierungsweise, in: Alkemeyer, T.; Brümmer, K.; Janetzko, A. (Hg.): Kultursoziologie des Sports, Baden-Baden: Nomos Verlag, 231-247

Duttweiler, Stefanie; Gugutzer, Robert; Passoth, Jan-Hendrik; Strübing, Jörg (Hg.): 2016: Leben nach Zahlen. Self-Tracking als Optimierungsprojekt?, Bielefeld: Transcript (Digitale Gesellschaft Bd. 10

Tübinger Absolventenstudie

Vom Sommersemester 2008 bis zum Sommersemester 2009 fand unter der Leitung von Prof. Steffen Hillmert und Volker Lang am Institut für Soziologie der Universität Tübingen ein Forschungspraktikum zum Thema „Lebensverläufe“ statt. Neben Sekundäranalysen vorhandener Daten wurde dabei eine Primärerhebung in Form einer Lebensverlaufsstudie über die Tübinger SoziologieabsolventInnen der Jahre 1997 bis 2007 durchgeführt. Unseren zahlreichen InterviewpartnerInnen sei an dieser Stelle noch einmal für ihre Kooperation gedankt.

Während der drei Semester haben die Studierenden alle Schritte einer empirischen Untersuchung durchlaufen: Finden von Themen, Fragen und Theorien, Entwerfen von Projektskizzen, Konstruktion eines standardisierten Fragebogens, Instrumentenerprobung in Pretests, Durchführung der Befragung in Form von computerunterstützten Telefoninterviews (CATI), Aufbereitung und Auswertung der erhobenen Daten vor dem Hintergrund spezifischer Fragestellungen, multivariate statistische Auswertungen mit der Analysesoftware STATA und schließlich Verfassen eines detaillierten Forschungsberichts (jetzt in unserer Institutsbibliothek!). Außerdem wurden ausgewählte Forschungsergebnisse im Rahmen zweier Kolloquien einem breiteren Publikum vorgestellt. Ein Großteil der Arbeit während des Forschungspraktikums fand in Gruppen statt, die sich jeweils einem spezifischen Themenkomplex gewidmet haben. Hierzu zählten die Themen „Bildungsrenditen“, „Ausbildungsadäquanz“, „Arbeitszeit“, und „Familienbildung“.

Bei aller Vielfalt zeigen sich in den Lebenswegen der AbsolventInnen – beruflich wie privat –doch erstaunliche Gemeinsamkeiten. Und auch wenn dies keine Evaluationsstudie war: Wir kennen die Karriereverläufe unserer Absolventinnen und Absolventen jetzt ein bisschen besser. Die Ergebnisse des Forschungspraktikums werden daher auch zukünftig von Nutzen für die Entwicklung unseres Instituts sein.

Zur sozialen Konstruktion von (Wohn)Raum: Bauen in Baugemeinschaften

Im Wintersemester 2007/08 und im Sommersemester 2008 hat ein Projektgruppe von Studierenden des Instituts unter Leitung von Prof. Dr. Jörg Strübing am Beispiel des Tübinger Mühlenviertels eine empirische Studie über die sozialen Prozesse beim Bauen in Baugemeinschaften durchgeführt. Ziel war es zu rekonstruieren, wie die oft heterogenen Gruppen von Bauenden untereinander, aber auch im Kontakt Architekten, Planern und Handwerkern die schlussendliche Gestaltung des gemeinsamen Bauwerkes aushandeln. Wie kann es angesichts der Vielfalt an Gestaltungsoptionen, der Unterschiedlichkeit der ästhetischen und funktionalen Ansprüche an das Bauwerk und der ungleichen Verteilung von Gestaltungswissen gelingen, ein in seiner Materialität eindeutiges Gebäude entstehen zu lassen, in dem alle Beteiligten ihre Gestaltungsansprüche und Nutzungsanforderungen angemessen repräsentiert finden?

Zu diesem Zweck wurden Baugemeinschaften über mehrere Monate begleitet, ihre Mitglieder und die beteiligten Profis (Architekten, Planer) befragt und Planungssitzungen teilnehmende beobachtet.

Herausgekommen ist ein eindrucksvoller Bericht, der die Vielfältigkeit der Prozessvarianten und die Bedeutung so unterschiedlicher Dimensionen wie Kostenstruktur, Miteigentumsanteile oder Informationsverhalten dokumentiert und zueinander ins Verhältnis setzt.