Tübinger Forum für Wissenschaftskulturen

Interdisziplinäre Nachwuchstagung „Erinnerung"

Neue Aula | Großer Senat | Geschwister-Scholl-Platz | 72074 Tübingen
16. ­– 17. Juni 2023

 

Schon immer spielt die Erinnerung eine zentrale Rolle in der Lebenserfahrung von Menschen, hängen Erinnern und Erkenntnis doch eng miteinander zusammen. Erinnerung ist aber nicht nur eine anthropologische Konstante, zu der sich alle Menschen, bewusst oder unbewusst, verhalten – sie bestimmt neben seiner individuellen Form auch das gesellschaftliche Miteinander in Form von Narrativen und Gedenken. Die Erfahrung etwa des Historikerstreits und explizit das Aufkommen der Postcolonial Studies, in denen verschiedene Emotionen sich verdichten und teilweise konflikthaft zutage treten, lassen neben der gesellschafts- und gruppenkonstituierenden Bedeutung ebenfalls die diskursive Sprengkraft erkennen, die in der Politisierung der Erinnerung liegt.

In einer zweitägigen interdisziplinären Nachwuchstagung möchte sich das TFW interdisziplinär dem Phänomen Erinnerung nähern. Hierfür setzt sich die Nachwuchstagung historisch und systematisch mit aktuellen und vergangenen Debatten, theoretischen Grundlegungen und der medialen Präsenz des Erinnerns auseinander. Zusätzlich bedarf es im Kontext der Erinnerungsdebatte einer naturwissenschaftlichen Einordnung der Erinnerung. Von Interesse sind hier die theoretischen Konzeptualisierungen, wie das Gehirn Informationen von außen in eigene Erinnerungen übersetzt und die Frage, wie z.B. die Neurowissenschaften verschiedene Gedächtnisfunktionen unterscheiden. In Bezug auf das Vergessen und Verdrängen sind vor allem die Forschungen der Psychologie – explizit die Traumaforschung – aber auch die Informatik und ihr Beitrag zur Trennung von menschlicher Erinnerung und digitalem Speichermedium von Relevanz. 

Sieben Tübinger Masterstudierende und Promovierende aus unterschiedlichen Disziplinen setzen sich interdisziplinär mit Erinnerung und Vergessen auseinander. Die Beiträge der Nachwuchstagung werden in einem Tagungsband publiziert werden.

Die Tagung ist öffentlich und richtet sich an alle, die sich für das Problem der Erinnerung interessieren. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Keynote speaker:

PD Dr. Torsten Voß (Wuppertal/Paderborn)
„Erinnerung zwischen Verlust und Präsenz"

Öffentlicher Vortrag am 17. Juni | 17:00 Uhr | Neue Aula, Großer Senat

 

Das Programm

Freitag, 16. Juni

 

14:15 – 14:30: Einführung, Michael Herrmann

14:30 – 15:30: Malin Recknagel (Biologie)
Ein Blick ins Kaleidoskop - eine Reise durch das Spektrum neuronaler Muster und Konzepte von Erinnerung

15:45 – 16:45: Julian Klinner (Kulturwissenschaft)
Was war es das wir wissen wollten oder Philosophie als bilanztechnischer Erinnerungsposten Überlegungen zur Rolle des Erinnerns im Werk von Hans Blumenberg

17:00 – 18:00: Ioannis Dimopulos (Literaturwissenschaft)
Erinnerung als Nichtbesitz. Zu einer kritischen Theorie der Identitätslogik

Samstag, 17. Juni
 

10:00 – 11:00: Joshua Woller (Neural & Behavioural Sciences)
Das Gedächtnis als Anti-Archiv - Aktives Vergessen und die Veränderung von Erinnerungen

11:15 – 12:15: Moritz Rothaar (Politik- und Geschichtswissenschaft)
Die translatio imperii als Form politischer Erinnerung

14:15 – 15:15: Julian Petruck (Maschinelles Lernen)
Lernen, erinnern, overfitting - ein konzeptueller Vergleich

15:30 – 16:30: Katharina Stefaniw (Kath. Theologie/Lat. Philologie)
„Memoria est imago aeterni Dei“ – Erinnerung und Gedächtnis bei Nicolaus Cusanus

Die Abstracts der Vorträge können hier eingesehen und heruntergeladen werden.