Tagung, Universität Tübingen, Alte Aula
6.-8. März 2024
Claudia Gatzka / Sonja Levsen

Sehepunkte im Wandel Auf dem Weg zu einer neuen Geschichte der Bundesrepublik?


Die Geschichte der Bundesrepublik ist in Bewegung. Eine Vielzahl empirischer Studien, häufig aus der Feder einer jüngeren Generation von Historiker:innen, hat in den letzten 10 Jahren neue Perspektiven eröffnet, neue Quellen bearbeitet, neue Themen erschlossen – und dabei alte Meistererzählungen in Frage gestellt. Viele Erkenntnisse sind jedoch bislang nur in den historiographischen Teilfeldern zur Kenntnis genommen worden, in denen sie sich verorten. Während andere Epochen der deutschen Geschichte polarisiert debattiert werden, vollzieht sich ein Wandel in den Deutungen der bundesrepublikanischen Geschichte – und damit auch ihrer Gegenwart und Zukunft – bisher eher in kleinen Schritten und mit begrenztem öffentlichem Widerhall. Die Pluralisierung und Differenzierung dessen, was Historikerinnen unter "der" Bundesrepublik verstehen, die verstärkte Betonung der ihr innewohnenden Fliehkräfte und Konflikte, gerade auch mit Blick auf das vereinigte Deutschland, ihre Einbettung in transnationale und globale Zusammenhänge sowie das aktuelle Interesse für die strukturierenden Diskurse und Selbstbeschreibungen, die sie hervorbrachte und die in der krisenhaften Gegenwart zur Disposition stehen – all dies lädt ein zu einer genauen Reflexion darüber, welche neuen Narrative jenseits von "Demokratisierung", "Liberalisierung" oder "Wohlstandswachstum" daraus für die Geschichte der Bundesrepublik erwachsen – und wie diese sich mit historischer Analyse vereinen lassen.

Zum 75-jährigen Jubiläum der Republikgründung erscheint es an der Zeit, die historischen Neuverortungen und Neubewertungen der Bundesrepublik systematisch zusammenzutragen und über ihre Konsequenzen zu debattieren. Auf der Tagung versuchen wir, die Implikationen jüngerer Forschungsergebnisse auf verschiedenen thematischen Feldern zueinander in Beziehung zu setzen und damit über einzelne Teilgebiete hinaus zu fragen, was die Geschichte und Gesellschaft der Bundesrepublik prägte und wie ihre fundamentalen Wandlungsprozesse zu verstehen sind. Gehen aus der Vielfalt neuer Studien Konturen einer neuen Geschichte der Bundesrepublik hervor? Fügt sich die Pluralität der Perspektiven zu neuen, übergreifenden Interpretationslinien, oder bleiben sie widerständig gegenüber neuen Meistererzählungen? Welche älteren Kausalannahmen und Deutungsmuster tragen nicht mehr? Wie ist es um Telos und Normativität in der Zeitgeschichte bestellt? Welche Ansätze, Methoden und Perspektiven schließen neue Erkenntnisse auf?

Auf Grundlage der Tagungspapiere arbeiten wir derzeit an einem Sammelband, der voraussichtlich 2025 erscheinen soll.



aktualisiertes Tagungsprogramm

Mittwoch, 6. März 2024

 

ab 14.30
Kaffee

15.00
Keine Bilanz. Zur Einführung (Claudia Gatzka/Sonja Levsen)

15.20-17.00
Panel 1: Transitionen (Mod.: Carsta Langner)

Camilo Erlichman (Maastricht): Besatzungszeit
Franka Maubach (Jena): Vereinigungsgesellschaft
Kommentar: Marie-Bénédicte Vincent (Franche-Comté, online)

17.00-17.20
Kaffeepause

17.20-19.00
Panel 2: Nation und Vergangenheit (Mod.: Almuth Ebke)

Andrew Port (Detroit): „Nie wieder“ (online)
Dominik Rigoll (Potsdam): Nation und Nationalismus
Kommentar: Christina Morina (Bielefeld)

19.30
Abendessen

Donnerstag, 7. März 2024

 

9:00-10.45
Panel 3: Geschlecht (Mod.: Katharina Seibert)
Benno Gammerl (Florenz): Sexualität(en)
Jane Freeland (London): Gender
Kommentar: Isabel Heinemann (Bayreuth)

10.45-11.15
Kaffeepause

11.15-13.00
Panel 4: Fremdheit (Mod.: Henning Tümmers)
Lauren Stokes (Chicago): Migration
Nadja Klopprogge (Tübingen): Race
Kommentar: Maria Alexopoulou (Mannheim, online)

13.00-14.15
Mittagspause

14.15-16.00
Panel 5: Ungleichheit (Mod.: Eva Maria Gajek)

Felix Römer (Berlin): Soziale Ungleichheit
David Spreen (Harvard): Alte Linke, neue Linke, radikale Linke
Kommentar: David Bebnowski (München)
    
16.00-16.15
Kaffeepause

16.15-17.15
Panel 6: Lebensverhältnisse (Mod.: Kassandra Hammel)

Winfried Süß (Potsdam): Nicht/Arbeiten
Kommentar: Christiane Reinecke (Flensburg, online)

17.30-19.15
Panel 8: Ressourcen (Mod.: Felix Lieb)

(ursprünglich Freitags)
Roman Köster (München): Umwelt
Sina Fabian (Berlin): Autofahren
Kommentar: Rüdiger Graf (Potsdam)

Freitag, 8. März 2024

 

8.30-10.10
Panel 7: Imaginäre Geographien (Mod.: Claudia Gatzka)

Marcus Böick (Bochum): Ost und West
Frank Bösch (Potsdam): Global
Kommentar: Martin Deuerlein (Tübingen)

10.10-10.30
Kaffeepause

10.30-12.10
Panel 9: Ziviles Miteinander (Mod.: Georg Schild)

Claudia Gatzka (Freiburg): Demokratie
Sonja Levsen (Tübingen): Gewalt
Kommentar: Petra Terhoeven (Göttingen/Rom)

12.10-13.00
Abschlussdiskussion


Praktische Informationen:

Tagungsort ist die Alte Aula der Universität Tübingen, Anfahrtsplan: https://uni-tuebingen.de/einrichtungen/personalvertretungen-beratung-beauftragte/lageplaene/karte-d-altstadt/alte-aula/
Die Tagung findet hybrid statt. Die Vorträge finden fast ausschließlich in Präsenz statt, Kommentatoren werden teilweise per Zoom zugeschaltet. Die Tagung ist öffentlich, Gäste sind willkommen: Eine Teilnahme vor Ort oder via Zoom ist nach Anmeldung möglich. Für eine Teilnahme vor Ort bitte Anmeldung bis zum 24.02.2024 an hiwiszeitgeschichtespam prevention@semzeit.uni-tuebingen.de; eine virtuelle Teilnahme kann bis zum ersten Tagungstag angemeldet werden, ebenfalls an hiwiszeitgeschichte@semzeit.uni-tuebingen.de; der Zoom-Link wird Ihnen dann zugesandt.

Veranstaltungsort