Der Dialekt im sprachlichen und gesellschaftlichen Wandel
Gefördert vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg | |
Projektleitung | |
Projektmitarbeitende | Dr. Isabell Arnstein Dr. Rudolf Bühler Margret Findeisen, MA Dr. Mirjam Nast |
Projektlaufzeit | 04/2021 - 03/2023 Projekt abgeschlossen |
Ein Projekt der Tübinger Arbeitsstelle für Sprache in Südwestdeutschland |
In einem sprachwissenschaftlichen Forschungsansatz soll in einem Pilotprojekt der Veränderung der hiesigen Dialekte und damit dem Dialektwandel, dem Spannungsverhältnis von Dialekt und Standardsprache, nachgegangen werden. Hierfür bieten die beiden baden-württembergischen Sprachatlanten nun die nötige Grundlage. Davon ausgehend können exemplarisch in einzelnen Ortschaften erste Aussagen zu den heute im süddeutschen Sprachalltag so wichtigen Zwischenebenen gemacht werden, über die wir im Grunde kaum etwas wissen. Hierzu sollen die in den Atlanten notierten Basisdialekte mit neueren Aufnahmen konfrontiert werden, damit der tatsächliche Sprachalltag näher bestimmt werden kann. Welche sprachlichen Elemente gehen beim Übergang vom alten Basisdialekt zur Regionalsprache verloren, welche werden beibehalten und woher kommen neue Bildungen?
In einem kombiniert sprachwissenschaftlich-kulturwissenschaftlichen Forschungsansatz sollen in einem zweiten Projektteil pointiert Fragen nach der Verankerung von Dialekt in der Gesellschaft, in der Arbeitswelt, der Schule oder dem Altersheim behandelt werden. Während Untersuchungen in diesem Bereich bislang den Schwerpunkt auf Gymnasien oder die universitäre Ausbildung legten, soll hier erstmals die Dialektkompetenz von Schülerinnen und Schülern und deren Einstellungen zur Sprache an einer beruflichen Schule untersucht werden.
Das dritte Teilprojekt betrifft ein kulturwissenschaftlich ausgerichtetes Ausstellungsprojekt, bei dem das auditive Potenzial des Archivbestandes ausgelotet werden soll. Das Projekt soll in Zusammenarbeit mit einem oder mehreren Museen entstehen, deren Schwerpunkt in der Vermittlung von Alltagskultur liegt. Neben größeren Museen zum Bereich der Alltagskultur wäre hier auch an kleinere Heimat-, Dorf- und Stadtmuseen zu denken sowie an Landwirtschafts-, Handwerks- und Industriemuseen, die Anknüpfungspunkte für die Darstellung historischer Alltage bieten. Durch die thematisch breite Aufstellung unseres Tonarchivs und die Auswahlmöglichkeit aus rund 800 Interviews lassen sich spezifische Inhalte für die angestrebte Zusammenarbeit entwickeln.
Geplant ist die Konzeption einer Ausstellung, die „Alltagsdingen“ mündliche Erzählungen an die Seite stellt. Durch die Verbindung von Gegenständen des täglichen Lebens und Arbeitens mit Interviewpassagen, die den Umgang mit ihnen beschreiben, historische Praktiken schildern und subjektive Erfahrungen wiedergeben, soll die isolierte Stellung der Museumsobjekte aufgehoben und die Verknüpfung von materieller Kultur mit menschlichem Handeln herausgestellt werden. Die historischen Interviewaufnahmen können dabei museale Kontexte entscheidend bereichern, indem sie der Repräsentation historischer Alltage eine auditive Ebene hinzufügen.
Schwerpunkt des vierten Teilprojekts sind die 375 auf Hermann Bausinger und Arno Ruoff zurückgehenden, in den 1950er bis 1970er Jahren getätigten Ton-Aufnahmen mit sog. „Heimatvertriebenen“. Diese sollen im Projekt digitalisiert, transkribiert, verschlagwortet und dann inhaltlich im Kontext weiterer Flüchtlingsaufnahmen (etwa Utz Jeggle, Libusa Volbrachtova) am Ludwig-Uhland-Institut ausgewertet werden. Gleichzeitig soll das Projekt im Sinne einer historischen Ethnografie das Archiv und seine auditiven Quellen selbst auch methodologisch in den Vordergrund der Beobachtung rücken.