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Ein Blick zurück. Die AfD bei der Bundestagswahl 2021
Ein erster Überblick
Mit der Alternative für Deutschland (AfD) tritt eine extrem rechte, in weiten Teilen offen völkisch-nationalistische, fremdenfeindliche und vom Bundesamt für Verfassungsschutz gerichtsfest als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestufte [1] Partei bei den Bundestagswahlen 2025 an. In aktuellen Umfragen liegt die AfD bei 20 (GMS, 16.-19.2.2025) bis 21(Insa 18./19.2.2025) Prozent. Sollte sie dieses Potential realisieren, könnte die AfD als zweitstärkste Partei in den Bundestag einziehen und auf eine zwar kurze, aber steile „Karriere“ im deutschen Parteiensystem zurückblicken. Gegründet im Februar 2013, nahm die AfD im selben Jahr erstmals an Bundestagswahlen teil, scheiterte aber mit 4,7% an der 5%-Hürde. 2017 erreichte sie 12,6% und zog mit zunächst 94 (am Ende der Legislatur nur noch 87) Abgeordneten als drittstärkste Partei in den Bundestag ein. Diesen Erfolg konnte sie 2021 nicht wiederholen und wurde mit 10,3% lediglich fünftstärkste Kraft. Sie errang 83 Sitze, die sich durch Austritte während der Legislatur auf 76 reduzierten. Allerdings zeichnete sich schon bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ein deutlicher Trend nach oben ab, der unter anderem der negativen Haltung gegenüber der Europäischen Union und einer offensiven Anti-Migrationspolitik geschuldet ist. Die AfD erhielt bundesweit 15,9% der Wählerstimmen und damit 15 Sitze im Europäischen Parlament [2].
Vor den am 23.Februar 2025 anstehenden vorgezogenen Bundestagswahlen am lohnt daher ein Rückblick auf die vergangenen Bundestagswahlen. Wir wählen für diesen Rückblick erstens eine raumorientierte Perspektive, um räumliche Muster aufzuzeigen. Dazu haben wir die Wahlergebnisse der AfD auf Gemeindeebene kartiert. Auf jener Ebene also, die unser aller unmittelbares Lebensumfeld abbildet. Dies ermöglicht einen sehr differenzierten Blick auf die Ergebnisse. Neben bundesweiten Karten haben wir auch Karten für das Land Baden-Württemberg erstellt und gehen auf die räumlichen Muster im Ländle noch einmal besonders ein. Zweitens haben wir eine statistische Analyse durchgeführt, um zu überprüfen, inwieweit die regionalen Unterschiede in den Wahlergebnissen anhand von Strukturdaten erklärt werden können.
Zwei deutliche räumliche Muster lassen sich so identifizieren: Erstens ist die AfD besonders stark in ruralen Räumen und Lebenswelten, während sie in urbanen Räumen und Lebenswelten eher schwach ist [3]. Zweitens bestätigen die Wahlergebnisse der AfD, dass Deutschland „ungleich vereint“ (Mau 2024) ist. In Ostdeutschland fährt die AfD nach wie vor deutlich mehr Stimmen ein als in den alten Bundesländern. Die im Vergleich zu Westdeutschland größeren Erfolge der AfD sind das Ergebnis eines komplexen Ursachenbündels, das zu regionalen Unterschieden in der politischen Kultur führt. Diese heben jedoch die Unterschiede zwischen Ruralem und Urbanem nicht auf, sondern lediglich auf eine neue Ebene.
Bei der Analyse von Strukturdaten auf Bundesebene zeigten sich nicht ausreichend durch Bundesland-Dummies kontrollierbare Effekte, die auf regionale Besonderheiten verweisen. Daher haben wir vorerst auf ein bundesweites Modell verzichtet. Für Baden-Württemberg zeigte sich hingegen, dass Strukturdaten, insbesondere Siedlungsstruktur und soziodemographische Daten sowie sozioökonomische Daten durchaus erklärungskräftig sind. Mit unserem Modell können wir immerhin 26% der Varianz in den AfD-Wahlergebnissen erklären, ohne auf Individualdaten zurückgreifen zu müssen.
Differenz zwischen Zweitstimme und Erststimme auf Gemeindeebene in Prozent (Zweitstimme minus Erststimme)
Zweitstimmenanteil der AfD in Baden-Württemberg auf Gemeindeebene in Prozent (Jenks-Intervalle)
[1] vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aktenzeichen: 5 A 1216/22, 5 A 1217/22, 5 A 1218/22
[2] Eine Analyse des Abschneidens der AfD bei den Europawahlen 2024 für Baden-Württemberg findet sich hier: https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/wirtschafts-und-sozialwissenschaftliche-fakultaet/faecher/fachbereich-sozialwissenschaften/rechtsextremismusforschung/aktuell/baden-wuerttemberg-hat-gewaehlt-ein-blick-auf-die-ergebnisse-der-afd-bei-den-wahlen-zum-europaeischen-parlament/
Kommunalwahlen 2024: Die AfD-Wahlergebnisse in Stadt- und Landkreisen
Die AfD gewinnt bei den Kommunalwahlen 2024 in Baden-Württemberg in allen Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen sie antritt, Stimmen dazu. Damit setzt sich der schon bei der Wahl zum Europäischen Parlament zu beobachtende Trend auch bei den Kreistags- und Kommunalwahlen in den kreisfreien Städten fort.
Die Wahlergebnisse der Kreistagswahlen und Kommunalwahlen in den kreisfreien Städten am 9. Juni zeigen deutlich einen Zugewinn an Stimmen – und zwar in allen Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen die AfD angetreten ist. Mit dem Ergebnis Stadtkreis Pforzheim (21,98 Prozent, 9 von 40 Sitzen) gelingt es der AfD zum ersten Mal in Baden-Württemberg, in einem Stadtkreis die stärkste Kraft zu stellen. Die CDU als zweitstärkste Kraft erreichte mit 20,78 Prozent 8 Sitze). Die deutlichsten Stimmenzugewinne sind in Ravensburg (9,73 Prozentpunkte auf 9,73 Prozent - die AfD war vorher nicht angetreten), Tuttlingen (+9,07 Prozentpunkte auf 12,36 Prozent) sowie Ludwigburg (+8,79 Prozentpunkte auf 11,8 Prozent) zu verzeichnen. Nur wenig hinzugewinnen konnte die AfD in den kreisfreien Städten Heidelberg (+0,53 Prozentpunkte auf 5,55 Prozent), Freiburg (+0,93 Prozentpunkte auf 4,54 Prozent) und Stuttgart (+2,19 Prozentpunkte auf 8,28 Prozent).
Die schon bei der Bundestagswahl 2021 und der Wahl zum Europäischen Parlament beobachtbaren regionalen Unterschiede bestätigen sich auch hier: Es sind vor allem die kosmopolitisch geprägten Universitätsstädte sowie ihr Umland (vgl. insb. der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit einer Zunahme von 2,69 Prozentpunkten auf 7,57 Prozent), in denen die AfD mit ihren extrem rechten, völkisch-nationalistischen Positionen wenig erfolgreich ist.
Diese Polarisierung zeigt sich auch, wenn wir die Landkreise und kreisfreien Städte mit den höchsten und niedrigsten Gesamtergebnissen betrachten: Ihre besten Ergebnisse konnte die AfD in den kreisfreien Städten Pforzheim (21,98 Prozent) und Heilbronn (15,93 Prozent) sowie dem Zollernalbkreis (16,04 Prozent) erzielen. In den Universitätsstädten Freiburg (4,54 Prozent), Ulm (5,13 Prozent), Heidelberg (7,55 Prozent) sowie dem universitär geprägten Landkreis Tübingen (4,56 Prozent) erzielte die AfD ihre schlechtesten Ergebnisse.
Statistisch auffällig ist dabei der negative Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und Stimmenanteil der AfD (r=-0,61; p=,001). Eine geringere Wahlbeteiligung geht mit einem höheren Ergebnis der AfD einher. Die AfD kann also insbesondere in den Kreisen reüssieren, in denen es den anderen Parteien nicht gelingt, ihre potentielle Wählerschaft zu mobilisieren und an die Wahlurnen zu bringen. Kurz: mangelnde Mobilisierung der demokratischen Parteien spielt der extrem rechten AfD in die Hände.
Das wichtigste nochmal in Kürze zusammengefasst:
- Die AfD gewinnt in allen Landkreisen und kreisfreien Städten an Stimmen hinzu. Besonders erfolgreich ist sie in Pforzheim, wo sie die stärkste Kraft im Stadtrat stellt.
- Es bestätigt sich, dass kosmopolitisch geprägte Universitätsstädte und ihr Umland resistenter gegenüber der AfD sind (siehe Strukturdaten).
- Eine geringe Wahlbeteiligung geht mit höheren Ergebnissen der AfD einher. Während die AfD hier ihr Wählerpotential ausschöpft, gelingt dies den anderen Parteien nicht.
Kreistagswahl und Stadtratswahl für kreisfreie Städte 2024: Wahlergebnisse der AfD in Baden-Württemberg (Sitzanteil und Sitzveränderung)
Kreistagswahl und Stadtratswahl für kreisfreie Städte 2024: Wahlergebnisse der AfD in Baden-Württemberg - Veränderung des Stimmanteils im Vergleich zu 2019
Kreistagswahl und Stadtratswahl für kreisfreie Städte 2024: Wahlergebnisse der AfD in Baden-Württemberg (Stimmanteil)
Baden-Württemberg hat gewählt – ein Blick auf die Ergebnisse der AfD bei den Wahlen zum Europäischen Parlament
Am 9. Juni fanden in Baden-Württemberg die Wahlen zum Europäischen Parlament und die Kommunalwahlen statt. Im Vorfeld wurde mit Blick auf Umfragen ein deutlicher Rechtsruck erwartet. Dieser trat mit deutlichen Stimmengewinnen der AfD bei der Europawahl ein. Sie legte bundesweit um 4,9 Prozentpunkte zu und kommt nunmehr auf 15,9% kommt. Sichtbar wird er auch in Baden-Württemberg, wo die AfD landesweit auf 14,7% kam. Während die AfD in Ostdeutschland in fast allen Landkreisen die stärkste Partei wurde, gelang ihr dies in Baden-Württemberg auf Kreisebene nicht, sondern in lediglich einer Gemeinde. Dabei gelang es ihr jedoch, in allen 1101 Gemeinden in Baden-Württemberg an Stimmen zuzugewinnen, zum Teil im deutlich zweistelligen Bereich. Die Ergebnisse der Wahlen zum Europäischen Parlament haben wir auf Gemeindeebene analysiert und kartographisch aufbereitet.
Europawahl 2024: Wahlergebnisse der AfD mit Fokus auf die Universitätsstädte in Baden-Württemberg
Europawahl 2024: Veränderungen der Wahlergebnisse der AfD im Vergleich zu den Wahlergebnissen von 2019 mit Fokus auf die Universitätsstädte in Baden-Württemberg
Europawahl 2024: Veränderungen der Wahlergebnisse der Grünen im Vergleich zu den Wahlergebnissen von 2019 mit Fokus auf die Universitätsstädte in Baden-Württemberg
Europawahl 2024: Gemeinsame Verteilung der Veränderungen der Wahlergebnisse der Grünen und AfD im Vergleich zu den Wahlergebnissen von 2019 mit Fokus auf die Universitätsstädte in Baden-Württemberg
Wo die extreme Rechte bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg am 9. Juni 2024 antritt
Stand 7. Juni 2024
Demokratie vor Ort – das ist die Besonderheit der Kommunalpolitik. Hier finden sich lokale Politiker*innen „zum Anfassen“ ebenso wie jene Themen, die den Alltag und das persönliche Lebensumfeld prägen: Politische Entscheidungen betreffen die Menschen vor Ort unmittelbar.
Bei den Kommunalwahlen am 9. Juni 2024 werden in allen 1101 Kommunen in Baden-Württemberg die Gemeinde- und zum Teil auch die Ortschaftsräte gewählt. Dabei geht es um mehr als 19.000 Gemeinderats- und Ortschaftsratsmandate. Darüber hinaus wird in 35 Landkreisen der Kreistag gewählt. Hier stehen mehr als 2000 Sitze zur Verteilung an.
Das Wahlalter der Erstwähler*innen bei den anstehenden Kommunal- und Europawahlen wurde auf 16 Jahre abgesenkt. Bei den Kommunalwahlen dürfen Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft und Menschen mit einer EU-Staatsbürgerschaft wählen, wenn sie seit mindestens drei Monaten ihren Hauptwohnsitz in der jeweiligen Gemeinde haben.
Neben den demokratischen Parteien, freien Listen und den Freien Wählern tritt auch die extrem rechte, in weiten Teilen offen völkisch-nationalistische und vom Bundesamt für Verfassungsschutz gerichtsfest als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestufte Alternative für Deutschland (AfD) (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aktenzeichen: 5 A 1216/22, 5 A 1217/22, 5 A 1218/22) an.
Auch wenn die Landesvorsitzenden der AfD, Emil Sänze und Markus Frohnmaier, die extrem rechte Partei für die Kommunalwahlen gut aufgestellt sehen (vgl. https://www.staatsanzeiger.de/nachrichten/politik-und-verwaltung/afd-landeschef-emil-saenze-wenn-wir-regieren-wird-es-nicht-lustig/), zeichnen die Zahlen doch ein anderes Bild. Denn die AfD ist weit davon entfernt, bei den Kommunalwahlen flächendeckend anzutreten.
Kommunalwahl 2024: Kandidaturen der AfD für die Gemeinde- und Stadträte in Baden-Württemberg
Neben der AfD treten weitere Listen an, die dem extrem rechten Spektrum oder dem Lager der Verschwörungsideolog*innen zuzurechnen sind, wie der freie Journalist Lucius Teidelbaum am 5.6.2024 in der Kontext Wochenzeitung berichtete. Er unterscheidet extrem rechte, christlich-rechte, pandemieleugnende, migrantisch-nationalistische und sonstige Listen, die auf Gemeindeebene insgesamt etwa 30 Listen stellen und damit vergleichsweise marginal sind.
Nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Kommunalwahlen werden wir eine detailliertere Analyse veröffentlichen.
Gerne stellen wir Ihnen die Karten in hoher Auflösung zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter: infospam prevention@irex.uni-tuebingen.de
Strukturdaten
Die Erfolge extrem rechter Parteien verstehen und erklären zu können, ist die Grundvoraussetzung dafür, Formate zur Demokratiestärkung zu entwickeln. Dazu wurden in der Vergangenheit verschiedene Erklärungsansätze entwickelt und überprüft. Diese setzen meist auf der Ebene der Wähler*innen an, wie etwa der Ansatz der sozialen Deprivation oder der Ansatz der „Modernisierungsverlierer“. Auch wenn gesellschaftliche Entwicklungen ursächlich für diese Phänomene sind, werden sie meist auf der Ebene der Menschen, ihrer Einstellungen und Meinungen untersucht. Auch der Ansatz der gesellschaftlichen Konfliktlinien zwischen Kosmopolitismus und Kommunitarismus lässt sich so untersuchen. Ein zweiter Bereich der Analyse verwendet so genannte Strukturdaten, also Daten, die den Aufbau und die Organisation einer Gebietskörperschaft und deren Input und Output beschreiben.
In unserer Studie haben wir solche Daten auf Gemeindeebene verwendet, um die Erfolge der AfD in verschiedenen Bundesländern zu untersuchen. Dazu gehören beispielsweise Daten zur Soziodemographie der Einwohner*innen, zur Ökonomie, zur Infrastruktur und zu öffentlichen Finanzen. Mit unserer Analyse können wir zeigen, dass Strukturdaten bis zu einem gewissen Grad erklärungskräftig sind – wir können damit zwischen 13 und 27 Prozent der Varianz aufklären – ohne auf Einstellungen und Meinungen als erklärende Faktoren zurückgreifen zu müssen. Allerdings zeigt sich auch, dass es zum Teil deutliche regionale Unterschiede in den Erklärungsmodellen gibt. Es spielen also regional durchaus andere Dinge eine Rolle, die die Wahlentscheidung für eine extrem rechte Partei begünstigen. Auch zeigt sich, dass wir mehr Strukturdaten auf kommunaler Ebene benötigen, um bessere statistische Modelle erstellen zu können. Und nicht zuletzt müssen diese Analysen ergänzt werden durch Fallstudien, Befragungen und Beobachtungen vor Ort, um verstehen zu können, in welchen Lebenswelten die extreme Rechte erfolgreich mobilisiert und warum. Die ausführliche Diskussion der Stärken und Schwächen unserer Strukturdatenanalyse finden Sie hier.
Hier geht's zum Beitrag in der TAZ.
Bundestagswahl 2021: Gemeinsame Verteilung der Wahlergebnisse von Grünen und AfD mit Fokus auf Universitätsstädte in Baden-Württemberg
Bundestagswahl 2021: Gemeinsame Verteilung der Wahlergebnisse von Grünen und AfD mit Fokus auf Universitätsstädte in Sachsen
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