Mitreden im internationalen Diskurs
von Funda Eryurt
Von Oktober bis Dezember 2014 bot das Zentrum für Islamische Theologie im Rahmen des Ausbauprogramms 2012 des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst für Studierende und Mitarbeiter Englischkurse an, die eine gezielte Einarbeitung in wissenschaftliches Englisch der islamischen Theologie ermöglichen sollten. In den Kursen wurde die mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit durch Diskussionen und Bearbeitung englischsprachiger Fachliteratur gezielt gefördert. Als Dozentin konnte Amina Nawaz gewonnen werden, die jüngst an der Universität Cambridge promovierte. Das vorliegende Interview mit Frau Nawaz führte Funda Eryurt, Studentin der Islamischen Theologie im siebten Fachsemester.
Funda Eryurt: Frau Nawaz, wie ist der Kurs „Englisch für Islamische Theologie“ aufgebaut und womit beschäftigt er sich?
Amina Nawaz: Es gab drei verschiedene Kurse im Rahmen dieser Maßnahme. Einer widmete sich akademischen Themen einschließlich Vorträgen und war auf die Bedürfnisse von Postdoktoranden und Doktoranden zugeschnitten. Der zweite war speziell für Masterstudierende und der dritte für die BA- und Lehramts-Studierenden. Es gab also drei verschiedene Kurse mit jeweils der passenden Schwerpunktlegung für die jeweilige Gruppe.
Im Ablauf waren sich die drei Kurse recht ähnlich. Wir arbeiteten hauptsächlich am wissenschaftlichen schriftlichen Ausdruck; also an den verschiedenen Arten wissenschaftlichen Scheibens, die wir im Laufe der Universitätslaufbahn benötigen. Dazu gehören Buchbesprechungen und Artikel, aber auch Briefe und Anschreiben, um beispielsweise Gastwissenschaftler für Vorträge zu gewinnen. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf dem mündlichen Ausdruck und dem Lesen wissenschaftlicher Texte. Viele Diskussionen der Kurse widmeten sich diesen oder ähnlichen Fragen: Was ist Theologie, was ist das Studium der Theologie, was ist der Zweck dieses Zentrums für Islamische Theologie?
Bei den Master- und den Bachelorstudierenden lief es ein wenig anders ab. Grundlage des Kurses war der Text von Abdal Hakim Murad “Commentary on the Eleventh Contentions.” Darauf basierend wurden Fragen im Zusammenhang mit dem Islam und der Moderne diskutiert. Wir nutzten diese Diskussionen um auf Englisch über die Fragen zu sprechen, mit denen Studierende der islamischen Theologie konfrontiert werden – seien sie nun selbst Muslime oder nicht. Es ging dabei insbesondere um diese Themen: Was ist der Zweck von Institutionen? Was machen wir hier in diesen Institutionen? Was können diese Institutionen tun?
FE: Was ist so besonders an diesem Kurs? Wie unterscheidet er sich von einem gewöhnlichen Englischkurs?
AN: Ich würde sagen, dass dies kein Englisch-Kurs im klassischen Sinne war. Ich habe euch weder Grammatik noch Syntax beigebracht, sondern wir haben diese ganz automatisch über unserer Gespräche vertieft. Der Kurs war eine Mischung aus mehreren Disziplinen: Geschichte, Soziologie, Politik usw. Der Kurs sollte euch den Weg zeigen, wie ihr Englisch in eurem Studium anwenden könnt.
FE: Warum ist Englisch wichtig für dieses Studium?
AN: Englisch ist wichtig für alle Studierenden, weil Englisch heute die Sprache der weltweiten Kommunikation ist. Wenn Studierende am wissenschaftlichen Diskurs im internationalen Kontext teilhaben möchten oder außerhalb ihres lokalen Umfeldes soziale Veränderung bewirken wollen, brauchen sie Englisch. Die Welt sollte euch verstehen, nicht wahr? Es gibt eine Menge Diskussionen über den Islam in Europa. Um mitreden zu können, müssen wir eine gemeinsame Sprache sprechen.
FE: Was für Erfahrungen haben Sie gemacht? Was haben Sie aus diesem Kurs mitgenommen?
AN: Das ist die schwierigste Frage, weil ich gar nicht alles aufzählen kann! Ich habe so viel gelernt, ja, ich lerne sogar noch jetzt in diesem Moment! Wenn ich anfange darüber zu reden, werde ich ganz emotional, weil die Studierenden jedes Mal, wenn wir zusammen arbeiteten, so rührend zu mir waren. Es ist einfach nur eine spannende Erfahrung, wirklich. Ich habe so viel von meinen Kursen gelernt. Die Diskussionen, die wir hatten, waren auf sehr hohem Niveau. Eure Diskussionsbeiträge waren einzigartig und aufschlussreich. Das ist es, was ich mitnehmen konnte. Ich empfand den Austausch mit euch Studierenden als sehr bereichernd und lehrreich.
FE: Haben die Studierenden Sie also inspiriert?
AN: Die ganze Zeit über. Es ist wirklich erstaunlich. Wissen Sie, Forscherin und Dozentin zu sein sind zwei Paar Schuhe. Wenn man eine Dozentin ist, hebt das die Forschung auf die nächste Ebene. Die Studierenden bohren nach und stellen Fragen, die man sich vorher nie gestellt hat. Man muss Antworten parat haben. Jemand sagte neulich zu mir: Der beste Weg um etwas zu lernen ist, es zu lehren. Dem stimme ich absolut zu!
FE: Wie war die Atmosphäre in den einzelnen Kursen?
AN: Also aus meiner Perspektive – die Studenten werden ihre eigene haben – war die Atmosphäre immer sehr kommunikativ; voller lebhafter und respektvoller Diskussionen. Sie hörten sich gegenseitig zu, jede und jeder trug etwas bei. Es war sehr – ich möchte nicht sagen demokratisch – aber irgendwie verbindend: Wir saßen im Kreis und das hat auch einen Kreis in unserem Denken erzeugt.
FE: Wie ist Ihr Eindruck vom Zentrum für Islamische Theologie?
AN: Ich denke, das Zentrum ist eine sehr aufregende Gelegenheit für die Menschen in Deutschland, den Islam auf eine ganz neue Art kennenzulernen. Auf eine Art, die sich deutlich vom Medien-Diskurs abhebt – auf sehr intellektuelle Art. Und das, was in Deutschland passiert, wird gründlich vom Rest der Welt beobachtet. Wenn es hier funktioniert, dann kann es auch an anderen Orten klappen. Also, ich denke dieses Zentrum ist eine sehr aufregende Chance.
FE: Können Sie etwas zur islamischen Theologie in den englischsprachigen Ländern sagen? Deutschland ist ja auf diesem Gebiet noch ein unbeschriebenes Blatt.
AN: In den englischsprachigen Ländern sind islamische Studien weit verbreitet. Wir haben viele orientalistische Fakultäten. Aber islamisch theologische Studien von praktizierenden Gelehrten sind eine sehr neue und sehr wichtige Sache. Denn wenn es eine christliche Theologie und eine jüdische Theologie gibt, muss es auch eine muslimische Theologie geben. Islamische Theologie muss erforscht und gelehrt werden, um die Dinge herauszuarbeiten, die von anderen Disziplinen vernachlässigt werden. Und um einen wissenschaftlichen Diskurs zwischen den Disziplinen zu ermöglichen. Für einen fruchtbaren Dialog brauchen wir auch die religiöse Perspektive.
FE: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben, und vor allem danke ich Ihnen, dass Sie uns unterrichtet haben.
AN: Es war mir eine Freude. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, und ihr habt meine Seele in vieler Hinsicht neu belebt.