Betrachtungen der Islamischen Theologie aus historischer und zeitgenössischer Perspektive
„Reflections on Islamic Theology: Historical and Contempary Perspectives“ – ein Seminar von Dr. Timothy J. Winter
Von C. Loipersberger
Das ZITh durfte einen der bedeutendsten, muslimischen Theologen des Westens als Gastdozent begrüßen. Dr. Timothy J. Winter, auch bekannt als Shaykh Abdal-Hakim Murad, ist einer der führenden muslimischen Intellektuellen. An der Universität Cambridge ist er Direktor der Islamischen Studien am Wolfsons-College der Divinity-Faculty, Shaykh Zayed Lecturer für Islamische Studien, sowie Dekan und Gründer des Muslim College. Der Islamwissenschaftler und muslimische Gelehrte ist auch Unterzeichner des „Common Word“ und Autor, Übersetzter und Herausgeber zahlreicher Publikationen. Nur um exemplarisch ein paar zu nennen: „Commentary on Eleventh Contentions“, „Cambridge Companion to Classical Islamic Theology“, „al-Ghazali – The Remembrance of Death and Afterlife“. Seine Projekte befassen sich meist mit Themen wie Widerlegungen von Extremismus, Islamischer Ethik, Sufitum und muslimisch-christlichen Beziehungen.
Vom 10. bis zum 30. Mai 2016 hielt Dr. Winter am ZITh ein Seminar. Dabei referierte er in sieben Sitzungen zu wichtigen und aktuellen Themenfelder der Islamischen Theologie. In einer davon wurden die Intellektuellen Entwicklungen in der Islamischen Geistesgeschichte, der Entstehungsgeschichte und der Kernbotschaft des Salafismus gegenübergestellt. Somit wurde die vermeintliche Orthodoxie des Salafismus als eindeutig falsch nachgewiesen. Dr. Winter ging hierzu auch auf die Rolle der Barmherzigkeit, Großzügigkeit und Liebe ein. Die Frage, ob der Verstand und die überlieferten Schriften für die Gotteserkenntnis ausreicht, wurde erörtert. Zum muslimisch-christlichen Dialog ging Dr. Winter auf die Hauptdifferenzen im Glauben und den aktuellen Forschungsstand bezüglich ihrer Entstehung ein. Hierbei nannte er auch aktuelle Entwicklungen innerhalb der christlichen Theologie, sowie christliche Polemiken bezüglich des Islams.
Ein zentraler Punkt in diesem Vortrag nahmen die Ebioniten ein, anhand derer man neue Erkenntnisse zu den gegenseitigen Polemiken gewonnen hat. Die Wichtigkeit sich gut mit der Theologie, der im Dialog stehenden Religion, auszukennen wurde hierbei deutlich. Das Thema Gender bei Muslimen wird vor allem in Öffentlichkeit häufig diskutiert. Hierzu umriss Dr. Winter die verschiedenen Entwicklungsstufen der westlichen Gender-Diskussion und ging dann auf die Frage nach muslimischem Feminismus ein. Dazu kam u.a. Ibn Arabis Theologie der Weiblichkeit zu Sprache. Dass die Islamische Theologie sich künftig auch mit Fragen zur Gender-Entwicklung in der heutigen Gesellschaft stellen muss, hat Dr. Winter erläutert.
Auch stellte er die Wahrnehmung al-Ghazalis bei westlichen Wissenschaftlern dar und ging der Frage nach, ob diese Sichtweise al-Ghazalis Lebenswerk gerecht werden würde. Er versuchte den wissenschaftlichen Diskurs über Ghazali nachzuzeichnen und seine Rolle in der islamischen Geistesgeschichte darzustellen. Außerdem behandelte Dr. Winter die Themen Scriptual Reasoning, religiöse Erziehung und Spiritualität. Er stellte ihre Wichtigkeit und ihr Potential für die Wissenschaft auch in Bezug zu aktuellen Problemen dar. Während aller Vorträge wurde stets die historische Entwicklung des Diskurses aufgezeigt und dieser dann im heutigen Kontext erläutert. Dr. Winter wurde nicht müde die Wichtigkeit des jeweiligen Kontextes zu betonen.
Das Seminar war sehr informativ und bot viele wichtige Hinweise, wohin sich die moderne Forschung in der Islamischen Theologie entwickeln kann, weshalb es für alle Teilnehmer eine Bereicherung war.