Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)

Ethik zwischen Controllern und Cosplay: Das Projekt PRETINA auf der Gamescom

Wie können wir Messebesuchende für ethische Fragestellungen begeistern, wenn sie doch gleich nebenan auch das neue Call of Duty spielen könnten? Und wie designt man eigentlich ein VR-Spiel, das nicht nur Forschungsdaten liefert, sondern auch Spaß macht? Diese kniffligen Fragen stellten wir uns in diesem Sommer im Vorlauf auf die größte europäische Computerspielmesse Gamescom, auf der das Projekte PRETINA einen Stand zum Thema Eyetracking im VR-Gaming betreiben sollte. Und so begannen wir, Flugrouten für fantastische Kreaturen zu berechnen, Postkarten mit witzigen Sprüchen zu gestalten und hochkomplexe Datenauswertungen so darzustellen, dass sie neugierig machen. 

Eyetracking: Blicksteuerung und Datensammlung 

Eyetracking, also das Erfassen und Auswerten von Blickrichtung, Dauer, usw., findet zunehmend Einzug in neue Technologien. In Fahrzeugen erlaubt Eyetracking beispielsweise das automatische Erkennen von Ermüdung; im Smartphone erleichtert es die Bedienung für Menschen mit motorischen Schwierigkeiten.

Im Bereich VR-Gaming ist Eyetracking zwar noch nicht Usus, wird aber als zukunftsweisende Technologie gehandelt. Unter anderem soll die Nutzung von Blickdaten die Grafikleistung verbessern und die Spielsteuerung intuitiver und z.B. durch die Ermöglichung neuer Eingabemodi inklusiver gestalten. Gleichzeitig zeigen erste Forschungsergebnisse, dass Blickdaten Rückschlüsse auf teils höchstpersönliche Eigenschaften ermöglichen können. Wann eine Person zuletzt einen Gottesdienst besucht hat, wen sie bei der nächsten Bundestagswahl wählen will, oder ob sie sich eher zu männlich oder zu weiblich gelesenen Personen hingezogen fühlt, all das soll der Blick verraten. Dies wirft zahlreiche ethische Fragen und Bedenken auf.

AbracaData: Spielen für die Forschung

Um Wechselwirkungen zwischen Privatheit und Eyetracking zu bearbeiten, haben wir uns co-laborativ mit unseren Projektpartner*innen  drei Hauptziele gesetzt:

1.) Das Potenzial von Eyetracking im Bereich VR-Gaming außerhalb standardisierter Laborsituationen erproben 
2.) Eine Interviewstudie zu Privatheitsbegriffen sowie privatheitsrelevanten Einstellungen von Gamer*innen durchführen
3.) Den wechselseitigen Dialog mit Gamer*innen eröffnen

Entsprechend legten wir den Aufbau des Standes und die Studie so an, dass sie viel Raum für Austausch, Ausprobieren und offene Gespräche boten.

In unserem VR-Spiel AbracaData schlüpften die Teilnehmenden zunächst in die Rolle eines Zauberlehrlings, der Ordnung in das Labor des Zaubermeisters bringen muss. Während die Spielenden das Labor erkunden, wird ihr Blickverhalten vermessen und analysiert.

Nach einem etwa 10-minütigen Aufenthalt in der magischen VR-Umgebung luden wir unsere ‚Zauber*innen in spe‘ zu einem Gespräch ein. Dabei präsentierten wir die während des Spiels gewonnenen Analyseergebnisse und erfragten in qualitativen, leitfadengestützten Interviews die Erfahrungen und Einstellungen der Gamer*innen zu Privatheit.

Ethik begeistert: Eindrücke von der Gamescom

Positiv überrascht hat uns vor allem das große Interesse am Stand. Kinder wurden zum Spielen am Nachbarstand geschickt, damit die Eltern Zeit für ausführliche Gespräche hatten, Studienteilnahmen wurden trotz Motion Sickness beendet, ganze Freundeskreise zum Stand geholt und Mailkontakte ausgetauscht, um über Studienergebnisse auf dem Laufenden zu bleiben. 

Auch in den Interviews zeigte sich, dass Privatheitsthemen in der Gaming-Community als hochrelevant wahrgenommen werden. Oft hatten Teilnehmende sehr differenzierte Privatheitsverständnisse, die sich auf einschlägige Theoriebestände—von Contextual Integrity bis Privacy Calculus—übertragen lassen. Aus technischer Perspektive zeigte sich, dass Eyetracking außerhalb von Laborsituationen zwar funktioniert, die Exaktheit der Messungen aber stark unter den nicht optimalen Bedingungen leidet. Nun gilt es die auf der Gamescom erzeugten Daten weiter auszuwerten und auf Grundlage der Analyseergebnisse eine zweite Iteration des Spiels zu entwickeln, die dann auf der Gamescom 2026 vorgestellt wird. 

Das Projekt PRETINA wird gefördert vom BMFTR und ist Teil der Plattform Privatheit.

Verfasst von: Céline Gressel,Theresa Krampe