Exzellenzstrategie

Radioonkologie

Die Strahlentherapie ist ein Eckpfeiler der Krebsbehandlung, etwa jeder zweite Tumorpatient erhält im Verlauf der Krankheit eine Strahlentherapie. Der Forschungsschwerpunkt der Abteilung für Radioonkologie liegt in der personalisierten Hochpräzisionsbestrahlung von Tumorerkrankungen. Durch translationale Forschung im interdisziplinären Team aus Radioonkolog:innen, Physiker:innen und Biolog:innen ist das Ziel die Applikation der Strahlentherapie unter Nutzung modernster medizintechnischer Innovationen und Entwicklungen sowie über die Identifikation und Etablierung von Biomarkern und funktioneller Bildgebung weiter zu personalisieren.

MRT-adaptive Strahlentherapie (MR-Linac)

Der Erfolg der Strahlentherapie hängt entscheidend von der Präzision ab. Die Integration der Magnetresonanztomographie (MRT) mit einem Linearbeschleuniger (Linac) in einem einzigen Hybridgerät (MR-Linac) für die MRT-geführte adaptive online-Strahlentherapie ist einer der wichtigsten technologischen Fortschritte in der Strahlentherapie der letzten Jahre. Während jeder Behandlungssitzung wird ein MRT durchgeführt, die Konturen des Tumors und der Risikoorgane werden angepasst und die Bestrahlungspläne neu optimiert. Anatomische Veränderungen (Tumorwachstum oder -schrumpfung, Ödeme des gesunden Gewebes) können im Verlauf der Strahlentherapie erkannt werden, was eine genaue Einschätzung der behandlungsbedingten Nebenwirkungen ermöglicht. Die adaptive online-MRT verbessert aber nicht nur die geometrische Hochpräzisionsbehandlung, sondern erfasst auch funktionelle und quantitative MRT-Daten, was eine sequenzielle Überwachung quantitativer Bildgebungs-Biomarker (QIB) während der Strahlentherapie ermöglicht. Dadurch können möglicherweise eine frühe Reaktionsprognose und eine individualisierte Dosisverschreibung basierend auf der Behandlungsreaktion und biologischen Prognosefaktoren abgeleitet werden. Ziel dieses Forschungsschwerpunktes ist die Analyse der online-Integration anatomischer und funktioneller Bildgebung in der adaptiven Strahlentherapie.

 

MR-geführte Hochpräzisions-Strahlentherapie einer Lebermetastase. (A) Natives Bestrahlungsplanungs-CT, in dem eine Abgrenzung der Metastase ohne implantierte Marker oder Kontrastmittelgabe nicht möglich ist. (B) Exzellente Sichtbarkeit des Zielgebietes im navigierte T2-gewichteten MRT (roter Pfeil). (C) Markerlose MR-geführte Körperstereotaxie der Leber mit dem 1.5 T MR-Linac (Unity, Elekta AB, Schweden) 09/2020 an der Universitätsklinik für Radioonkologie Tübingen.

Methoden des Maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz in Medizinischer Physik und Radioonkologie

Im Rahmen von innovativen Forschungsprojekten werden in der Sektion für Biomedizinische Physik verschiedene Aspekte zur Nutzung und Weiterentwicklung des Maschinellen Lernens (ML) sowie der Künstlichen Intelligenz (KI) im Bereich der Medizinischen Physik bzw. der Radioonkologie durchgeführt. In Kooperationen mit dem Exzellenzcluster Maschinelles Lernen und dem MiDAs-Lab des Departments Radiologie werden beispielweise ML-Methoden zur automatischen Annotation von multi-modalen Bilddaten zur anschließenden Nutzung in der Strahlentherapieplanung entwickelt und validiert (siehe Abbildung). Weitere Forschungsprojekte beschäftigen sich mit der schnellen, KI-basierten Berechnung von Strahlendosis im Gewebe oder mit der Automatisierung der Bestrahlungsplanung durch Nutzung tiefer neuronaler Netzwerke.

Publikationen

 

 

Beispielhaftes MR-Bild eines Prostatakrebspatienten mit einer Expertenannotation der Organe (links) und einer automatischen KI-basierten Annotation (rechts). Die verschiedenen Farben repräsentieren bestimmte Organe. Nachbar M et al., Z Med Phys 34 (2024) 197–207.

Quantitative MR-Bildgebung für die Strahlentherapie

Moderne Bildgebungsverfahren wie die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) oder Magnetresonanztomografie (MRT) erlauben nicht nur eine Darstellung der Körperanatomie, sondern ermöglichen auch die Aufnahme und Quantifizierung physiologischer Prozesse im menschlichen Körper durch funktionelle Bildgebung. Die hieraus gewonnen Informationen werden in der Sektion für Biomedizinische Physik genutzt, um die Strahlentherapie für Patienten immer individualisierter zu gestalten. Dies geschieht im Rahmen der Nutzung funktioneller PET und MRT-Bildgebung zur besseren Abschätzung von Tumorausdehnungen als auch zur personalisierten Vorhersage des Therapieansprechens der Patienten. Ein weiteres Ziel ist patientenindividuelle, radioresistente Tumorbereiche über funktionelle Bildgebungstechniken zu identifizieren, die in klinischen Studien mit einer erhöhten Strahlendosis behandelt werden.

 

Bestimmung potentiell radioresistenter Tumorareale durch die Berechnung von 1D (blau) oder 3D (violett)-Clustern aus diffusionsgewichteter MRT und FMISO-PET in präklinischen Kopf-Hals-Tumor Mausmodellen. Boeke S et al., Eur J Nucl Med Mol Imaging, 2023 Aug;50(10):3084-3096.

Translationale klinische Forschung

In der Universitätsklinik für Radioonkologie werden Studien durchgeführt, die maximale geometrische Präzision durch technologische Weiterentwicklungen und biologische Präzision kombinieren. Als Beispiel hierfür kann das Rektumkarzinom aufgeführt werden. So konnte im Rahmen DFG-geförderter Projekte ein neues Therapieschema für die dosiseskalierte Strahlentherapie des Rektumkarzinoms etabliert werden, dass bei vielen Patienten mit frühen Tumorstadien zu einer vollständigen Rückbildung des Tumors führt. Eine zentrale Rolle spielt hierbei auch die funktionelle Bildgebung, die longitudinale währenden Behandlungen akquiriert und quantitativ ausgewertet wird. In der vorangegangenen CAO/ARO/AIO-16 Studie zum Organerhalt beim Rektumkarzinom konnten über eine RNA-Sequenzierung potentielle Target-Gene für eine Radiosensibilisierung identifiziert werden, die derzeit im Rahmen von Forschungsprojekten näher untersucht werden.

 

Beispiel für eine online-adaptive dosiseskalierte Bestrahlung eines Rektumkarzinoms.

Molekulare Radioonkologie

Die gegenwärtig erreichbare Effektivität radiotherapeutischer Intervention wird unter anderem durch die Grade intrinsischer Resistenz gegenüber der Wirkung von Strahlung (Radioresistenz) von Tumoren limitiert. Die AG von Herrn Dr. M. Orth beschäftigt sich zum einen mit der Identifizierung und der Charakterisierung von Biomarkern für derartige Resistenzen (beispielsweise im Rektumkarzinom), zum anderen mit der präklinischen Untersuchung neuartiger, gegen entsprechend identifizierte Biomarker gerichtete Wirkstoffe (soge­nannte „targeted agents/drugs“) hin­sichtlich ihres Potenzials zur Wirkungs-verstärkung von Strahlentherapie (aktuell beispielsweise im Glioblastom).