Seminar für Sprachwissenschaft

Adjektive in GermaNet

Semantische Relationen

Anstatt das Clusterkonzept oder ähnliche Systeme zu verwenden, haben wir die Adjektive in GermaNet hierarchisch auf der Basis der Hyperonymie/Hyponymiebeziehung strukturiert und lassen keine indirekten Antonyme zu.

Beispiel: "froh"

Die folgenden semantischen Beziehungen werden zur Beschreibung von Adjektiven verwendet: 

  • Antonymie, z.B. schlecht ist das Antonym von gut
  • Hyponymie, z.B. gut ist das Hyperonym von toll
  • Assoziation, z.B. landesweit ist verbunden mit Land
  • Pertonymie, z.B. atomar hat das Pertonym Atom
  • Partizip, z.B. bedeutend ist das Partizip von bedeuten

Pertonymie (has_pertainym)

Die lexikalische Relation Pertonymie verbindet denominale Adjektive mit ihrer nominalen Basis. Die Semantik des Nomens bestimmt dabei weitgehend die Bedeutung des Adjektivs (Bsp: das Adjektiv finanziell ist abgeleitet vom Nomen Finanzen).

Partizip (has_participle)

Eine Gruppe von Adjektiven entspricht formal dem Partizip eines Verbs. Ihre Semantik bezieht sich auf die Semantik des zugrundeliegenden Verbs, aber zusätzlich weisen sie in unterschiedlichem Ausmaß idiosynkratische semantische Merkmale auf. In den Fällen, in denen die Semantik des zugrundeliegenden Verbs für die Interpretation des partizipialen Adjektivs signifikant relevant ist, gibt es eine Relation zwischen dem Adjektiv und dem entsprechenden Verb. Zum Beispiel beziehen sich ergreifend, ergriffen auf das Verb ergreifen, im Sinne von eine emotionale Wirkung auf jemanden haben.

Adjektive in GermaNet

Der Ansatz von GermaNet unterscheidet sich in den folgenden Punkten von WordNet®:

  • Wir unterscheiden zwischen verschiedenen semantischen Klassen von Adjektiven.
  • Wir geben den in WordNet® verfolgten Cluster-Ansatz zugunsten einer hierarchischen Strukturierung der Adjektive auf, die mit der von Substantiven und Verben vergleichbar ist. Dadurch wird das eher unscharfe Konzept der indirekten Antonyme von WordNet® eliminiert.
  • Wir unterscheiden auch nicht zwischen relationalen und deskriptiven Adjektiven, da die Kriterien für ihre Unterscheidung überhaupt nicht klar zu sein scheinen. Es scheint, als ob einige Verwendungen von relationalen Adjektiven im Englischen durch nominale Verbindungen im Deutschen realisiert werden.
  • Wir führen keine "künstlichen" Antonyme ein (z.B. Wordnet®: pregnant !-> nonpregnant).

Für eine Übersicht siehe die Tabelle mit den semantischen Adjektivklassen in GermaNet. 

Semantische Felder für Adjektive

In GermaNet haben wir die Adjektive in 16 semantische Klassen aufgeteilt, die den von Hundsnurscher und Splett (1982) vorgeschlagenen Klassen entsprechen, mit einigen Änderungen an den Subklassen und einer speziellen Klasse für die sogenannten Pertonyme. Alle semantischen Adjektivklassen, die in GermaNet verwendet werden, sind in der folgenden Tabelle dargestellt:

semantische Adjektivklassen in GermaNet

Adjektivklasse Beispiele
Perzeption Helligkeit hell, dunkel
Farbe rot, grün, blau
Geräusch laut, leise
Geschmack süß, sauer, salzig
Geruch aromatisch, muffig
Oberfläche rau, glatt, glänzend
Ort Dimension lang, kurz, flach
Richtung nördlich, frontal
Lokalisierung nah, mittig, untere
Herkunft einheimisch, fremd
Raumverteilung voll, leer
Form rund, eckig
Existenz vorhanden, anwesend
Zeit Zeit früh, spät
Geschwindigkeit langsam, schnell, flott
Alter alt, jung
Gewohnheit normal, typisch, unüblich
Bewegung Bewegung plump, fließend 
Substanz Beschaffenheit golden, grob, fein
Zustand offen, geschlossen
Stabilität stabil, wacklig
Konsistenz flüssig, fest, schleimig
Reife von Nahrung reif, frisch, grün
Feuchtigkeit nass, trocken, feucht
Reinheit sauber, schmutzig, trüb
Gewicht schwer, leicht, massiv
Physik elektrisch, magnetisch
Chemie asbesthaltig, dioxinhaltig
Temperatur warm, kalt
natPhaenomen Wetter / Klima schwül, lau, regnerisch
Koerper Belebtheit lebendig, tot
Konstitution stark, schwach
Gebrechen/Krankheit krank, gesund, taub
Körpergefühl hungrig, satt, müde
Geschlecht männlich, weiblich
Aussehen schön, hässlich, hübsch
Körperzustand schwanger, geschlechtsreif
Gefuehl Empfindung/Gefühl froh, traurig, bewegt
Reiz angenehm, traurig, bewegend
Geist Intelligenz/Aufmerksamkeit klug, dumm, aufmerksam
Wissen/Erfahrung erfahren, fähig, gebildet
Verhalten Verhalten/Charakter böse, faul, höflich
tierspezifisch zahm, wild
Geschicklichkeit geschickt, unbeholfen
Beziehung feindlich, umweltfreundlich
Sympathie beliebt, verachtet
Neigung naschhaft, gesprächig
Gesellschaft Schicht arm, reich, erwerbstätig 
Institution/Politik staatlich, privat, demokratisch
Religion gläubig, christlich 
Land europäisch, deutsch
Region städtisch, ländlich, bundesweit
Menge Zahl zwei, dreißig
Quantität viel, wenig, vierfach
Kosten teuer, billig
Ertrag einträglich, fruchtbar
Relation Geltung gültig, ungültig, möglich
Gewissheit gewiss, sicher, eindeutig
Bedarf wichtig, wesentlich, nötig
Wirksamkeit wirksam, effektiv
Schwierigkeit/Energieaufwand schwer, einfach, sparsam
Funktionalität intakt, defekt, kaputt
Sicherheit gefährlich, sicher, riskant
Geordnetheit geordnet, ordentlich, chaotisch
Verknüpfung lose, zugehörig, verbunden
Übereinstimmung gleich, verschieden, ähnlich
Genauigkeit genau, vage, klar
Vollständigkeit komplett, lückenhaft, total
Ursache wetterbedingt, psychogen
Bezug direkt, symbolisch, konkret
Zuträglichkeit heilsam, schädlich, giftig
Allgemein vergleichend enorm, riesig, stattlich 
wertend gut, schlecht, übel 
normspezifisch sonderbar, grotesk 
Pertonym 'bezieht sich auf' atomar, notariell, regional
privativ definiert durch Negation rauchfrei, sorglos, luftleer

 

Wahrnehmungsadjektive (Perzeption)

Die Klasse der Wahrnehmungsadjektive enthält Adjektive, die beschreiben, was ein Mensch mit seinen fünf Sinnen wahrnehmen kann. Je nachdem, was wir sehen (Helligkeit, Farbe, Oberfläche), hören (Ton), schmecken, riechen und fühlen (Oberfläche) können, werden sie weiter Subklassen unterteilt (vgl.Tabelle 1). Die Adjektive, die die Oberfläche eines Materials beschreiben, umfassen sowohl das, was wir berühren können (z.B. weich, glatt), als auch das, was wir sehen können (z.B. glänzend, matt).

Allgemeine Adjektive (Allgemein)

Dies sind Adjektive mit einer "allgemeinen" Bedeutung. Allgemeine Adjektive können (vielen) anderen Adjektivklassen übergeordnet sein. Beispielsweise können einige das Verhalten beschreibende Adjektive den allgemeinen Adjektiven gut oder schlecht zugeordnet werden: angenehm, Hyperonym: gut, positiv (Allgemein)

Pertonyme (Pertonym)

Pertonym-Adjektive sind Adjektive, die sich auf ein Nomen beziehen, das die Grundlage des Adjektivs bildet und somit seine Bedeutung bestimmt (z.B. finanziell -> Finanzen). Sie lassen sich häufig nicht in eine der oben beschriebenen semantischen Klassen einordnen. Jedes Pertonym-Adjektiv ist mit seinem Nomen durch die lexikalische Beziehung der Pertonymie verbunden, z.B. finanziell has_pertainym Finanzen (nomen.Besitz). Diejenigen denominalen Adjektive, die einer semantischen Klasse zugeordnet werden können, sind dort aufgeführt, z.B. intellektuell als geistbezogenes Adjektiv in der Datei adj.Geist. Es hat eine Pertonym-Relation zu nomen.Kognition:Intellekt

Typische deutsche Pertonym-Suffixe sind -(i,u)ell, -al, -ar, -isch und -lich.

Privativa (privativ)

Privativa sind denominale Adjektive, die über eine Verneinung definiert werden. Sie können mit "kein x haben/ohne x sein" paraphrasiert werden, (z.B. ärmellos – ohne Ärmel, fettfrei – frei von Fett). Ähnlich wie bei den Pertonymadjektiven werden sie nur dann in dieser Klasse der Privativa aufgeführt, wenn sie keiner anderen Klasse zugeordnet werden können, z.B. bügelfrei, adj.privativ, aber sorglos, adj.Gefuehl.

Typische deutsche Privativ-Suffixe sind -los, -frei, -leer.