Allgemeine Pädagogik
Allgemeine Pädagogik ist mit der Reflexion grundlagentheoretischer Fragestellungen betraut. Sie thematisiert Problemzusammenhänge systematischer Art, die sämtliche Teildisziplinen betreffen. Im Zentrum steht neben der Arbeit am Begriff die kritische Prüfung von Theoriemodellen und Forschungsmethoden. Auf diese Weise trägt sie dazu bei, das Profil der Erziehungswissenschaft zu schärfen. Die Vertreter/innen der Allgemeinen Pädagogik verfahren dabei systematisch, historisch sowie international vergleichend. Sie suchen überdies den Kontakt zu benachbarten Disziplinen und erschließen Wissensbestände, die für den pädagogischen Diskurs von Interesse sind.
Dieses Selbstverständnis prägt auch die Form unserer wissenschaftlichen Arbeit an der Universität Tübingen: Die Auseinandersetzung mit sozialtheoretischen Ansätzen ist notwendig, weil erst die begriffliche und theoretische Durchdringung pädagogischer Gegenstandsbereiche die Voraussetzung für reflexive Forschung, praktisches Handeln und die kritische Analyse gegenwärtiger Entwicklungen im Bildungsbereich schafft.
Ob es sich um die Ergebnisse internationaler Vergleichsstudien handelt oder die Aufdeckung der Fälle sexualisierter Gewalt an renommierten Internaten: Deutlich wird an diesen und ähnlichen Beispielen, dass der Bildungsbereich von Machtstrukturen geprägt und in die Reproduktion sozialer Ungleichheit verstrickt ist. Wir betrachten daher pädagogische Praktiken nicht isoliert von den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen. Die Transformationen des Sozialstaats, die Verschärfung von Exklusionsprozessen und die Dominanz der Logik des Ökonomischen bleiben dem pädagogischen Feld nicht äußerlich; und genau dies gilt es bei der Reflexion von Bildungs- und Erziehungsprozessen systematisch zu berücksichtigen.
Aus einer bildungstheoretischen Perspektive analysieren wir die machtförmige Verfasstheit pädagogischer Praktiken und arbeiten an entsprechenden theoretischen Zugängen. In den Blick geraten dabei Bildungseinrichtungen (Schule, Internat, Museum etc.) mit ihren je spezifischen Subjektivierungs- und Adressierungspraktiken. Darüber hinaus betreiben wir grundlagentheoretische Studien zur conditio humana und suchen die Selbstbeobachtung des pädagogischen Diskurses zu stimulieren; zu diesem Zweck wenden wir uns auch dessen Geschichte und Eigenlogik zu.
Da auch der internationale Bildungsbereich von Machtstrukturen durchzogen ist, gilt unser Interesse in gleicher Weise der Veränderung pädagogischer Interaktionen unter den Bedingungen der Globalisierung und der Entstehung neuer Bildungsregime. So prüfen wir das Verhältnis von Kontingenz und Systematik pädagogischer Theorien und Praktiken im Rückgriff auf aktuelle Theorien zu Transnationalität und Transkulturalität. Dabei beschäftigen wir uns zum einen mit der Frage nach den (historischen) Bedingungen des Aufstiegs neuer, transnational agierender Akteure, die häufig ohne bildungsspezifisches Mandat operieren. Zum anderen untersuchen wir in international vergleichender Perspektive, ob und auf welche Weise sich supranationale Bildungsprogramme in unterschiedlichen Kontexten durchsetzen. Auf diese Weise geraten nicht nur je spezifisch nationale, regionale oder lokale Appropriationsprozesse in den Blick; auch kulturelle Idiosynkrasien und globale Akteurskonstellationen als dominante „networks of power“ werden so sichtbar.
In der Lehre bieten wir neben Vorlesungen zu Grundbegriffen und Schlüsselfragen der Erziehungswissenschaft zahlreiche Seminare in den Bereichen Bildungstheorie, Bildungsgeschichte, Pädagogische Anthropologie, Ethik und Ästhetik an. Ergänzt werden die Angebote für Studierende der Bachelor- und Masterstudiengänge um solche, die für die Lehramtsstudierenden konzipiert sind: In diesen machen wir die Schule zum Gegenstand und diskutieren Theoriemodelle, die anspruchsvolle Zugänge zur Analyse schulischer Lern- und Bildungsprozesse ermöglichen.
Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass wir auch das Studium selbst als Bildungsprozess begreifen. Und dies gilt auch für diejenigen, die Vorlesungen halten, Seminare anbieten oder Abschlussarbeiten betreuen: Auch sie müssen sich immer wieder aufs Neue riskieren und bleiben den Themen, die sie zum Gegenstand von Lehrveranstaltungen machen, gegenüber nicht indifferent.
Die Allgemeine Pädagogik ist in folgenden Studiengängen am Institut für Erziehungswissenschaft vertreten:
- Bachelor of Arts Erziehungswissenschaft (Haupt- und Nebenfach)
- Staatsexamen Sozialpädagogik/Pädagogik und allgemeinbildendes Fach
- Master of Arts Forschung und Entwicklung in der Sozialpädagogik/Sozialen Arbeit
- Master of Arts Schulforschung und Schulentwicklung
Seit dem Wintersemester 2017/18 bietet die Abteilung Allgemeine Pädagogik den Studiengang "Bildung und Erziehung: Kultur - Politik - Gesellschaft" (M.A.) an.
Näheres dazu ist den jeweiligen Prüfungsordnungen und Modulhandbüchern zu entnehmen.