Diese ersten Analysen legen einige Schlussfolgerungen im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen der Systemrelevanz beruflicher Tätigkeiten und deren Anerkennung nahe.
Erstens spielt bei Unterschieden in der finanziellen Situation vor allem die objektive Systemrelevanz eine Rolle, während bei der wahrgenommenen Anerkennung im Arbeitsumfeld die subjektive Systemrelevanz die größere Bedeutung hat. Für die wahrgenommene gesellschaftliche Anerkennung sind beide Sichtweisen von Systemrelevanz von Bedeutung.
Zweitens wird die gesellschaftliche Anerkennung einheitlicher wahrgenommen als die Anerkennung im Arbeitsumfeld. Dies ist aufgrund der stärkeren Ausdifferenzierung individueller Arbeitsbedingungen erwartbar.
Drittens haben systemrelevante Tätigkeiten im Zuge der Corona-Krise tendenziell an wahrgenommener Anerkennung sowohl gesellschaftlich als auch im Arbeitsumfeld hinzugewonnen. Die umfangreiche Debatte um die hohe Bedeutung dieser Berufe ist insofern “angekommen”. Und dennoch: Personen, die systemrelevante Berufe ausüben, stehen immer noch ganz unten in der “Anerkennungshierarchie”.
Viertens lässt sich nicht bestätigen, dass Befragte mit systemrelevanten Tätigkeiten tendenziell schlechter gestellt sind in Bezug auf ihre finanzielle Situation. Zudem zeigen sich weniger finanzielle Verluste bei Personen in systemrelevanten Tätigkeiten während der Corona-Pandemie, höchstwahrscheinlich da versorgungsrelevante Bereiche weitgehend von pandemiebedingten Schließungsmaßnahmen ausgenommen waren.
Insofern deutet sich an, dass eine finanzielle Besserstellung allein das deutliche Defizit an wahrgenommener gesellschaftlicher Anerkennung bei systemrelvanten Tätigkeiten nicht beheben kann. Vielmehr ist es wohl notwendig, die Arbeitsbedingungen und auch den gesellschaftlichen Diskurs über den Beitrag von systemrelevanten Berufsgruppen zu einem gelungenen Zusammenleben stärker in den Blick zu nehmen. Allerdings deutet die größere Streuung der finanziellen Situation von Personen in systemrelevanten Tätigkeiten darauf hin, dass zumindest in einigen systemrelevanten Berufsgruppen eine bessere Bezahlung durchaus angezeigt ist. Das dürfte vor allem die Pflegeberufe, aber auch den Bereich gering qualifizierter, aber hochgradig versorgungsrelevanter Tätigkeiten zum Beispiel in der Logistikbranche (so genannte “Basisarbeit”) betreffen.
Ausblick- Ausgehend von diesen ersten Befunden werden wir im nächsten Schritt genauer untersuchen, welche spezifischen Berufsgruppen sich selbst eher als systemrelevant wahrnehmen, und inwieweit diese heterogenen Wahrnehmungen auf beruflicher Ebene mit Unterschieden in der wahrgenommenen Anerkennung in Zusammenhang stehen. Besondere Aufmerksamkeit werden wir gerade vor dem Hintergrund der Befunde zur ausgeprägt heterogenen finanziellen Situation von systemrelevant Erwerbstätigten auf den Bereich der versorgungsrelevanten Basisarbeit legen. Mehr dazu berichten wir demnächst an dieser Stelle.