Wintersemester 2019/2020

Mittwochs, 18:15 Uhr im Ernst von Sieglin Hörsaal, Schloss Hohentübingen

30.10.2019 Frank Willer (Bonn)

"Ins Visier genommen". Neue technologische Forschungen zu Gladiatorenhelmteilen aus Nijmegen und Xanten

Im Bestand des Museums Het Valkof in Nijmegen sowie im LVR-LandesMuseum Bonn befinden sich Teile von Gladiatorenhelmen. Im Rahmen einer Sonderausstellung "Gladiatoren, Helden des Kolosseums"  wurden diese erstmals 2016/2017 im Museum Het Valkof in Nijmegen gemeinsam ausgestellt.  Was hier zum ersten Mal auffiel war, dass beide Helmteile mit sehr ähnlichen Tierhatzszenen verziert worden waren. Solche Tierszenen sind an Gladiatorenhelmen zuvor noch nicht beobachtet worden. Dies ließ vermuten, dass beide Helmteile wohlmöglich werkstattverwandt sein könnten, obwohl Ihre Fundstellen, der Fluss Waal bei Nijmegen und das Legionslager in Xanten etwa 50 Kilometer voneinander entfernt liegen. Gladiatorenhelme sind in archäologischen Kontexten recht selten. Sie ermöglichen wichtige Hinweise zur römischen Gladiatur. Daher wurden beide Helmteile am LVR-LandesMuseum Bonn einer umfangreichen herstellungstechnischen Untersuchung unterzogen. Dies ermöglichte neue Einblicke in Fertigungstechniken, der Verwendung und Zerstörung, wodurch das Rätsel beider Helmteile gelöste werden konnte.

 

04.12.2019 Dr. Raffaella Da Vela (Tübingen)

Zur sozialen Bedeutung internationaler Vorbilder in der spätetruskischen Grabarchitektur am Beispiel der tonnengewölbten Kammergräber.

Die aus Etrurien bekannten tonnengewölbten Kammergräber liegen überwiegend in der Region um dem Trasimenischen See herum und stellen eine Ausnahme in der etruskischen Grablandschaft dar. Trotz mehrerer Versuche, diese Gräber auf bestimmte großgriechische oder makedonische Vorbilder zurückzuführen, zeigt die Formanalyse, dass sie nicht nach einem einheitlichen Schema betrachtet werden können. Zudem ist der chronologische Rahmen nicht einheitlich, sondern liegt zwischen der Mitte des 3. und der Mitte des 1. Jhs. v. Chr. Die Monumentalität dieser Sonderform muss eine tragende Rolle als Kommunikationsträger gespielt haben. Im hellenistischen Osten wie auch in Süditalien und Etrurien sind tonnengewölbten Kammergräber häufig von weiteren Prestige-Merkmalen geprägt, wie architektonisch geschmückten Fassaden, Wandmalereien und reichen Grabausstattungen. Welche ist die soziale Bedeutung dieser Grabarchitektur innerhalb der spätetruskischen lokalen Gemeinschaften? Auf welche politischen und sozialen Akteure können diese Gräber zurückgeführt werden? Welche Rolle spielten die Auftraggeber in der Auslese und Reinterpretation internationaler Vorbilder? Diese Fragestellungen werden durch die Analyse der sozialen Bedingungen und der landschaftlichen Einbindung der Gräber und einer erneuten Auswertung der epigraphischen und materiellen Kontexte untersucht.

11.12.2019 Prof. Dr. Luisa Musso (Rom)

Oltre Lepcis Magna (Libia): i mausolei del predeserto tripolitano. Una affermazione di diversità culturale?

18.12.2019 Dr. Britta Özen-Kleine (Saarbrücken)

Kaunos – Neue Forschungen zur Siedlung und zum Aphrodite-Heiligtum im 6. und 5. Jh. v. Chr.

Kaunos gehört zu den bedeutenden antiken Städten in der kleinasiatischen Landschaft Karien. Das Bild der Stadt wird heute vor allem durch die erhaltenen Bauten und Monumente aus der spätklassisch-hellenistischen Epoche sowie der römischen Kaiserzeit geprägt. Sehr wenig ist bisher über die archaische und frühklassische Siedlung bekannt. Der Vortrag widmet sich zwei Aspekten des frühen Kaunos: Im ersten Teil werden die neuen Forschungen zur allgemeinen Lage und Struktur der Siedlung des 6. und 5. Jhs. v. Chr. behandelt. Im zweiten Abschnitt des Vortrages steht das Aphrodite-Heiligtum im Mittelpunkt, dessen Anfänge bis in archaische Zeit zurückreichen. Vorgestellt werden die Ergebnisse aus drei Grabungskampagnen, die im Rahmen eines fortlaufenden Forschungsprojektes zum Kult und zur architektonischen Gestaltung des Heiligtums der Aphrodite durchgeführt wurden.

08.01.2020 Dr. Anne Sieverling (Mainz)

Antike Litfaßsäulen. Die Säulen des Heraions von Olympia als Informationsträger

Der Heratempel am Fuße des Kronion ist bekanntermaßen der älteste Tempel im panhellenischen Heiligtum Olympia. Seine zentrale Bedeutung im Laufe der Jahrhunderte zeigen unter anderem die verschiedenen Einlassungen auf dem Stylobat für Stelen und Skulpturen und die von Pausanias beschriebene Aufstellung respektive Ausstellung mehrerer Skulpturen, die durch den Fund des Hermes mit dem Dionysosknaben des Praxiteles bestätigt werden konnte. Ein sehr seltenes Phänomen zeigen die Säulen des Heraions, die nicht nur sukzessive ausgetauscht wurden, sondern auch Einlassungen von unterschiedlicher Größe und Form aufweisen. Deren Anbringungskonzept, Wirkung und Bedeutung werden im Rahmen des Tübinger Abendcolloquiums der Klassischen Archäologie vorgestellt.

15.01.2020 Prof. Dr. Hans Rupprecht Goette (DAI Berlin)

Aigina jenseits von Kolonna und Aphaia

Der Vortrag schildert in einem ersten Teil die Forschungsarbeiten am Oros von Aigina im Bereich des Zeus-Heiligtums. Diese gehen zurück auf erste Forschungen des damaligen Reisestipendiaten L. Curtius, der 1905 seinen Lehrer A. Furtwängler bei dessen Ausgrabungen im Aphaia-Heiligtum besuchte, und auf die ausgedehnteren Untersuchungen von G. Welter in den 1930er Jahren. Im Zentrum stehen dabei die Dokumentation der erhaltenen Ruinen, deren Datierung und Interpretation im Rahmen von Kultablauf und Geschichte der Insel Aigina. Ein zweiter Teil des Vortrages widmet sich dann Ergebnissen einer Oberflächenbegehung von Aigina außerhalb der gut erforschten Areale. Diese Untersuchungen fußen auf ersten (bislang unpublizierten) Surveys von H. Thiersch in den Jahren 1905-1907, die mit eigenen Forschungen und Interpretationen aus Kampagnen Ende der 1990er Jahre erweitert wurden. Ziel ist, den 'Rest von Aigina' abseits des Hauptortes mit der Grabung auf der Kolonna-Halbinsel und außerhalb des Aphaia-Heiligtums näher kennenzulernen, also die Kult-Topographie, die Infrastruktur und einige Zeugnisse des täglichen Lebens in der Antike.

22.01.2020 Dr. Elisa Bazzechi (Würzburg)

signa marmorea – Form, Präsentation und Semantik der Skulpturenausstattung spätantiker Wohnhäuser in Ostia

Skulpturen aus Marmor prägten noch in der Spätantike das Bild anspruchsvoller Villen und Stadthäuser. Sie können als Zeichen, als signa marmorea, innerhalb eines visuellen Kommunikationsprozesses verstanden werden, die konkrete Botschaften vermitteln konnten. Die Zusammensetzung dieser Skulpturenausstattungen, ihre Präsentation und ihre Semantik werden nun im Rahmen eines DFG-Projekts am Beispiel von zehn spätantiken domus von Ostia untersucht, die aufgrund des Erhaltungszustands der Objekte und der Möglichkeit, anhand der Grabungstagebücher den ursprünglichen Aufstellungskontext zu rekonstruieren, ein besonderes Potential aufweisen.

 

29.01.2020 Prof. Dr. Corinna Reinhardt (Erlangen)

Ephemere Bilder – zur Verwendung von hellenistischen Nike- und Eroten-Terrakotten im Grabbereich

Terrakottafiguren sind ein bekanntes und häufiges Phänomen hellenistischer Grabfunde. Lange jedoch allein auf ihre Bedeutung als Grabbeigabe untersucht, wurde ihre mögliche Verwendung im Grabritual wenig in Betracht gezogen. Gerade die zahlreich erhaltenen Nike- und Eroten-Terrakotten mit unterschiedlichen Objekten in den Händen zeigen jedoch hier Perspektiven auf, diesem archäologisch schwer greifbaren Bereich zumindest in Einzelfällen näher zu kommen. Es soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Verwendung dieser Terrakotten im Grabritual Einblicke in die ephemere, bildliche Inszenierung des Leichnams geben und den oder die Verstorbene(n) charakterisieren und erhöhen.

05.02.2020 Dr. Sebastian Prignitz (Wien)

Bauurkunden und Bauprogramm von Epidauros (Band II = die jüngeren Urkunden 350-300)

Die Bauurkunden aus dem Asklepiosheiligum von Epidauros (IG IV² 102-120), die Rechenschaft über Einnahmen und Ausgaben der örtlichen Baubehörden geben, stammen aus der Zeit zwischen 400 und 300 v.Chr. Ihre Neuedition erfolgt in zwei Bänden, deren erster (erschienen 2014) von den früheren Urkunden zwischen 400 und 350 v.Chr. handelt, während ein zweiter (Publikation in Vorbereitung) Neuedition und Kommentierung der späteren Texte (350-300 v.Chr.) enthalten wird.

Nach dem Bau der wichtigsten Gebäude im Zentrum des Heiligtums (400-390: Asklepiostempel, 380-350: Tholos, bis 370: Kultbild, 365-360: Klassisches Brunnenhaus) ging man ab der Mitte des 4. Jahrhunderts dazu über, weitere Tempel (des Apollon, der Aphrodite, der Artemis) sowie Nutzbauten (Unterkunfts- und Wohnhäuser, Verwaltungsbauten, Bäder) zu errichten. Erhalten oder teilweise erhalten blieben die Bauabrechnungen des Theaters, des Aphroditetempels, der Kleisia („Gymnasium“), die Abrechnungen für die Gebäude im Heiligtum des Apollon Maleatas sowie „Sammelabrechnungen“ für verschiedene Nutzbauten wie die ἐπὶ Κυνὸς σκανάματα.

Der Vortrag stellt die neu bearbeitete Bauurkunde des Aphroditetempels (IG IV² 106) sowie die vier Bauurkunden des Apollon Maleatas - Heiligtums (zwei publizierte und zwei neue Texte) vor und geht auf die Besonderheiten der Bauten und ihrer Errichtung ein, die aus den Texten hervorgehen. Am Schluss soll ein Überblick über die Baugeschichte des Heiligtums stehen.

 


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