Untersuchungen zur Taphonomie mineralisierter Textilien aus archäologischem Kontext
Aus der spätbronzezeitlichen Königsgruft von Qatna/Tell Mišrife (Syrien) sind kleinste Textilfragmente erhalten, die über drei Jahrtausende verschiedenen und in dieser Form seltenen Mineralisierungsprozessen unterlagen. Die über 400-jährige rituelle Nutzung der Grabanlage bis zu den letzten lokalen Herrschern wurde mit der Palastzerstörung infolge hethitischer Angriffe um 1340 v. Chr. abrupt beendet. Begraben unter meterhohe Schuttmassen blieb der Gruftzugang bis zur Wiederentdeckung im Jahr 2002 unberührt.
Was passierte im Verlauf der mehr als 3000 Jahre, von den letzten Handlungen in der Gruft bis zu ihrer archäologischen Entdeckung? Welche Prozesse sind für die Erhaltung, die Umwandlung oder das Fehlen bestimmter Fundgattungen verantwortlich? Lassen sich anhand des Erhaltungszustands der Textilien und assoziierender Mikrostrukturen natürliche von anthropogenen Einflüssen unterscheiden und damit rituelle und paläoklimatische Vorgänge in der Gruft rekonstruieren? Diese archäologisch-taphonomischen Fragen sind Ausgangspunkt und zugleich methodischer Wegweiser der geplanten Pilotstudie und sollen unter Beteiligung von Forschern unterschiedlicher Spezialkompetenz mit Methoden der Forensik, Archäometrie, Geoarchäologie und Paläontologie geklärt werden.
Im Fokus der Untersuchungen stehen Mikrofunde als bislang unterrepräsentierte archäologisch-historische Quelle, woraus sich neue Ansätze hinsichtlich der Datenauswertung archäologischer Grabungen ergeben. Das Forschungsvorhaben ist zudem als Leuchtturmprojekt konzipiert, um einerseits dauerhafte, fächerübergreifende Verbindungen zwischen den Altertumswissenschaften, der Forensik und der organischen Archäometrie zu etablieren. Andererseits werden tragfähige Konzepte zum Umgang mit organischen Mikrofunden in der Vorderasiatischen Archäologie entwickelt, die auch auf andere Disziplinen der Altertumswissenschaften übertragbar sind.