25. September – 27. September 2023
mit Thomas Filk, Jürgen Hasse, Holger Lyre
Inhalte
An unsere Summer School „Zeitweilen. Temporalität aus interdisziplinärer Sicht" anknüpfend, organisiert das TFW auch in diesem Jahr eine interdisziplinäre Summer School, die nun das Phänomen des Raums und die unterschiedlichen Raumkonzepte in den Wissenschaften in den Blick nehmen will.
In den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften ist in jüngerer Zeit vermehrt die Rede vom sogenannten „spatial turn". Im 19 Jh. meinen noch zahlreiche Beobachter die schwindende Bedeutung oder gar Überwindung des Räumlichen feststellen zu können. Denn, so das Argument, der globale Ausbau von Kommunikations- und Transportwegen lasse Entfernungen und Grenzen obsolet werden. Von dieser Diagnose hat man mittlerweile Abstand genommen. Vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten rückt der Raum zunehmend in den Fokus der Forschung und wird nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt. Die Soziologie etwa macht darauf aufmerksam, dass er keine natürliche, an sich bestehende Gegebenheit darstellt, sondern ein Produkt sozialer Prozesse und Praktiken. Wer in Manhatten oder in den Slums Delhis wohnt, wird womöglich Raum anders erfahren, eine andere Infrastruktur nutzen und über ganz andere Möglichkeiten der Mitgestaltung derselben verfügen.
Die Geographie wiederum ist über einen längeren Zeitraum hinweg als die Raumwissenschaft schlechthin aufgefasst worden. Das liegt daran, dass Räumlichkeit hier nicht bloß ein Inhalt neben anderen ist, sondern dass diese zur geographischen Forschungsweise selbst gehört, geht es doch um die kartographische und geostatische Erfassung der räumlichen Ausdifferenzierung der Erdoberfläche. Die Humangeographie im Besonderen erforscht Raum unter dem Gesichtspunkt der Wechselwirkung zwischen landschaftlichen Prozessen und menschlichen Handlungen. Im Zentrum steht also die Frage, wie räumliche Strukturen das Leben von Gesellschaften und Individuen formen und beeinflussen.
Die moderne Physik lässt unser alltägliches Raumverständnis im Sinne eines Behälters, in dem die Dinge vorkommen, wie auch die Newtonsche Vorstellung von Raum als absoluter Größe hinter sich. Spätestens seit der Relativitätstheorie Einsteins gilt, dass Raum nicht unbeweglich, gleichbleibend und von den Objekten unabhängig ist, sondern strikt relational gedacht werden muss. Ein grundlegendes Problem bleibt dennoch bestehen: Selbst die Relativitätstheorie bietet keine fundamentale Theorie von Raum, Zeit und Materie, die alle Beobachtungen restlos erklären und diese Begriffe eindeutig definieren könnte.
15 Studierende und Promovierende werden mit vier renommierten Vertretern dieser Disziplinen über diverse Fragen der Raumforschung ins Gespräch kommen: Prof. Dr. Thomas Filk (Physik), Prof. Dr. Jürgen Hasse (Humangeographie) und Prof. Dr. Holger Lyre (Philosophie).