Forschung
Liebe und Tod bei Karoline von Günderrode - Der Versuch einer auf Kohärenzen ausgelegte Werkbiographie (Arbeitstitel)
„Wem also der innere Sinn, das Auge des Geistes, aufgegangen ist, der sieht dem Andern unsichtbare mit ihm verbundene Dinge.“
– Die Manen –
Karoline von Günderrode (1780-1806) lebte kein ungewöhnlich restriktives Leben – für eine Frau ihrer Zeit. Umso ungewöhnlicher erscheint dagegen ihr literarisches Werk, das die der Weiblichkeit zugedachten Bereiche aufsprengt.
Lesen, Schreiben und Dichten dienen der Autorin als Krisenbewältigung und ermöglichen es ihr, sich mithilfe von Sprache über die Schranken ihrer Wirklichkeit hinweg zu setzen. Die Reaktion auf eine Umgebung, die Günderrode ein Dasein nach ihren Wünschen verwehrt, ist also keinesfalls passiv. Wissensdurstig beschäftigt sie sich mit literarischer und philosophischer Lektüre, die sich inspirierend auf die Inhalte ihrer eigenen Werke auswirkt. Das Studienbuch und auch der Briefwechsel mit Familienmitgliedern und FreundInnen belegen Günderrodes Beschäftigung mit zahlreichen unterschiedlichen Themen und Autoren.
Es ist richtig, dass in ihrem Leben und auch im Werk die Liebe und der Tod eine herausragende Rolle spielen. Die Forschungsliteratur hat sich jedoch lange Zeit unter der irreführenden Prämisse mit Günderrode beschäftigt, allein ihr Leben sei der Schlüssel zum Werkverständnis. – Wenn auch die Vorteile einer von biographischen Hintergrundinformationen gespickten Werkinterpretation offensichtlich sind, so ist die Unterstellung fragwürdig, der Gehalt Günderrodes Texte sei an die Person der Autorin gebunden. Das in Briefen überlieferte Scheitern von Liebesbeziehungen und der frühe Freitod Günderrodes sind der Ausgangspunkt zahlreicher spekulativer Texte, die das Ende der Autorin als interpretatorischen Fluchtpunkt auszumachen versuchen.
Um der inhaltlichen und formalen Vielfalt der Texte gerecht zu werden, ist es jedoch unausweichlich diese zunächst einmal für sich allein und dann in Bezug auf ihre Quellen zu untersuchen – die Biographie sollte dabei eine kontextualisierende und keine definierende Rolle einnehmen.
Mit diesem Dissertationsprojekt soll der Versuch unternommen werden, eine Werkbiographie zu verfassen, die Günderrodes rotem Faden folgt: Liebe und Tod. Dabei soll ein Fokus auf werkimmanenten Kohärenzen liegen. Insbesondere bei den zu Günderrodes Lebzeiten erschienenen Werken Gedichte und Phantasien und Poetische Fragmente soll außerdem die Anordnung untersucht werden, die sich als zyklisch beschreiben lässt.