Entwicklungspsychologie

Prof. Dr. Claudia Friedrich

Forschungsprojekte

2024-2027 "Stressverarbeitung auf Wortebene bei Kindern mit unterschiedlichem Sprachhintergrund", gefördert durch die DFG 

In vielen Sprachen wird typischerweise eine Silbe innerhalb eines Wortes besonders hervorgehoben, d.h. sie wird betont. Während einige Sprachen die Betonung sehr strikt einer bestimmten Silbenposition innerhalb eines Wortes zuordnen, lassen andere Sprachen Variation zu. Unter den Sprachen, die Variation der Silbenbetonung zulassen, zeigen einige eine bevorzugte Position der betonten Silbe. Andere Sprachen zeigen dagegen fast keine Einschränkungen bei der Betonungszuweisung. Die Fähigkeit Erwachsener, unterschiedliche Muster der Silbenbetonung flexibel zu verwenden, steht in Zusammenhang mit der Betonungszuweisung ihrer Erstsprache (L1). Erwachsene mit einer L1 mit relativ laxen Restriktionen bei der Betonungszuweisung nutzen die Silbenbetonung sowohl in der L1 als auch in einer Zweitsprache (L2) effektiv. Erwachsene mit einer L1, die strikter in der Betonungszuweisung ist, zeigen eingeschränkte Fähigkeiten bei der Verwendung der Silbenbetonung. In unserem Projekt untersuchen wir, ob sich die Sprachverarbeitung in der Kindheit auf die Betonungsmerkmale der L1 festlegt. Dafür vergleichen wir die Nutzung der Silbenbetonung für die Worterkennung bei (i) monolingualen Kindern und bei (ii) bilingualen Kindern, die Deutsch als L2 im zweiten Lebensjahr oder später erworben haben. (i) Bei monolingualen Kindern testen wir die Verarbeitung muttersprachlicher Wörter bei richtiger und falscher Betonung. Kinder mit der L1 Tschechisch (eine Sprache die keine Betonungsvariation zulässt) sollten weniger empfindlich auf Betonungsverletzungen reagieren als Kinder mit der L1 Deutsch (eine Sprache die Betonungsvariation zulässt). (ii) Bei bilingualen Kindern wollen wir prüfen, ob eine strengere oder laxere Betonungszuweisung in der L1 die Verwendung der Silbenbetonung zur Worterkennung in der L2 Deutsch moduliert. Bilinguale Kinder mit einer L1, die in der Betonungszuweisung strenger ist als die deutsche Sprache, sollten weniger empfindlich auf eine inkorrekte Betonung reagieren als Kinder mit der L1 Deutsch. Bilinguale Kinder mit einer L1, die in der Betonungszuweisung laxer ist als die deutsche Sprache, sollten empfindlicher auf eine inkorrekte Betonung reagieren als Kinder mit der L1 Deutsch. Wir untersuchen die Fragestellung mittels Augenbewegungen der Kinder in einem "Looking-while-listening"-Paradigma. Die Teilnehmenden sehen ein bekanntes Objekt und ein neues Objekt und hören den Namen des bekannten Objektes entweder richtig oder falsch betont. Die Studie soll herausfinden, ob die Verwendung von Betonungshinweisen auf Wortebene in einer L2 von den Betonungsmerkmalen der L1 der Kinder moduliert wird und ob dies von dem Alter abhängt, in dem sie die L2 erlernt haben. Die Ergebnisse sollen zeigen, ob es eine sensible Phase für die Anpassung des Verarbeitungssystems an prosodische Merkmale der Zielsprache(n) gibt.

2020-2023, Projekt B1 "Die Entwicklung modaler und amodaler Repräsentationen" der Forschergruppe "Modale und Amodale Kognition: Funktionen und Interaktionen" (FOR 2718) an der Universität Tübingen, gefördert durch die DFG (Antragstellerinnen: Prof. Dr. Claudia Friedrich und Dr. Donna Bryce, https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/mathematisch-naturwissenschaftliche-fakultaet/fachbereiche/psychologie/forschung/research-unit/)

Dieses Projekt betrachtet den Erwerb und die Funktionalität modaler und amodaler Repräsentationen aus der Perspektive der ontogenetischen Entwicklung. Es wird untersucht, ob das sich entwickelnde kognitive System modale und amodale Repräsentationen zu unterschiedlichen Zeitpunkten generiert und nutzt. Die Literatur der Entwicklungspsychologie beschreibt zwei Entwicklungsverläufe im Hinblick darauf wie und wann amodale Repräsentationen entstehen könnten. Klassische Theorien der kognitiven Entwicklung nehmen eine fortschreitende Abstraktion auf der Basis modaler Repräsentationen im Verlauf der Kindheit an. Alternative Ansätze gehen von rudimentären amodalen Repräsentationen aus, die bereits sehr früh in der Entwicklung zur Verfügung stehen und modale Repräsentationen für neue Erfahrungen strukturieren. Das geplante Projekt untersucht die beiden postulierten Entwicklungsverläufe über die Kindheit für drei unterschiedliche kognitive Domänen in drei Arbeitseinheiten: Erstens wird die Entwicklung der Rolle sensomotorischer Aspekte bei der Sprachverarbeitung verfolgt, zweitens wird die Entwicklung kognitiver Mechanismen, die der Größenschätzung unterliegen geprüft und drittens wird die Entwicklung exekutiver Kontrollprozesse untersucht. Unterschiedliche Entwicklungsverläufe in den einzelnen Domänen sollen Aufschluss darüber geben, unter welchen Bedingungen die beiden Repräsentationsformate im Verlauf der kindlichen Entwicklung verfügbar sind und genutzt werden. Damit soll das Projekt das Verständnis über die Funktion beider Repräsentationsformate vertiefen.

2017-2021, Teilprojekt B9-N "Nicht-wörtliche Bedeutung in den Griff bekommen: dynamisches Verstehen von idiomatischen Ausdrücken bei Sprachlernenden" im Sonderforschungsbereich 833 - Bedeutungskonstitution - "Dynamik und Adaptivität sprachlicher Strukturen" an der Universität Tübingen, gefördert durch die DFG (Antragstellerinnen: Prof. Dr. Claudia K. Friedrich & Prof. Dr. Andrea Weber, http://gepris.dfg.de/gepris/projekt/384871175)

Idiome verdeutlichen, dass Sprache eine Bedeutung über die wörtliche Interpretation hinaus erzeugen kann. Dies verdeutlich der Satz: Sarah hat es in den Griff bekommen. Obwohl dieser Satz wörtlich genommen bedeuten kann, dass Sarah etwas mit Ihrer Hand zu greifen bekommen hat, ist eine nicht-wörtliche Interpretation in der Sarah etwas gemeistert hat oder kontrollieren kann mindestens ebenso wahrscheinlich (etwa in dem Kontext von Sarah hatte Prüfungsangst). Wie kommen wir zu dieser nicht-wörtlichen Bedeutung, die sich nicht direkt aus den Bedeutungen der Einzelelemente des Satzes erschließen lässt? Welche Rolle spielt die wörtliche Bedeutung in diesen Fällen überhaupt? Und wie verändern Kontext und Sprachfertigkeit die Prozesse der Bedeutungskonstitution? Um diesen Fragen nachzugehen testet Projekt B9 Erst- und Zweitsprachlerner in einer Serie von behavioralen und neurolinguistischen Sprachexperimenten mittels Reaktionszeiten, Augenbewegungen und Ereignis-korrelierten Potentialen (EKPs). Wir verfolgen dabei die Hypothesen, dass (i) erfahrene Hörer die wörtliche und nicht-wörtliche Bedeutung gleichzeitig aktivieren, dass (ii) sich diese parallele Aktivierung aus sequentieller Verarbeitung im Kindesalter entwickelt, und dass (iii) die Stärke und der Zeitpunkt der Aktivierung der nicht-wörtlichen Bedeutung in verschiedenen linguistischen und situativen Kontexten dynamisch variiert.

2008-2014 "Parallel aktivierte lexikalische Netzwerke und ihr Erwerb in der frühen Kindheit", gefördert durch den ERC

Die Nachwuchsgruppe verfolgte die Verarbeitung gesprochener Sprache vorwiegend im ersten Lebensjahr. Wir konnten im Entwicklungsverlauf parallel arbeitende Systeme aufzeigen. Bereits mit drei Monaten zerlegen die Sprach-Neulinge Sprache in einzelne Sprachlaute und die Silbenbetonung. Zunächst fokussieren sie auf Regelhaftigkeiten der Silbenbetonung. Ab dem zweiten Lebenshalbjahr spielen die Sprachlaute und ihr gemeinsames Auftreten in Wörtern eine immer größere Rolle. Separate Systeme zur Verarbeitung von Sprachlauten und Silbenbetonung konnten wir auch bei Erwachsenen zeigen.

Publikationen:

2006- 2013 "Plastizität neuronaler lexikalischer Repräsentationen in Abhängigkeit vom Schriftspracherwerb", gefördert durch die DFG (SPP1234) (Antragstellerinnen Dr. Claudia Friedrich und Prof. Dr. Brigitte Röder, http://gepris.dfg.de/gepris/projekt/25022655)

Im Rahmen des Schwerpunktprogramms "Sprachlautliche Kompetenz: Zwischen Grammatik, Signalverarbeitung und neuronaler Aktivität" haben wir gezeigt, dass die Verarbeitung gesprochener Sprache durch das Lesenlernen moduliert wird. Lesende Kinder differenzierten Sprachlaute stärker, als Kinder die noch nicht lesen konnten (Schild et al., 2010). Die betraf insbesondere solche Informationen im Sprachsignal, die zur Unterscheidung von Buchstaben notwendig sind. Keine Unterschiede zwischen lesenden und noch-nicht-lesenden Kindern fanden wir für die Wortbetonung, eine Information im Sprachsignal, die nicht in der Schriftsprache enthalten ist.

Publikationen:

2007-2008 "Neuronale Sprachverarbeitung bei Schülerinnen und Schülern mit Förderschwerpunkt Hören, die bilingual - in Deutscher Gebärdensprache (DGS) und in Lautsprache - unterrichtet werden", gefördert durch das BMBF (Antragstellerinnen: Dr. Claudia Friedrich, Dr. Barbara Hänel-Faulhaber und Prof. Dr. Brigitte Röder)

An der Schnittstelle zwischen Gehörlosenpädagogik und Kognitiver Neurowissenschaft untersuchten wir den Einfluss sowohl des Alters beim Erst- und Zweitspracherwerb als auch der Modalität der Erstsprache auf die Verarbeitungseffizienz und neuronale Organisation von Sprachen. Insbesondere interessierten uns gehörlose Kinder, die als Erstsprache die Deutsche Gebärdensprache erworben haben. Wir konnten zeigen, dass diese Kinder Gebärden automatisch für das Lesen in ihrer Zweitsprache (Deutsche Schriftsprache) nutzen.