Koreanistik

Transnational Demokratisierung: Kirchen, NGOs und Diaspora zwischen Deutschland und Südkorea

Der Kampf gegen die Diktatur und für die Demokratisierung Südkoreas wurde während der 1960er, 1970er und 1980er Jahre im Land selbst ausgefochten, jedoch auch in erheblichem Maße durch zivilgesellschaftliche Solidaritätsbewegungen vor allem in den USA, Japan und Deutschland mitgetragen. Diese historische Erfahrung des erfolgreichen Zusammenspiels zwischen dem internen Kampf für Demokratie in einem Land des globalen Südens und den transnationalen Solidaritätsbewegungen in den Ländern des globalen Nordens ist auch für die Demokratieforschung an sich von Bedeutung. 

Südkorea zählt zu den Ländern, in denen die Transition zur Demokratie während der sog. „dritten Welle“ der Demokratisierung zustande kam. Im Kontrast zu anderen Ländern, die in einen Regressionsmodus fielen, konnte sich das demokratische System in Südkorea trotz einiger Rückschläge konsolidieren. Die bisherige Forschung über diesen Demokratisierungsprozess befasst sich jedoch vorwiegend mit einheimischen Akteur*innen und internen Dynamiken der Geschehnisse. Die transnationalen Determinanten werden dabei kaum beachtet, geschweige denn systematisch untersucht. 

Das Ziel des Forschungsprojektes liegt darin, anhand einer systematischen Untersuchung zu zeigen, wie der Demokratisierungsprozess in Südkorea durch die Aktivitäten diverser transnationaler Organisationen und Netzwerke mitbestimmt wurde, also einen transnationalen Prozess darstellt. Es soll den Demokratisierungsprozess, der über die Grenzen Südkoreas hinaus in transnationalen Netzwerken stattfand, sichtbar und beispielhaft als transnationalen Prozess erkennbar machen. Diesen Prozess betrachten wir als konstitutives Moment in der Durchsetzung der Demokratie in Südkorea. Aus forschungspragmatischer Hinsicht konzentrieren wir uns auf die von Deutschland ausgehenden Initiativen.

Die Transnationalität der Demokratisierungsprozesse Südkoreas entfaltete sich in mehreren Dimensionen; in diesem Projekt sind insb. drei Gruppen Gegenstand der Analyse. (a) Zunächst sind die kirchlichen institutionellen Netzwerke zu nennen, die die Demokratisierungsbewegungen Südkoreas im Sinne der gesellschaftspolitisch engagierten Missionstätigkeit unterstützten. Die Kirchen in Deutschland nutzten auch die globale Organisation des Ökumenischen Rates der Kirchen, um eine Weltöffentlichkeit gegen das Regime in Südkorea zu schaffen. (b) Zu einer zweiten Gruppe gehören die Korea-Solidaritätsbewegungen von deutschen, nicht-kirchlichen zivilgesellschaftlichen Initiativen, wie die von der Korea-Komitee, der Koreagruppe von Amnestie International, Terre des Femmes, Terre des Hommes, ad-hoc Komitees für Freilassung von politischen Gefangenen und Initiativen von Künstler*innen. (c) Die dritte Untersuchungsgruppe stellt die koreanische Diaspora in Deutschland dar, die mit Abstand die größte Community in Europa bildete. Diese bestand aus Arbeitsmigrant*innen aus den 1960er und 1970er Jahren, Auslandsstudierenden und Exilant*innen. Ihr Engagement in politisch-oppositionellen Organisationen für die Demokratisierung in Südkorea war von entscheidender Bedeutung.

In diesem Projekt entstehen drei Monographien. Das Projekt wird geleitet von You Jae Lee.


Zusammenfassungen der Teilprojekte

Die ökumenische Zusammenarbeit der deutschen und koreanischen evangelischen Kirchen für Menschenrechte und Frieden (1965-1998)

Dr. Unsuk Han

Diese Studie soll aufzeigen, wie die koreanische und die deutsche protestantische ökumenische Zusammenarbeit die Kirchen der jeweils anderen Seite von den 1960er bis zu den 1990er Jahren beeinflusst hat. Folgende Fragen werden in diesem Zusammenhang gestellt: Wie funktionierte die Global Governance zur Unterstützung der Demokratisierungs-, Friedens- und Wiedervereinigungsbewegung der koreanischen Kirche, wer waren die Hauptakteure, die die ökumenische Zusammenarbeit ermöglichten, und wie wirkten sich die veränderten internationalen und innenpolitischen Umstände auf die ökumenische Zusammenarbeit aus? Welche Kooperationen und Konflikte gab es zwischen den Konfessionen? Wie entwickelte sich die Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen wie theologische Forschung, soziale Projekte für Arbeiter, Frauen und Jugend sowie Friedens- und Wiedervereinigungsfragen? Wie wirkte sich die koreanisch-deutsche Zusammenarbeit auf die deutsche Kirche aus?

Die transnationale Solidarität für die Demokratisierung Südkoreas - Mit Fokus auf die deutsche Zivilgesellschaft von den 1960er bis zu den 1990er Jahren

Dr. Hyondok Choe

Seit der so genannten Ostberlin-Affäre im Jahr 1967 hat sich die (west-)deutsche Zivilgesellschaft kontinuierlich für die Menschenrechte und Demokratie in Südkorea engagiert. In diesem Sinne hat sie die westdeutsche Regierungspolitik beeinflusst und vor allem entscheidend dazu beigetragen, dass deutsche Medien eine kritische Haltung zum damaligen Militärregime in Südkorea eingenommen haben. Die Studie untersucht die Solidaritätsaktivitäten der deutschen Zivilgesellschaft, darunter das Korea-Komitee, die Korea-Gruppe von Amnesty International, Terre des hommes, Terre des femmes und die zivilgesellschaftlichen Initiativen für die Freilassung von Gefangenen in konkreten Fällen. Eine historische Bewertung dieser Aktivitäten wird auch eine Verortung der Korea-Solidaritätsbewegung innerhalb der westdeutschen Dritte-Welt-Solidarität ermöglichen.

Die Demokratisierungsbewegung der koreanischen Diaspora in Deutschland

Soogab Eoh

Dieses Teilprojekt untersucht die Demokratisierungsbewegung der koreanischen Diaspora in Deutschland in der Zeit der Militärdiktatur in Südkorea (1974–1994). Dabei wird die Bewegung sowohl nach zeitlichen Abschnitten als auch nach verschiedenen Bereichen analysiert, und es werden Veränderungen im Charakter der Bewegung im Laufe der Zeit sowie deren Bedeutung und Grenzen untersucht. Es wird gefragt, was waren die Motive der Akteur*innen, welche Auswirkungen hatten ihre Aktivitäten in Deutschland auf die Demokratisierungsbewegung in Südkorea. Es wird auch thematisiert, welchen verschiedenen staatlichen Repressalien durch die südkoreanische Regierung die koreanische Diaspora selbst in Deutschland ausgesetzt war. Die Studie legt den Grundstein für eine historische Aufarbeitung der Demokratisierungsbewegung für Südkorea durch die koreanische Diaspora in Deutschland, die im engen Austausch und in Solidarität mit deutschen Kirchen, NGOs und politischen Parteien erfolgte.