Arbeitstitel: Priester, Wissen und bischöfliche Kontrolle im zehnten und elften Jahrhundert
Die Geschichte Westeuropas im langen zehnten Jahrhundert (900-1050) ist eine Geschichte des Zusammenbruchs nach der Zersplitterung des karolingischen Reiches, eine chaotische Zeit in Erwartung der Reformen des späteren elften Jahrhunderts. Das deutsch-britische Forschungsprojekt stellt diese Sichtweise in Frage, indem es die Lebenswelt der einfachen lokalen Priester untersucht. Priester fungierten als Vermittler zwischen der allgemeinen Bevölkerung und den Eliten. Um die Art des kulturellen und sozialen Wandels nach der Karolingerzeit zu verstehen und die politischen Entwicklungen dieser Zeit richtig einzuordnen, müssen wir diese lokalen Priester verstehen: ihre Maßstäbe, ihre Einbindung in ihre lokalen Gemeinschaften, ihre wirtschaftliche Stellung, ihr Wissen - und wie sich all diese Dinge veränderten. Bisher wurden jedoch kaum die Ortspriester des zehnten Jahrhunderts untersucht, dafür aber die Bischöfe und die klösterlichen Einrichtungen.
In meinem Teil des Projekts werde ich mich auf das Wissen der Priester konzentrieren. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen Handschriften, die von Priestern für ihre tägliche Routine der liturgischen Feiern und der Seelsorge verwendet wurden. Darüber hinaus werde ich die Kontrollmechanismen untersuchen, mit denen die Bischöfe während des langen zehnten Jahrhunderts das Wissen der Priester in ihrer Diözese verwalten konnten. Die Kombination beider Forschungsstränge wird einen Einblick in das geben, was Priester in einem entscheidenden Moment des Übergangs in der europäischen Geschichte wussten und wissen sollten.