Neuere Geschichte

Landhäuser im Wandel

Gesellschaftliche Transformation in deutschen Regionen, 18.-20. Jahrhundert

Abstract

Das Projekt „Landhäuser im Wandel“ betrachtet einen Zeitraum von rund 200 Jahren und blickt auf drei Regionen Deutschlands: Württemberg, das Rheinland und Brandenburg. Landhäuser bilden hier den Ausgangspunkt einer breitangelegten Untersuchung im Spannungsfeld von Landschaft, Gesellschaft und materieller Kultur. Mikroorientiert, interregional, vom Land und vom Haus aus auf die agency von Menschen und Dingen achtend, verbindet das Projekt aktuelle Ansätze der Agrar- und Mikrogeschichte mit der Country House-Forschung sowie den Akteur-Netzwerk-Theorien.

Projektteam

Projektleitung:

Prof. Dr. Ewald Frie

Dr. Daniel Menning

 

Mitarbeiter/innen:

Anne Sophie Overkamp

Christoph Schlemmer

Kira Keßler

Manuela Mann

 

Hilfskräfte:

Julietta Fricke

Christina Schlaich

Lars Stiegemeyer

Leonie Waldert

Projektbeschreibung

Zwischen 1750 und 1990 fanden zahlreiche politische Transformationsprozesse statt. Genauso beeinflussten ökonomische Umwälzungen im Zuge von Industrialisierung und Mechanisierung der Agrarwirtschaft und gesellschaftliche Umbrüche die Entwicklung von Stadt und Land. Das Projekt beschäftigt sich in diesem Rahmen mit Landhäusern als Orten, in denen solche Veränderungen ausgehandelt und vollzogen wurden, sei es durch eine veränderte materielle Ausstattung nach 1806, durch zunehmende Konflikte zwischen Gutsbesitzern und Gemeinden um 1900 oder durch Debatten über Bodenreformen, Restitutionen und Denkmalschutz nach 1945 bzw. 1990. Gesellschaftliche Transformation ist ein ergebnisoffener Prozess, den das Projekt nicht in den urbanen Zentren, sondern gerade auf dem Land beobachten will.

Unter „Landhaus“ verstehen wir einen repräsentativen Gebäudekomplex abseits der Stadt, eingebettet in die lokale Gesellschaft und Ökonomie, häufig gut sichtbar und nicht selten der Ort für Zusammentreffen und Aushandlungen.

Das Projekt bedient sich einer breiten Quellengrundlage, die nicht nur Familien- und Gutsarchive umfasst, sondern staatliche und kommunale Überlieferungen einbezieht. Durch die Zusammenführung von Forschungssträngen, die bislang chronologisch, sprachlich oder thematisch getrennt waren möchten wir mittels dynamischer Vergleiche und transregionaler Vernetzungsanalysen eine ungewöhnliche Geschichte der Transformation von Landschaft, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat erzählen.

 

Das Projekt wird als Drittmittelprojekt von der Irene und Sigurd Greven Stiftung in Köln finanziert

Das Gesamtprojekt umfasst vier Teiluntersuchungen:

Drei Teiluntersuchungen arbeiten in chronologischen Querschnitten. Sie werden durch eine vierte Längsschnittuntersuchung verbunden. Leitfragen bilden dabei jeweils Orientierungsrahmen und wechselseitige Bezugspunkte:

1. Das Landhaus zwischen Konsum und Patina

Bearbeiter: Anne Sophie Overkamp

Wie wurde die Ausgestaltung von Landhäusern im Zuge der Transformationen der Sattelzeit und des Epochenjahres 1800 praktiziert? Im ersten Teilprojekt werden wechselseitige Einflüsse von Konsum, Komfort, leisure, Kunst, gender und öffentlich-privat-Zuschreibungen in Räumen und Materialien auf das Selbstverständnis der Bewohner hin untersucht.

2. Akteure und ihre Soziabilität im Raumgefüge von Landhäusern, 1880-1930

Bearbeiter: Christoph Schlemmer

Durch welche Akteure, in welchen Räumen, unter welchen Bedingungen und mit welchen Zielen fanden Geselligkeit und Konflikte zwischen Haus, Gutsbetrieb und Gemeinde statt? Das zweite Teilprojekt interessiert sich für Akteurskonstellationen, Raumpraktiken und Soziabilitätsformen zwischen Hausbewohnern, Angestellten und Dorfgemeinde in den Jahren 1880 bis 1930.

3. Bewahren, erhalten oder kann das weg? – Historisierungspraktiken als Ressource in deutsch-deutscher Perspektive (1945-1990)

Bearbeiterin: Manuela Mann

Wie lässt sich der Zusammenhang von Haus und Landschaft darstellen? Das dritte Projekt fragt, über welche Diskurse und Praktiken Landhäuser Zentren von herrschafts- und gesellschaftsgeprägten Landschaften wurden, es nach den Umwälzungen 1945 teils blieben und wie sich Veränderung durch Besitzerwechsel, Flurbereinigungen und Bodenreformen vollzogen.

4. Landhaus und Ökonomie

Bearbeiter: Daniel Menning

Welche Befunde ergeben sich aus einer Untersuchung der Ökonomie des Landhauses über fast 200 Jahre? Die Langzeituntersuchung beobachtet wirtschaftliche Arrangements in den kleinräumigen, um das Landhaus angeordneten ökologischen und sozialen Beziehungen zwischen 1760 und 1940.

Abstract:

Weil das Leben im Landhaus, der dortige Konsum, seine lokale Bedeutung und Verflechtung in die kleinräumige ländliche Gesellschaft, ganz wesentlich durch die Ökonomie mitbestimmt werden, widmet sich die vierte Teiluntersuchung besonders wirtschaftlichen Transformationsprozesse. Es geht aber nicht nur um eine Wirtschaftsgeschichte über einen langen Zeitraum, sondern darum, das Hervorgehen ökonomischer Arrangements aus kleinräumigen, um das Landhaus angeordneten ökologischen Bedingungen und sozialen Beziehungen zu erforschen. Soziale Faktoren, Raum, Konsum und Politik finden als begleitende Elemente für die Transformationen der Wirtschaft und ihre lokale Einbettung Berücksichtigung. Über den Untersuchungsgegenstand hinaus kann das Projekt neue Erkenntnisse für die Diskussionen über Rolle und gesellschaftlichen Einfluss des Adels in Württemberg liefern.

Als Untersuchungsobjekt dient das Rittergut Jebenhausen in der Nähe von Göppingen in Württemberg, das seit dem 17. Jahrhundert im Besitz der Freiherren von Liebenstein ist. Methodisch steht die Verknüpfung statistischen Datenmaterials mit Quellen über ökonomische Praktiken und den daraus resultierenden Effekten vor Ort im Vordergrund. Den Kernbestand bilden hierbei Rechnungsbücher, die von 1759/60 bis 1939/40 überliefert sind. Ergänzt wird das Material durch Rechnungsbeilagen des Gutsarchivs sowie Archivgut der württembergischen Verwaltung, des Kantons Kocher als reichritterlichem Verwaltungsorgan und des Ortsarchivs Jebenhausen.

Virtuelle Ausstellung