Entwicklungspsychopathologie des sozialen Gehirns bei depressiven Störungen im Kindes- und Jugendalter
Laut der social brain-Hypothese (Brothers, 1990) ist das menschliche Gehirn in besonderer Weise dafür ausgestattet mit dem sozialen Umfeld zu interagieren. Weitreichende Teile der Großhirnrinde sind daran beteiligt, wenn Menschen versuchen die Emotionen, Absichten, Wünsche und Einstellungen (Theory of Mind) ihrer Mitmenschen zu entschlüsseln oder mit ihnen mitfühlen (Empathie). Was den meisten Menschen als selbstverständlich erscheint, ist in Wirklichkeit ein hochkomplexer Vorgang, der sich über die ersten beiden Lebensjahrzehnte entwickelt. Patienten mit depressiven Störungen scheinen ihre Mitmenschen oftmals „falsch zu verstehen“. Ungeklärt ist, ob es sich dabei um ein Symptom einer akuten Depression handelt, oder um einen möglichen Risikofaktor für eine Depression. Da sich die Theory of Mind und Empathie, sowie dafür notwendige Vorbedingungen (z.B. Sprache) von Geburt an entwickeln, gehe ich im Theory of Mind-Modell der Depression (Lüttke, 2016) davon aus, dass veränderte sozial-kognitive Fähigkeiten ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Depression sind. Die Annahmen des Theory of Mind-Modells sollen experimentell geprüft werden. In diesem Forschungsfeld beziehen wir (epi-)genetische und neuroendokrinologische Prozesse (z.B. Oxytocin), psychophysiologische (EEG, EMG), Eye-Tracking und bildgebende Verfahren mit ein.