Institut für die Kulturen des Alten Orients

Die Ausgrabungen auf dem Tell el-ʻAbd

In den Jahren 1971-72 unternahm Adnan Bounni, Director of excavations at the DGAM, erste Rettungsgrabungen auf dem Tell el-ʻAbd am Ostufer des Euphrat in der Provinz Raqqa. Bereits damals wurden Funde und Baureste von der Mittelbronzezeit und der hellenistischen Epoche gefunden. Mit der freundlichen Erlaubnis von Dr. Bounni wurden seine Ausgrabungen von einer deutsch-syrischen Mission in den Jahren 1992-1994 von der Universität Tübingen unter der Leitung von Uwe Finkbeiner fortgesetzt (fig. 1).

Zur Stratigraphie und Architektur

Während dieser Kampagnen stieg der Seespiegel um mehr als 3 Meter an, so dass die älteren Schichten im Norden der Ruine, Area I, nur zu Beginn erforscht werden konnten. Dennoch lassen sich diese und die nachfolgenden Schichten recht klar erkennen. Dies gilt vor allem für Area III, das Wohngebiet im Süden, aber auch für Area II an der Westkante des Hügels.

Area I (fig. 2): In Level I.5 konnte das Palast-ähnliche Building A und die erste Stadtmauer mit einem Tor in Teilen freigelegt werden. Sie gehören in die Periode EME 2, die etwa in das erste Viertel des 3. Jahrtausends datiert werden kann (fig. 3). In dieselbe Periode gehört auch noch Level I.4, die jüngere Bauphase des Building A und die verstärkte Stadtmauer, die in Level I.3, EME 3-4, durch ein Glacis noch zusätzlich geschützt wird. Zu Level I.3 gehört ferner Building B (fig. 4), das Building A in veränderter Orientierung und Grundriss und mit weniger starken Mauern aufnimmt. Möglicherweise wird der gesamte Gebäudekomplex in Level I.2, EME 5, aufgegeben.

Area II: Die Erosionskante im Westen des Hügels bot besondere Bedingungen, da hier im Uferstreifen Reste von Wohnhäusern erkennbar waren, die als Level II.5 noch zu EME 1 gerechnet werden können. Es folgt eine Sequenz von Wohnhausschichten, die Level II.4-3, die nach EME 2 datieren. Jüngere Schichten, Level II.2 bis II.1(?) waren zu stark gestört, um eine sichere Aussage zu erlauben. Aber abweichend von Area I konnten in der stark gestörten Oberflächenschicht Funde der Mittelbronzezeit identifiziert werden.

Area III (fig. 5): Hier konnte ein größeres Wohngebiet von ca. 400 m2 freigelegt werden, mit Hausgrundrissen und Straßenzügen die als Level III.4 – III.2 mehrere Phasen umfassen und alle der Periode EME 2 angehören. Jüngere Gruben wurden als Level III.1, Periode EME 3, bezeichnet. Zu den Überresten der Periode EME 4 können Befunde der syrischen Ausgrabung und ein Grab gerechnet werden, das in die damals nicht mehr intakte Stadtmauer eingetieft war.

Eine Gesamtstratigraphie der Levels in den Areas I, II oder III, ist leider nicht direkt möglich, sondern nur typologisch über die Datierung der Keramik als Horizons 1-5 zu erzielen. Unter Einbeziehung der C14 Datierungen ergibt sich folgende Tabelle:

HorizonEMEabsolute date
113000 - 2900
222900 - 2650
332650 - 2450
44-52450 - 2100
562100 - 2000

Funde

Keramik: Die von P. Sconzo publizierte Keramik (Sconzo 2013) stammt aus den am besten erhaltenen Schichten, die alle der Frühbronzezeit, EME 2-5, angehören. Spätere Perioden beschränken sich auf die Mittelbronzezeit und das 1. Jahrtausend mit einigen wenigen Beispielen (Finkbeiner, 2017). Für rund ein Jahrtausend von 1700 v. Chr. bis 700 v. Chr. scheint Tell el-‘Abd verlassen zu sein.

Kleinfunde: Auffallend häufig fanden sich Terrakotten, teils anthropomorph teils Tierterrakotten (fig. 6), die allesamt in das 3. Jahrtausend datieren (Sakal u. Pruß 2017). Ferner wurden die für das zeitliche Milieu typischen Objekte, meist aus Bronze (Schmitt 2017), Stein oder aus Knochen (Genz 2017) geborgen, aber auch einige Siegelabrollungen auf Keramik und ein Krugverschluss (Felli 2017). Alle Objekte werden in Band III der Endpublikation dargestellt .

Fauna und Flora: Die naturwissenschaftlichen Untersuchungen zur damaligen Vegetation und Tierwelt geben einen repräsentativen Aufschluss über die Ernährung in der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends. Diese basierte im Wesentlichen auf dem Anbau von Gerste und der Haltung von Schafen und Ziegen (ca. 70%). Daneben sind Rinder (ca. 19%) gut vertreten, Schweine eher selten. Die Ergebnisse der Archaeobotany (Riehl 2017) und der Archaeozoology (Doll 2017) sind ebenfalls Teil des Bandes III der Endpublikation.

Zusammenfassung

Tell el-‘Abd stellt offenbar eine Gründung um 3000 v. Chr. dar, die von Beginn an einer festen Planung folgte: im Norden ein Palast-ähnliches großes Gebäude, im Süden ein Wohnviertel und dazu eine Stadtmauer, die beide Bereiche umschloss. Die Blütezeit dieser Siedlung ist auf die erste Hälfte des 3. Jahrtausends beschränkt. Danach verliert es seine überregionale Bedeutung wahrscheinlich zugunsten des nahe benachbarten antiken Ekalte (mit modernem Namen Munbāqa), das bis in die Spätbronzezeit als wichtige Stadt am Euphrat weiterlebte.

Veröffentlichungen

Monographien & Artikel

Projektleiter

Dr. Uwe Finkbeiner, Eberhard Karls Universität Tübingen

Kontakt

Dr. Uwe Finkbeiner

Institut für die Kulturen des Alten Orients
Institute for Ancient Near Eastern Studies (IANES)
Abteilung für Vorderasiatische Archäologie
Burgsteige 11, Schloß Hohentübingen
72070 Tübingen