Das Verbundprojekt PRETINA verfolgt zwei übergeordnete Ziele. Zum einen sollen Bürger:innen bei der Benutzung von Eye-Tracking-Technologien bei Computer Spielen in der Wahrnehmung ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung unterstützt werden. Zum anderen sollen Entwickler:innen befähigt werden, ihre ethische, rechtliche und soziale Verantwortung wahrzunehmen, die Privatheit der Anwendenden zu wahren und Datenschutz technisch umzusetzen.
Bis vor wenigen Jahren wurden Eye Tracking-Technologien vorrangig in speziellen Anwendungsnischen erprobt. Die technologischen Fortschritte v.a. die Miniaturisierung und Verbesserung der Kamerasensorik und der Algorithmen zur Blickrichtungsschätzung, brachten jedoch eine rapide Ausweitung der möglichen Anwendungsbereiche mit sich. Inzwischen wird Eye Tracking in einer Reihe von Anwendungsfeldern eingesetzt, z.B. bei Computerspielen für eine intuitivere Mensch-Computer-Interaktion (Sareika 2005). Insbesondere in diesem Bereich geht die Entwicklung rapide voran: Eye Tracking wird hier bereits im Alltag eingesetzt und dadurch als Technologie selbstverständlicher, z.B. integriert in HMDs, wie die Apple Vision Pro.
Nicht nur die zunehmende Verfügbarkeit und Selbstverständlichkeit des Eye Trackings, sondern v.a. auch die analytischen Möglichkeiten dieser Technologie, bergen Potential für weitreichende Privatheitsverletzungen (Kröger et al. 2020). So sind mittels Eye Tracking Rückschlüsse über psychische, physische und emotionale Zustände, ethnische Zugehörigkeiten und viele weitere Einblicke in das ‚Innere‘ der Anwendenden möglich. Diese können z.B. in kritischen Anwendungsbereichen den für die Verarbeitung Verantwortlichen Machtvorteile verschaffen bzw. diese ausbauen. Die Weitergabe derartiger Einblicke und ihre Zusammenführung zu umfassenden Profilen kann sogar zur Verhaltenssteuerung von Bürger:innen verwendet werden.
Vor diesem Hintergrund wird PRETINA:
1. Bürger:innen bei der Benutzung von Eye-Tracking-Technologien in der Wahrnehmung ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung unterstützen.
2. Entwickler:innen in ihrer Arbeit helfen, ihre ethische, rechtliche und soziale Verantwortung wahrzunehmen, die Privatheit der Anwendenden zu wahren und Datenschutz technisch umzusetzen.
Dabei wird der Anwendungskontext des Gamings ins Zentrum der Forschung gestellt. Eye Tracking hält u.a. mittels HMDs zunehmend Einzug in den privaten Unterhaltungsbereich. Trotzdem handelt es sich dabei um ein bislang kaum erforschtes Anwendungsfeld. Zugleich ist die Nutzung gekennzeichnet durch ihre Niederschwelligkeit: Nutzende benötigen abseits der HMDs, die zu Unterhaltungszwecken ohnehin angeschafft werden, keine sonstige Peripherie. Hersteller:innen und Spieleentwickler:innen können auf die standardmäßig eingebaute Eye Tracking-Technologie zugreifen. Besondere Datenschutz- und Privatheitsherausforderungen resultieren dabei insbesondere aus der Zusammenführung und Analyse von personenbezogenen Daten unterschiedlicher Sensoren, die in Unterhaltungskontexten eingesetzt werden (Beschleunigungssensoren, Raumerfassung, Aktivitätserfassung im Spiel usw.). Überdies eröffnet die Untersuchung des Verhältnisses zwischen der selbstbestimmten Kaufentscheidung eines solchen HMD und der Einwilligung ins Eye Tracking zu Unterhaltungszwecken bedeutende Erkenntnisse in Bezug auf z.B. die selbstbestimmte Techniknutzung, die Wahrnehmung von Datenschutzgefährdungen sowie Privacy Calculus und Privacy Paradox.
Um den direkten Austausch mit Anwendenden zu ermöglichen, wird PRETINA Eye Tracking über die Nutzung entsprechender HMDs im Gaming-Kontext untersuchen. Dazu wird das Konsortium an einer Computerspiele-Messe teilnehmen und dort sowohl Studien durchführen als auch aktiv in den Austausch mit Anwendenden gehen.
So werden in PRETINA die Technikfolgen und deren Wahrnehmung durch die Anwendenden systematisch zusammengeführt und im Detail charakterisiert.
Die ethischen (IZEW), sozioökonomischen (Fraunhofer ISI) und rechtlichen Implikationen (Uni Kassel), werden von Projektpartnern bearbeitet, die auf diese Themen spezialisiert sind. Die technische Umsetzung von Funktionsmustern zur Untersuchung dieser Aspekte wird durch die Projektpartner Blickshift und Uni Stuttgart sichergestellt. Damit können Fragestellungen zum Datenschutz und gesellschaftsrelevante Faktoren so in die Technik implementiert werden, dass sie Bürger:innen ‚in vivo‘ demonstriert und kollaborativ diskutiert werden können.