Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)

PRETINA

Privatheitswahrendes und rechtskonformes Eyetracking im digitalisierten Alltag

Neue technische und analytische Entwicklungen vergrößern den Einsatzbereich für Eyetracking im Alltag. Gleichzeitig bergen sie das Potenzial, die Privatheit von Menschen tiefgreifend zu verletzen. Aus den Blickdaten können etwa Rückschlüsse auf Personen ihre Gedanken, Gefühle und Absichten gezogen werden. Auf diesen Informationen aufbauend, kann das Verhalten von Menschen z.B. bei Wahlen oder Kaufentscheidungen beeinflusst werden.

PRETINA erforscht die mit Eyetracking eingehergehenden Privatheitsbedrohungen und leitet konkrete Praxisempfehlungen für dessen privatheitswahrenden und rechtssicheren Einsatz ab.

Teammitglieder

 

Logo der Plattform Privatheit

PRETINA ist ein Projekt der Plattform Privatheit 

Projektpartner

Förderung

Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
Im Rahmen der Bekanntmachung: Plattform Privatheit – IT-Sicherheit schützt Privatheit und stützt Demokratie

Laufzeit: August 2024 – Juli 2027

FKZ: 16KIS2120
 

Projektbeschreibung

Das Verbundprojekt PRETINA verfolgt zwei übergeordnete Ziele. Zum einen sollen Bürger:innen bei der Benutzung von Eye-Tracking-Technologien bei Computer Spielen in der Wahrnehmung ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung unterstützt werden. Zum anderen sollen Entwickler:innen befähigt werden, ihre ethische, rechtliche und soziale Verantwortung wahrzunehmen, die Privatheit der Anwendenden zu wahren und Datenschutz technisch umzusetzen.

Bis vor wenigen Jahren wurden Eye Tracking-Technologien vorrangig in speziellen Anwendungsnischen erprobt. Die technologischen Fortschritte v.a. die Miniaturisierung und Verbesserung der Kamerasensorik und der Algorithmen zur Blickrichtungsschätzung, brachten jedoch eine rapide Ausweitung der möglichen Anwendungsbereiche mit sich. Inzwischen wird Eye Tracking in einer Reihe von Anwendungsfeldern eingesetzt, z.B. bei Computerspielen für eine intuitivere Mensch-Computer-Interaktion (Sareika 2005). Insbesondere in diesem Bereich geht die Entwicklung rapide voran: Eye Tracking wird hier bereits im Alltag eingesetzt und dadurch als Technologie selbstverständlicher, z.B. integriert in HMDs, wie die Apple Vision Pro.

Nicht nur die zunehmende Verfügbarkeit und Selbstverständlichkeit des Eye Trackings, sondern v.a. auch die analytischen Möglichkeiten dieser Technologie, bergen Potential für weitreichende Privatheitsverletzungen (Kröger et al. 2020). So sind mittels Eye Tracking Rückschlüsse über psychische, physische und emotionale Zustände, ethnische Zugehörigkeiten und viele weitere Einblicke in das ‚Innere‘ der Anwendenden möglich. Diese können z.B. in kritischen Anwendungsbereichen den für die Verarbeitung Verantwortlichen Machtvorteile verschaffen bzw. diese ausbauen. Die Weitergabe derartiger Einblicke und ihre Zusammenführung zu umfassenden Profilen kann sogar zur Verhaltenssteuerung von Bürger:innen verwendet werden.

Vor diesem Hintergrund wird PRETINA:

1. Bürger:innen bei der Benutzung von Eye-Tracking-Technologien in der Wahrnehmung ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung unterstützen. 

2. Entwickler:innen in ihrer Arbeit helfen, ihre ethische, rechtliche und soziale Verantwortung wahrzunehmen, die Privatheit der Anwendenden zu wahren und Datenschutz technisch umzusetzen.

Dabei wird der Anwendungskontext des Gamings ins Zentrum der Forschung gestellt. Eye Tracking hält u.a. mittels HMDs zunehmend Einzug in den privaten Unterhaltungsbereich. Trotzdem handelt es sich dabei um ein bislang kaum erforschtes Anwendungsfeld. Zugleich ist die Nutzung gekennzeichnet durch ihre Niederschwelligkeit: Nutzende benötigen abseits der HMDs, die zu Unterhaltungszwecken ohnehin angeschafft werden, keine sonstige Peripherie. Hersteller:innen und Spieleentwickler:innen können auf die standardmäßig eingebaute Eye Tracking-Technologie zugreifen. Besondere Datenschutz- und Privatheitsherausforderungen resultieren dabei insbesondere aus der Zusammenführung und Analyse von personenbezogenen Daten unterschiedlicher Sensoren, die in Unterhaltungskontexten eingesetzt werden (Beschleunigungssensoren, Raumerfassung, Aktivitätserfassung im Spiel usw.). Überdies eröffnet die Untersuchung des Verhältnisses zwischen der selbstbestimmten Kaufentscheidung eines solchen HMD und der Einwilligung ins Eye Tracking zu Unterhaltungszwecken bedeutende Erkenntnisse in Bezug auf z.B. die selbstbestimmte Techniknutzung, die Wahrnehmung von Datenschutzgefährdungen sowie Privacy Calculus und Privacy Paradox. 

Um den direkten Austausch mit Anwendenden zu ermöglichen, wird PRETINA Eye Tracking über die Nutzung entsprechender HMDs im Gaming-Kontext untersuchen. Dazu wird das Konsortium an einer Computerspiele-Messe teilnehmen und dort sowohl Studien durchführen als auch aktiv in den Austausch mit Anwendenden gehen.

So werden in PRETINA die Technikfolgen und deren Wahrnehmung durch die Anwendenden systematisch zusammengeführt und im Detail charakterisiert.

Die ethischen (IZEW), sozioökonomischen (Fraunhofer ISI) und rechtlichen Implikationen (Uni Kassel), werden von Projektpartnern bearbeitet, die auf diese Themen spezialisiert sind. Die technische Umsetzung von Funktionsmustern zur Untersuchung dieser Aspekte wird durch die Projektpartner Blickshift und Uni Stuttgart sichergestellt. Damit können Fragestellungen zum Datenschutz und gesellschaftsrelevante Faktoren so in die Technik implementiert werden, dass sie Bürger:innen ‚in vivo‘ demonstriert und kollaborativ diskutiert werden können.

Das Teilprojekt am IZEW

Die Rolle des IZEW im Verbund besteht darin, die ethischen und soziologischen Wissensgrundlagen zur Zielerreichung zu schaffen, diese in den Entwicklungsprozess einzubringen und transdisziplinär zu kommunizieren. Entsprechend des Studiendesigns von PRETINA verfolgen die Arbeiten am IZEW vier eng verwobene übergeordnete Ziele:

Ziel 1: Analyse des IST-Zustandes im Rahmen einer explorativen Studienphase: Empirisch und normativ verstehen, wie Privacy in Eye-Tracking im Bereich Gaming aktuell sowohl im Anwendungs- als auch im Innovationsfeld diskursiv verhandelt, sozial wahrgenommen und technisch umgesetzt wird. 

  • Entwicklung eines ethisch und soziologisch informierten Begriffs von Privatheit, welcher die Mehrdimensionalität, Diversität und Komplexität des sozio-technischen Ensembles angemessen berücksichtigt.       

  • Verstehen, wie die Anwendungs- und Innovationskontexte von Eye Tracking diskursiv und politisch-ökonomisch strukturiert sind und wie diese die Handlungsspielräume der Akteur*innen und der Technik in digitalen Kulturen prägen

    • Analyse ethischer und sozialer Aspekte im Entwicklungsprozess (Menschenbilder, Normalvorstellungen etc.)

    • Antizipation möglicher ethischer und sozialer Implikationen von Eye Tracking

  • Perspektiven von Gamern und Entwickler*innen auf Privacy verstehen und kritisch hinterfragen u.a. im Hinblick darauf ob und wenn ja wie Wertkonflikte wahrgenommen und navigiert werden 

     

Ziel 2: Entwurf eines SOLL-Zustandes: In Co-Forschung mit den Verbundpartner*innen konzipieren, wie privatheitsförderndes Eye-Tracking im Bereich Gaming gestaltet sein müsste und wie ein konkreter technischer Lösungsansatz aussehen könnte. 

  • Entwicklung einer reflexiven Problemstellung in der Wertkonflikte so dar- und gegenübergestellt werden, dass sie abgewogen und in technische Implikationen übersetzt werden können

  • Antizipation wünschenswerter ethischer und sozialer Implikationen, die das veränderte, privatheitsfördernde Eye Tracking hervorbringen soll, um daraus technische Anforderungen abzuleiten

  • Transdisziplinäre Aushandlung der Anforderungen und Übersetzung der Anforderungen in technische Gestaltungsmöglichkeiten für ein einheitliches Funktionsmuster

  • Reflexion des Co-Design Prozesses aus Perspektive Integrierter Forschung u.a. mit Blick auf der Verhandlung von Wertekonflikten im Entwicklungsteam.

     

Ziel 3: Analyse des SOLL-Zustandes im Rahmen der erprobenden Studienphase: Die Erprobung des entwickelten Systems empirisch und normativ untersuchen und evaluieren, durch den Abgleich mit dem IST-Zustand und den definierten Kriterien. 

  • Den in Ziel 1 entwickelten, Privatheitsbegriff im Sinne des iterativen Vorgehens der Grounded Theory sättigen. Zu diesem Zweck wird der Privatheitsbegriff auf Basis der Ergebnisse der erprobenden Studienphase erneut reflektiert und ggf. nachjustiert.

  • Perspektiven von Gamern und Entwickler*innen auf die veränderten Bedingungen von Privacy gewinnen und kritisch hinterfragen u.a. im Hinblick darauf wie Wertkonflikte nun wahrgenommen und navigiert werden 

  • Erzeugen eines Vergleiches mit den Ergebnissen des IST-Zustandes, um Veränderungen in der Wahrnehmung von Privacy ursächlich zu identifizieren. 

     

Ziel 4: Praktische Umsetzung fördern: In Co-Forschung mit den Verbundpartner*innen werden konkrete Reflexionsangebote und Handlungsoptionen für Anwender*innen und Entwickler*innen sowie technische Gestaltungsmöglichkeiten entwickelt und durch Wissenschaftskommunikation verbreitet. 

  • Synthese der interdisziplinär gewonnenen Perspektiven auf einen gesellschaftsverträglichen Privatheitsbegriff zu konkreten technischen Handlungs- und Gestaltungsoptionen

    • Interdisziplinäre Aushandlung und Übersetzung sozialer und ethischer Anforderungen in technische Handlungs- und Gestaltungsoptionen

    • Erzeugung von Handlungs- und Gestaltungsoptionen

  • Verbreitung der Ergebnisse des Projektes in der wissenschaftlichen Community und bei den Anwender*innen. Zu diesem Zweck wird interne und externe Wissenschaftskommunikation betrieben.

    • Intern: Vorsetzung des etablierten und erfolgreichen PrEThics Workshops. Teilnahme und reflektierende Vorträge bei wissenschaftlichen Konferenzen, enge Zusammenarbeit mit der Plattform Privatheit

    • Extern: Direkter Austausch und Darstellung erster Ergebnisse auf der Gamescom.