Sozialpädagogiktag 2019
29. und 30. November 2019
Selbstbestimmen - Mitbestimmen?!
Beteiligung und Selbstorganisation im Kontext der Sozialen Arbeit
Soziale Arbeit ist auf die Beteiligung von Adressat*innen für die Gestaltung einer professionellen Praxis angewiesen. Wichtige Entwicklungen haben sich häufig erst aufgrund der Selbst- und Mitorganisation von Betroffenen und ihren Forderungen und Anregungen vollziehen können. Dies zeigt sich mit Blick auf die Selbsthilfebewegungen der 80er und 90er Jahre, deren Initiativen heute vielfältig etabliert sind, ebenso in der aktuellen Hilfe- und Unterstützungsarbeit von selbstorganisierten Geflüchteten oder ALG2-Bezieher*innen oder in der Zusammenarbeit mit Jugend- oder Kulturvereinen. Diese Entwicklungen verweisen auf ein produktives, aber auch konflikthaltiges Verhältnis zwischen engagierten Betroffenen und der Sozialen Arbeit.
Neben den Impulsen, die Selbst- und Mitbestimmung von Adressat*innen für die Weiterentwicklung des Hilfesystems bieten können, zeigen sich in der alltäglichen Arbeit Schwierigkeiten, dem Anspruch an Einbeziehung und Mitbestimmung gerecht zu werden. So sind institutionelle Formen der Mitbestimmung meist an Logiken von Organisationen und Fachkräften ausgerichtet, die die Wahrnehmung der Perspektiven und Bedürfnisse der Adressat*innen beeinflussen, wenn nicht gar verzerren. Zu fragen ist: Was können aktuelle Ansätze und Verfahren der Beteiligung und Mitbestimmung überhaupt leisten? Gelingt es tatsächlich, Adressat*innen nicht nur eine Stimme zu geben, sondern diese auch zu hören und wirksam werden zu lassen? Was befähigt Menschen in schwierigen Situationen und belasteten Lebenslagen für sich selbst zu sprechen und sich selbst zu organisieren?
Schließlich: Welche Ambivalenz wirft die Forderung nach Selbstorganisation von Adressat*innen auf, wenn das wichtige Potential der Beteiligung mit der Forderung konfrontiert wird, professionelle Hilfen zu verringern, zu entprofessionalisieren und gesellschaftliche Verantwortung zu individualisieren? In welcher Weise sind Formen der Selbsthilfe auf wohlfahrtsstaatliche Absicherung und auf fachliche, institutionelle Verankerungen im Hilfesystem angewiesen?
Für die Soziale Arbeit haben diese Fragen grundlegende Bedeutung. Sie fordern zu Verhältnisbestimmungen zwischen der Anerkennung von Verletzlichkeit und Bedürftigkeit von Betroffenen und deren Anspruch auf Selbstbestimmung heraus. In Vorträgen und Diskussionen soll Raum gegeben werden, wie dieses Spannungsverhältnis beschrieben und produktiv gestaltet werden kann.