Vom 22. bis zum 28. Januar hatte eine interdisziplinäre Gruppe von Studierenden der katholischen Theologie und Geschichtswissenschaft die Möglichkeit, an einer spannenden Exkursion nach Budapest teilzunehmen. Vorbereitend haben wir uns im Rahmen der Übung „Jüdisches Ungarn im 19. und 20. Jahrhundert: Geschichte und Didaktik“ unter der Leitung von Dr. Alexa von Winning (Institut für osteuropäische Geschichte und Landeskunde) und Katharina Zimmermann (Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät) mit jüdischem Leben in Ungarn und der Erinnerungskultur an den Holocaust beschäftigt. Vor Ort in Budapest haben wir die ungarische Erinnerungskultur studiert und uns verschiedene Museen und Gedenkstätten unter Aspekten der Museumsdidaktik genauer angesehen.
Nach unserer Anreise am Montag starteten wir am Dienstag mit dem Besuch des Rabbiner-Seminars in das Exkursionsprogramm. Dr. Balázs Tamási (Professor für jüdische Theologie und Bibliotheksleiter) führte uns durch die Hochschule, erzählte uns in der Synagoge die Geschichte des Seminars und zeigte uns dessen reichhaltige Bibliothek. Sie erlitt unter nationalsozialistischer Besatzung schmerzhafte Verluste und wird heute von zehn Mitarbeiter:innen mit großem Engagement modernisiert und für Besucher:innen zugänglich gehalten.
Nachmittags besichtigten wir mit der neologen Dohány-Synagoge die zweitgrößte Synagoge der Welt und die größte Europas. In die Blätter des „Baums des Lebens“ (im Bild unten rechts) sind die Namen der während des Holocaust in Ungarn ermordeten Juden und Jüdinnen eingraviert. Nach einer Stadtführung durch das sozialistische Budapest ließen wir den Abend gemeinsam im Restaurant Mazel Tov ausklingen. Am Mittwochvormittag führte uns Adél Nagy durch das Holocaust Memorial Center und die dazugehörige Synagoge in der Páva-Straße. Am Nachmittag erarbeiteten wir uns die Ausstellung des Haus des Terrors anhand des Ausstellungskatalogs und einer museumseigenen App, da das Haus selbst geschlossen war. Während im Holocaust Memorial Center das Leid der Opfergruppen und die Strategien und Logiken antisemitischer Politik und Menschen-feindlichkeit im Zentrum standen, wurde der Holocaust im Terrorhaus in eine ungarische Nationalgeschichte eingeordnet und als Erfahrung von Fremdherrschaft präsentiert. Abends schlossen wir der Tag in einer Ruinenkneipe im jüdischen Viertel ab.
Der Donnerstag begann mit einer Führung von Prof. Dr. Mónika Mátay (Historikerin an der ELTE-Universität) durch das jüdische Viertel und einem Besuch der orthodoxen Synagoge in der Kazinczy-Straße. Im Anschluss hatten wir die Möglichkeit, uns mit Studierenden der ELTE über ihre persönlichen Erfahrungen an einer liberalen Universität im autoritären ungarischen Staat auszutauschen. Auch die Erinnerungskultur und das Holocaust-Gedenken aus ungarischer, jüdischer und deutscher Perspektive kamen zur Sprache. Der Besuch des ungarischen Parlaments und der Rockoper Steven the King bot uns die Gelegenheit, in die aktuelle ungarische Kultur einzutauchen und Budapest auch abseits der akademischen Diskurse zu erleben.
Nach einer inhaltlichen Reflexion der Exkursion am Freitagvormittag wechselten wir das Donauufer auf die Buda-Seite und besuchten das Nationalarchiv. Hier lernten wir nicht nur die Funktionsweise des Hauses kennen, sondern die Archivarin Dr. Krisztina Kulcsár gab uns auch Einblick in den reichen Quellenfundus jüdischer Kultur und Geschichte in Ungarn. Höhepunkt und Abschluss des offiziellen Programms war die Einladung zur Schabbat-Feier der neologen Gemeinde der Frankel Leo Synagoge. Die Gastfreundlichkeit und Offenheit der Gemeinde haben uns sehr gerührt. Der anschließende Kiddusch (Segnung des Wein zu Beginn des Schabbats) mit dem Rabbi Dr. Tamás Verő und vielen Gemeindemitgliedern bot uns nicht nur die Gelegenheit Fragen zu stellen, sondern auch einen intimen Einblick in das jüdische religiöse Leben.
Die Exkursion war eine äußerst bereichernde Erfahrung und bot uns Einblicke in Insitutionen und Hintergründe, die uns bei einer privaten Reise nicht zugänglich gewesen wären. Besonders die Begegnungen mit Vertreter:innen des und Forscher:innen zum Judentum haben uns nachdrücklich vor Augen geführt, wie wichtig der Einsatz gegen jede Form von Antisemitismus und der europäische Zusammenhalt (wieder) geworden sind. Auch für die Zukunft erhoffen wir uns eine Zusammenarbeit mit unseren ungarischen Partner:innen.
So hat es sich für uns sehr gelohnt, die jüdische Geschichte Ungarns vor Ort und gemeinsam zu erkunden! Wir danken dem Förderverein Geschichte, der Maria-Düsing-Stiftung und den Fachschaften Geschichte und katholische Theologie für ihre Unterstützung.
Katharina Eisenbarth & Clara Springer
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