Die Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Wissenschaft ist der Universität ein wichtiges Anliegen.
Mit dem Format Science & Career Talks verstärkt die Universität im Rahmen der Exzellenzstrategie ihre Aktivitäten im Bereich Gleichstellung und lädt erfahrene und erfolgreiche Wissenschaftlerinnen nach Tübingen ein. Diese berichten in einem öffentlichen Vortrag von ihrer Forschung und teilen in einem Workshop ihre persönlichen Erfahrungen, die sie auf ihrem fachspezifischen Karriereweg gemacht haben. Nachwuchswissenschaftlerinnen vor Ort haben so die Möglichkeit, die Wissenschaftlerinnen als Vorbilder (role models) kennenzulernen und sich von deren Arbeit und Karriereweg inspirieren zu lassen.
Ludwig-Maximilians-Universität München
Bereich: Soziologie
Hella von Unger (Prof. Dr.) ist Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Qualitative Methoden der Sozialforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Migration und Gesundheit, Forschungsethik und partizipative Methoden.
Forschungsethik bewegt sich im Spannungsfeld zwischen bürokratischer Regulierung und gelebter Praxis. Während ethische Standards den Schutz von Teilnehmenden und die wissenschaftliche Integrität sichern sollen, können strenge regulatorische Vorgaben den Zugang zum Forschungsfeld einschränken und auch die Autonomie der Wissenschaft herausfordern. Anhand persönlicher Erfahrungen aus der sozialwissenschaftlichen Forschung zeigt Hella von Unger, wie Forschungsethik nicht nur eine theoretische Debatte, sondern auch eine praxisnahe Aushandlung ist – mit direkten Auswirkungen auf Methoden, Feldzugänge und wissenschaftliche Karriere.
Workshop
09.04.2024, 9:15-12:00 Uhr
Partizipative Forschung – Einblicke und Erfahrungsaustausch
Ort: KI Makerspace, Wöhrdstr. 25, 72072 Tübingen
Anfahrt zum KI-Makerspace
Anmeldung
Der Workshop beleuchtet die Anknüpfungspunkte von Forschungsethik und partizipativer Praxis. Welche Rolle nehmen Mitforschende oder Praxispartner:innen im Forschungsprozess ein? Wie kann wissenschaftliche Integrität sicherstellen, ohne die Flexibilität und Offenheit partizipativer Prozesse zu gefährden? Wie gehe ich mit Machtasymmetrien und epistemischer Ungerechtigkeit zwischen Forschenden und Mitwirkenden um? Der Workshop richtet sich an Forschende aller Fachrichtungen, die partizipative Ansätze erkunden möchten oder bereits erste Erfahrungen gesammelt haben.
Eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zur Chancengleichheit ist die tief verwurzelte, oft unbewussten Reproduktion von Ungleichheiten in wissenschaftlichen Strukturen und Kulturen. Trotz vieler Fortschritte bleibt die Wissenschaft oft auf ein Ideal von ständiger Verfügbarkeit und Mobilität ausgerichtet, was vor allem Menschen benachteiligt, die familiäre oder andere soziale Verpflichtungen übernehmen.
Hella von Unger
Was ist Ihnen beim Thema Gleichstellung in der Wissenschaft besonders wichtig?
Für mich ist es zentral, dass Gleichstellung in der Wissenschaft strukturell verankert wird und nicht nur als individuelle Aufgabe verstanden wird. Es reicht nicht aus, talentierte Wissenschaftlerinnen zu ermutigen oder zu unterstützen – die Strukturen selbst müssen darauf ausgerichtet sein, Chancengleichheit zu ermöglichen und bestehende Ungleichheiten abzubauen. Dazu gehören transparente Rekrutierungs- und Beförderungsverfahren, die Anerkennung von Care-Arbeit und die Förderung von Teilzeitkarrieren, ohne dass sie wissenschaftliche Laufbahnen beeinträchtigen. Zudem halte ich es für wichtig, dass wir Reflexivität auch in Bezug auf Geschlechterverhältnisse und andere Differenzkategorien (wie Klasse/Schicht, Sexualität, Ethnizität, etc) kultivieren: in der Forschung, in der Lehre und in unseren Institutionen. Ein reflektierter Umgang mit der Frage, wer gehört und gesehen wird, ist ebenso entscheidend wie die konkrete Unterstützung von Wissenschaftler:innen durch Mentoring und Netzwerke.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen auf dem Weg zur Chancengleichheit?
Eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zur Chancengleichheit sehe ich in der tief verwurzelten, oft unbewussten Reproduktion von Ungleichheiten in wissenschaftlichen Strukturen und Kulturen. Zum Beispiel in Rekrutierungs- und Evaluationsprozessen werden bestimmte Gruppen – insbesondere Frauen und marginalisierte Personen – häufig benachteiligt. Ein weiterer Punkt ist die Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Karriere und privaten Lebensrealitäten, insbesondere im Hinblick auf Care-Arbeit. Trotz vieler Fortschritte bleibt die Wissenschaft oft auf ein Ideal von ständiger Verfügbarkeit und Mobilität ausgerichtet, was vor allem Menschen benachteiligt, die familiäre oder andere soziale Verpflichtungen und Care-Aufgaben übernehmen.
Wie können Universitäten und Forschungseinrichtungen die Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft unterstützen?
Universitäten und Forschungseinrichtungen können die Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft durch strukturelle Maßnahmen unterstützen, z.B. durch transparente und faire Rekrutierungs- und Beförderungsverfahren sowie gezielte Programme zur Förderung von Frauen in allen Karrierestufen, insbesondere in Führungspositionen. Gleichzeitig müssen kulturelle Veränderungen angestoßen werden. Dazu gehört, stereotype Vorstellungen von wissenschaftlicher Exzellenz zu hinterfragen und alternative Karrierewege zu ermöglichen, die die Vereinbarkeit von Familie, Care-Arbeit und Wissenschaft unterstützen. Mentoring-Programme, Netzwerke und Vorbilder spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Außerdem sollten Universitäten aktiv Reflexivität in Bezug auf Gender- und Diversitätsfragen fördern – sowohl in der Forschung als auch in der eigenen Organisationskultur. Nur durch ein Zusammenspiel von strukturellen Reformen und kulturellem Wandel kann echte Chancengleichheit erreicht werden.
Gibt es spezifische Programme oder Initiativen, die Sie jungen Wissenschaftlerinnen empfehlen würden?
Ich habe mal an einem interdisziplinären Frauenförderprogramm der Boschstiftung teilgenommen (ein doofer Name: „Fast Track“, aber inhaltlich und konzeptionell fantastisch); auch ein Berliner Programm (ProFiL) war sehr gut, allerdings beides nur das Ziel „Professur“ ausgerichtet. Andere Karrierewege wurden vernachlässigt.
Wie balancieren Sie berufliche Anforderungen und persönliche Lebensziele?
Meine Arbeit macht mir viel Spaß und bereichert mich sehr. Sie gibt meinem Leben Sinn. Aber in bestimmten Situationen gehen ganz klar das private Leben und die Menschen, die man liebt, vor. In solchen Situationen versuche ich gut zu kommunizieren, wieso ich bestimmte berufliche Aufgaben nicht übernehmen kann oder abgeben muss. Damit habe ich bislang gute Erfahrungen gemacht.
05.02.2025 - Vortrag
Mobility between tangible and intangible resources: the Adriatic Balkans in the 3rd mill BC
06.02.2025 - Workshop
Research careers and mobility: is it a man's world?
28.11.2024 – Talk
Deep Earth Query: Information Discovery from Big Earth Observation Data Archives
29.11.2024 – Workshop
Stepping Stones to Success: The Journey of Transitioning from a Research Associate to a Full Professor Position
07.10.2024 – Vortrag
Developmental mechanisms that establish neuronal heterogeneity in the dopaminergic system
08.10.2024 – Workshop
A Woman’s Path in Science: Career Insights and Overcoming Challenges
16.11.2023 – Vortrag
Scientific Career and Family
12.06.2023 – Vortrag
Intervening Temporalities: Aesthetic of (lost?) Relations at the Kochi-Muziris Biennale
13.06.2023 – Workshop
Navigating your Career. Intersektionale Perspektiven auf die Karriereentwicklung in der Wissenschaft
16.09.2022 – Workshop
Karriereentwicklung von Frauen an Universitäten: Gestaltung – Vernetzung – Kommunikation
24.06.2022 – Vortrag
Regulated targeting to the endoplasmic reticulum in the context of sterol metabolism
24.06.2022 – Workshop
How to buid a cohesive research profile - balancing scientific question(s) and main techniques of the lab
31.03.2022 – Vortrag
A look through the ice on Earth and Mars
30.03.2022 – Workshop
Navigating the glass labyrinth of science, technology, engineer and math (STEM)
02.02.2022 – Vortrag
Where and how are the heaviest elements produced in the universe?
03.02.2022 – Workshop
Academic career in nuclear astrophysics
12.01.2022 – Vortrag
Zwischen Kritik, Widerstand und einfach nur "mehr desselben": Wie männliche Führungskräfte über Gleichstellung sprechen
13.01.2022 – Workshop
"Strategische Karriereplanung" oder "einfach nur berufen sein"?