Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)

Melike Şahinol

Dissertationsprojekt

Handlungsstrategien und Dynamiken im neurowissenschaftlichen und neurotechnologischen Innovationsprozess

 

Hintergrund und Problemstellung: Neurowissenschaftliche und neurotechnologische Innovationen erfordern neben technik- und medizinwissenschaftlichen auch (medizin)ethische und sozialwissenschaftliche Betrachtungsweisen, da sie derart tiefgehend in unser Leben eingreifen, dass sie elementare Fragen nach z. B. dem heutigen Menschen- bzw. Patientenbild aufwerfen. Handeln bzw. Handlungen von Patienten mit bestimmten Krankheiten sind stark von Medizintechnik abhängig. Neurowissenschaften und -technologien beziehen sich unmittelbar auf den handelnden Menschen bzw. Patienten, dessen Autonomie, Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit. Daraus ergibt sich die soziologische Relevanz neurotechnologischer Innovationen. Dementsprechend müssen die Entstehungszusammenhänge von Neurotechnologien, die "Eigenschaften" der Handlungen in soziotechnischen Konstellationen und somit des mit Medizintechnik (über)lebenden Patienten soziologisch rekonstruiert, beschrieben und erklärt werden.

Ziel des Dissertationsvorhabens ist die Analyse der Prozesse und Praktiken in den Neurowissenschaften sowie Entstehungsbedingungen von Neurotechnologien.
Von besonderer Bedeutung ist die Frage nach der Rolle von Ethik und Moral, wie sie in die Entwicklung solcher Technologien angepasst werden, wie Krankheitsbilder durch Ethik selbst modelliert und adressiert werden.

Relevante Analyse und methodisches Vorgehen: Im Rahmen dieser Dissertation wird die Grounded Theory (Anselm Strauss) als Forschungsmethode verwendet. Als ergänzende Methode kommt die "Fokussierte Ethnographie" nach Knoblauch (2001; sowie Schnettler/ Knoblauch 2009) im Rahmen einer Laborstudie (vgl. Latour/ Woolgar 1979, Knorr Cetina 1984) zum Einsatz.
Auf Basis zweier Analyseebenen soll eine auf empirische Daten gegründete Theorie über den neurowissenschaftlichen und -technologischen Innovationsprozess entwickelt werden.

Ausblick: Auf der Grundlage von Dokumentenanalysen, Laborbeobachtungen, Selbstversuchen mit verschiedenen Neurotechniken und Interviews mit mehreren NeurowissenschaftlerInnen, NeurochirurgInnen, BioinformatikerInnen, PhysiotherapeutInnen und PatientInnen, argumentiere ich, dass sich die Entwicklung von BCI und die Patientenversorgung durch u.a. eine verteilte Ethik zwischen verschiedenen epistemischen Kulturen auszeichnet. Wenn wir Ethik selbst als verteilte Technik verstehen, können wir erkennen, welche Dilemmata und Dynamiken sie im neurotechnologischen Prozess verursacht. Diese Einblicke können somit wichtige Erkenntnisse für die Technikfolgenabschätzung und insofern Aufschluss über wichtige bioethische Handlungsoptionen für eine "bessere" Patientenversorgung im Bereich der Neurotechnologien geben.

Lehre

SoSe 2009: Technik aus soziologischer Perspektive: über die Technisierung der Gesellschaft, von Cyborgs und anderen soziotechnischen Konstrukten

Vorträge und Präsentationen

“Development of neurotechnical treatment with brain machine interfaces in chronic stroke”, Neurosociety conference 7-8 December 2010: What is it with the brain these days? Oxford's Saïd Business School in cooperation with the Institute for Science, Innovation and Society (InSIS) and the European Neuroscience and Society Network (ENSN), Oxford (UK), 07.12.2010

“Handlungsstrategien und Dynamiken im neurowissenschaftlichen und –technologischen Innovationsprozess“, Der Systemblick auf Innovation – Technikfolgenabschätzung in der Technikgestaltung, NTA4 - Vierte Konferenz des „Netzwerks TA“, Berlin, 26.11.2010

“Practical ethics in neuro scientific/ technological research – brain machine interfaces and patient care”, 4S Annual Meeting 2010 - Society for Social Studies of Science, Tokyo/ Japan, 26.08.2010

“Neuro-Techno-Scientific Imaginaries?”, Science, Technology and Society Fellows Meeting, Kennedy School of Government, Harvard University (Cambridge /MA), 10.11.2009

Publikationen

Tagungsbericht: „Geschichte(n) der Robotik“ Jahrestagung der Gesellschaft für Technikgeschichte, Offenbach, 22. - 24. Mai 2009. In: Technikgeschichte, 77, 2010, Nr. 1. Zusammen mit Petersen, Sonja. Online Publikation in: H-Soz-u-Kult, 05.08.2009 (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2723 sowie http://www.h-net.org/reviews/showrev.php?id=26839).

Conference Report "History of Robotics", Annual Meeting of the German Society for the History of Technology (GTG) May 2009. In: Newsletter of the International Committee for the History of Technology ICOHTEC, No. 53, August 2009. Together with Petersen, Sonja.

Şahinol, Melike (2008): Groß-sozio-technische Systeme im Mikro-Makro-Modell: Technikgenese in sozialen Netzwerken und die Interdependenzen von Akteursstrategien und Technikentwicklung am Beispiel des inHaus Duisburg. In: Compagna, Diego/ Shire, Karen (2008) (Hrsg.): Working Papers kultur- und techniksoziologische Studien, No. 3/2008

Şahinol, Melike (2007): Soziale Netzwerke und Technische Innovationen. Akteursstrategien zwischen Markt und Technikgenese am Beispiel des inHaus’. In: Compagna, Diego (Hrsg.): Soziotechnische Aspekte von Teleheimarbeit. Lohmar-Köln: Eul-Verlag, S. 163-191

Zur Person

Herbstsemester 2009 Fellow im Programm "Science, Technology and Society", Kennedy School of Government, Harvard University (Cambridge, MA).
Seit Juli 2008 Aufnahme in das Doktorandenprojekt der "TRANSDISS - Disziplinäre Forschung in der Transdisziplinarität. Dissertationen in der Technikfolgenabschätzung" gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Seit April 2008 Stipendiatin des DFG-Graduiertenkollegs Bioethik, IZEW, Eberhard Karls Universität Tübingen.
Oktober 2007 – März 2008: wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Dr. Manfred Max Bergman, Universität Basel, Institut für Soziologie, Lehrstuhl für politische Soziologie und Methoden der empirischen Sozialforschung.
September 2006 – Juni 2007: zunächst studentische, dann wissenschaftliche Mitarbeiterin von Gastprofessorin Dr. Jutta Weber, Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg, Zentrum für Interdisziplinäre Studien.
WS2001/02 – WS2006/07: Studium der Sozialwissenschaften, Psychologie und Politikwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg.
Diplomarbeit „Soziologie der Innovation: Technikgenese am Beispiel des inHauses“ im Rahmen des vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung geförderten Forschungsunterprojektes „Techniksoziologische inHaus-Forschung“. Betreuer: Prof. Karen Shire, Dipl. Soz. Diego Compagna

Kontakt

E-Mail: melike.sahinol[at]googlemail.com