Institut für Kriminologie

Vom Schwarzmarkt zur Grauzone – Zwischenbilanz nach einem Jahr Cannabisgesetz

Am 30.06.2025 erschienen trotz des heißen Wetters über 100 Interessierte zum zweiten Vortrag des Kriminologisch-Kriminalpolitischen-Arbeitskreises (KrimAK) im Sommersemester 2025. Gastredner war der stellvertretende Direktor der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ), Herr Dr. Sebastian Sobota. Sobota, der auch als Rechtsanwalt zugelassen ist, fungiert als Mitherausgeber eines – voraussichtlich im Oktober 2025 erscheinenden – Kommentars zum Konsumcannabisgesetz (KCanG). Sein Vortrag drehte sich insbesondere um den Inhalt und die Schwächen des KCanG sowie darauf bezogene neue Entwicklungen in der Rechtsprechung.

Nach einer kurzen Einführung durch Herrn Prof. Dr. Jörg Kinzig erläuterte der Referent, dass – trotz der vermeintlichen Legalisierung durch das KCanG – im Grunde weiterhin ein Umgangsverbot für Cannabis bestehe. Für Volljährige gebe es zwar Ausnahmen, allerdings sei das Gesetz durch einen langen Katalog von Strafvorschriften gekennzeichnet (§ 34 KCanG), der den Begriff der „Legalisierung“ weitgehend karikiere.

Aufgrund der Neuregelung seien zudem zahlreiche rechtliche Grauzonen zu verzeichnen. Beispielsweise bestünden Unklarheiten, was unter dem „Gewicht nach dem Trocknen“ (vgl. §§ 3, 34, 36 KCanG) zu verstehen sei. Des Weiteren sei der Begriff des „Herstellens“ (§ 34 Abs. 1 Nr. 3 KCanG) intransparent. Widersprüche zu dem erlaubten Eigenanbau ergäben sich vor allem dann, wenn das strafbare „Herstellen“ auch die Ernte umfasse. Außerdem problematisierte der Referent, dass der arbeitsteilige Anbau von Cannabis in Mehrpersonenhaushalten als Mittäterschaft gehandhabt und bestraft werden könne.

Mithilfe eines Memes kritisierte der Vortragende die einschlägige BGH-Rechtsprechung als „BtMG light“. Insbesondere lehnt er zusammen mit der herrschenden Literatur die Beibehaltung des Grenzwerts für eine „nicht geringe Menge“ von 7,5 g THC, der aus der früheren Rechtsprechung zum BtMG entnommen wurde, kategorisch ab. Diese Auslegung laufe der geänderten Risikobewertung von Cannabis und somit der Wertentscheidung des Gesetzgebers zuwider. Auch die Unterscheidung des 3. Strafsenats zwischen „Stecklingen“ und „Setzlingen“ stieß auf Kritik. Dadurch werde die gesetzliche Regelung für den Erwerb von Vermehrungsmaterial gezielt unterlaufen.

Als eigentlichen „Gamechanger“ beschrieb Sobota hingegen das MedCanG. Dass für die Verschreibung von medizinischem Cannabis nunmehr keine besonderen Vorgaben eingehalten werden müssten, bedeute einerseits deutliche Erleichterungen für Erkrankte, andererseits aber auch eine faktische Legalisierung „durch die Hintertür“. Dies habe zu einem massiv gestiegenen Import von medizinischem Cannabis geführt.

Als Folge sei, so Sobota, der Schwarzmarkt zurückgegangen. Außerdem verzeichne die PKS 2024 einen deutlichen Rückgang der Rauschgiftkriminalität insgesamt. Im Ergebnis sei eine Legalisierung von Cannabis daher der richtige Weg, auch wenn im Hinblick auf das aktuelle KCanG lediglich von einer Entkriminalisierung gesprochen werden könne. Trotz verschiedentlichen Reformbedarfs hält der Referent eine Rückabwicklung des Gesetzes für ausgeschlossen. Umso mehr Bedeutung gewinne daher die bevorstehende Evaluation des Gesetzes, an der auch das Institut für Kriminologie der Universität Tübingen beteiligt ist.

Im kommenden Wintersemester 2025/2026 erwarten Sie wieder zwei ausgewählte Vorträge im Rahmen des KrimAK. Über Themenvorschläge von Ihrer Seite würden wir, das Institut für Kriminologie, uns sehr freuen; die Kontaktdaten finden Sie auf der Institutshomepage.

Max Gschwinder